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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Erreger der besonderen Gefühle; Ortsinn.
röhren geben, je nachdem sie an ihrer Hautausbreitung oder in ihrem
Verlauf durch den Stamm erregt werden, entweder das besondere
oder nur das Schmerzgefühl; E. H. Weber. Taucht man z. B. den
Ellenbogen in eine Mischung von Eis und Wasser, bis dass die Ab-
kühlung allmälig durch die Haut zu dem n. ulnaris dringt, so ent-
steht in diesem niemals das Gefühl der Kälte, sondern nur des Schmer-
zes, welches sich aus bekannten Gründen gegen den Ulnarrand der
Hand erstreckt. Ebenso sind grosse Hautnarben, in denen die Cutis
vollkommen zerstört ist, nicht mehr geeignet Kälte- und Wärmeempfin-
dung zu erzeugen. Endlich entbehren auch die Hautflächen, welchen
die beschriebenen Organe fehlen, der ebengenannten Empfindungen,
so erzeugt z. B. Eiswasser, in den Magen oder Dickdarm eingebracht,
keine Kälteempfindung; E. H. Weber. -- b. Nach Einathmung von
Aether tritt bekanntlich ein eigenthümlicher Zustand unseres Hirns
ein, in diesem empfinden wir höchst auffallender Weise sehr intensive
Verletzungen nicht mehr als Schmerzen, dagegen geben schwache
Angriffe auf die Haut Tastempfindungen; dieses Auslöschen der
Schmerzfähigkeit neben dem Bestehen der Tastempfindlichkeit scheint
allerdings darauf hinzudeuten dass diesen beiden spezifisch ver-
schiedene Prozesse des Hirns zu Grunde liegen; Gerdy, Pirogoff *).

2. Erreger der besondern Gefühle. -- Die benannten Flächen
scheinen aber nur dann die besondern Empfindungen erzeugen zu
können, wenn die Erregung der Nerven einen gewissen Grad der In-
tensität nicht überschreitet; jede heftige Veränderung der Nerven
wird nämlich augenblicklich schmerzhaft, und damit verlieren wir die
Befähigung, gleichsam als ob die Vorstellung von der Empfindung über-
täubt würde, zur Auffassung einiger Besonderheiten der Erregung.

Wenn es nun zur Bildung der besondern Gefühle kommt, verknüpft
sich sogleich die Empfindung und die Vorstellung auf das innigste.
Darum scheint es E. H. Weber in der meisterhaften Darstellung
seiner fundamentalen Entdeckungen vorgezogen zu haben, die
nächsten und entfernteren Wirkungen der Erreger zugleich abzuhan-
deln, indem er die Gesammtheit der durch Druck, Zug und Tempera-
turschwankung in der Empfindung und Vorstellung hervorgerufenen
Erscheinungen beschreibt als Ort- Druck- und Temperatursinn. Wir
werden diese Reihenfolge, abweichend von der bisher bei den Sinnen
eingeschlagenen, ebenfalls zu Grunde legen.

3. Ortsinn. Dieser Namen bezeichnet die Fähigkeit, unmittel-
bar durch die von mechanischen Erregern erzeugten Empfindungen,
zu einer Vorstellung von der Gestalt der erregten sensiblen Flächen
zu gelangen. -- Dieses Vermögen ist, wie die Versuche von E. H.
Weber lehren, an verschiedenen Stellen sehr verschieden ausgebildet.

*) E. H. Weber l. c. p. 563.
Ludwig, Physiolog. I.
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Erreger der besonderen Gefühle; Ortsinn.
röhren geben, je nachdem sie an ihrer Hautausbreitung oder in ihrem
Verlauf durch den Stamm erregt werden, entweder das besondere
oder nur das Schmerzgefühl; E. H. Weber. Taucht man z. B. den
Ellenbogen in eine Mischung von Eis und Wasser, bis dass die Ab-
kühlung allmälig durch die Haut zu dem n. ulnaris dringt, so ent-
steht in diesem niemals das Gefühl der Kälte, sondern nur des Schmer-
zes, welches sich aus bekannten Gründen gegen den Ulnarrand der
Hand erstreckt. Ebenso sind grosse Hautnarben, in denen die Cutis
vollkommen zerstört ist, nicht mehr geeignet Kälte- und Wärmeempfin-
dung zu erzeugen. Endlich entbehren auch die Hautflächen, welchen
die beschriebenen Organe fehlen, der ebengenannten Empfindungen,
so erzeugt z. B. Eiswasser, in den Magen oder Dickdarm eingebracht,
keine Kälteempfindung; E. H. Weber. — b. Nach Einathmung von
Aether tritt bekanntlich ein eigenthümlicher Zustand unseres Hirns
ein, in diesem empfinden wir höchst auffallender Weise sehr intensive
Verletzungen nicht mehr als Schmerzen, dagegen geben schwache
Angriffe auf die Haut Tastempfindungen; dieses Auslöschen der
Schmerzfähigkeit neben dem Bestehen der Tastempfindlichkeit scheint
allerdings darauf hinzudeuten dass diesen beiden spezifisch ver-
schiedene Prozesse des Hirns zu Grunde liegen; Gerdy, Pirogoff *).

2. Erreger der besondern Gefühle. — Die benannten Flächen
scheinen aber nur dann die besondern Empfindungen erzeugen zu
können, wenn die Erregung der Nerven einen gewissen Grad der In-
tensität nicht überschreitet; jede heftige Veränderung der Nerven
wird nämlich augenblicklich schmerzhaft, und damit verlieren wir die
Befähigung, gleichsam als ob die Vorstellung von der Empfindung über-
täubt würde, zur Auffassung einiger Besonderheiten der Erregung.

Wenn es nun zur Bildung der besondern Gefühle kommt, verknüpft
sich sogleich die Empfindung und die Vorstellung auf das innigste.
Darum scheint es E. H. Weber in der meisterhaften Darstellung
seiner fundamentalen Entdeckungen vorgezogen zu haben, die
nächsten und entfernteren Wirkungen der Erreger zugleich abzuhan-
deln, indem er die Gesammtheit der durch Druck, Zug und Tempera-
turschwankung in der Empfindung und Vorstellung hervorgerufenen
Erscheinungen beschreibt als Ort- Druck- und Temperatursinn. Wir
werden diese Reihenfolge, abweichend von der bisher bei den Sinnen
eingeschlagenen, ebenfalls zu Grunde legen.

3. Ortsinn. Dieser Namen bezeichnet die Fähigkeit, unmittel-
bar durch die von mechanischen Erregern erzeugten Empfindungen,
zu einer Vorstellung von der Gestalt der erregten sensiblen Flächen
zu gelangen. — Dieses Vermögen ist, wie die Versuche von E. H.
Weber lehren, an verschiedenen Stellen sehr verschieden ausgebildet.

*) E. H. Weber l. c. p. 563.
Ludwig, Physiolog. I.
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[305/0319] Erreger der besonderen Gefühle; Ortsinn. röhren geben, je nachdem sie an ihrer Hautausbreitung oder in ihrem Verlauf durch den Stamm erregt werden, entweder das besondere oder nur das Schmerzgefühl; E. H. Weber. Taucht man z. B. den Ellenbogen in eine Mischung von Eis und Wasser, bis dass die Ab- kühlung allmälig durch die Haut zu dem n. ulnaris dringt, so ent- steht in diesem niemals das Gefühl der Kälte, sondern nur des Schmer- zes, welches sich aus bekannten Gründen gegen den Ulnarrand der Hand erstreckt. Ebenso sind grosse Hautnarben, in denen die Cutis vollkommen zerstört ist, nicht mehr geeignet Kälte- und Wärmeempfin- dung zu erzeugen. Endlich entbehren auch die Hautflächen, welchen die beschriebenen Organe fehlen, der ebengenannten Empfindungen, so erzeugt z. B. Eiswasser, in den Magen oder Dickdarm eingebracht, keine Kälteempfindung; E. H. Weber. — b. Nach Einathmung von Aether tritt bekanntlich ein eigenthümlicher Zustand unseres Hirns ein, in diesem empfinden wir höchst auffallender Weise sehr intensive Verletzungen nicht mehr als Schmerzen, dagegen geben schwache Angriffe auf die Haut Tastempfindungen; dieses Auslöschen der Schmerzfähigkeit neben dem Bestehen der Tastempfindlichkeit scheint allerdings darauf hinzudeuten dass diesen beiden spezifisch ver- schiedene Prozesse des Hirns zu Grunde liegen; Gerdy, Pirogoff *). 2. Erreger der besondern Gefühle. — Die benannten Flächen scheinen aber nur dann die besondern Empfindungen erzeugen zu können, wenn die Erregung der Nerven einen gewissen Grad der In- tensität nicht überschreitet; jede heftige Veränderung der Nerven wird nämlich augenblicklich schmerzhaft, und damit verlieren wir die Befähigung, gleichsam als ob die Vorstellung von der Empfindung über- täubt würde, zur Auffassung einiger Besonderheiten der Erregung. Wenn es nun zur Bildung der besondern Gefühle kommt, verknüpft sich sogleich die Empfindung und die Vorstellung auf das innigste. Darum scheint es E. H. Weber in der meisterhaften Darstellung seiner fundamentalen Entdeckungen vorgezogen zu haben, die nächsten und entfernteren Wirkungen der Erreger zugleich abzuhan- deln, indem er die Gesammtheit der durch Druck, Zug und Tempera- turschwankung in der Empfindung und Vorstellung hervorgerufenen Erscheinungen beschreibt als Ort- Druck- und Temperatursinn. Wir werden diese Reihenfolge, abweichend von der bisher bei den Sinnen eingeschlagenen, ebenfalls zu Grunde legen. 3. Ortsinn. Dieser Namen bezeichnet die Fähigkeit, unmittel- bar durch die von mechanischen Erregern erzeugten Empfindungen, zu einer Vorstellung von der Gestalt der erregten sensiblen Flächen zu gelangen. — Dieses Vermögen ist, wie die Versuche von E. H. Weber lehren, an verschiedenen Stellen sehr verschieden ausgebildet. *) E. H. Weber l. c. p. 563. Ludwig, Physiolog. I. 20

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/319>, abgerufen am 22.11.2024.