Ueber die Methode zur Anstellung dieser Versuche gilt das früher bei den Ner- ven bemerkte S. 109.
a. Die Verkürzung tritt jedesmal ein, wenn die in den Muskel ein- gehenden Nerven in den erregten Zustand oder genauer ausge- drückt, in denjenigen gelangen, der durch die elektronegative Stromes- schwankung charakterisirt ist. Die Umstände aber, unter welchen der Muskelnerv überhaupt erregt wird, sind a. bestimmte nicht näher definir- bare Seelenzustände, die wir mit dem allgemeinem Namen Willen be- zeichnen. -- b. Eigenthümliche Verhältnisse des Rückenmarks und Hirns, die wir unter dem nichtssagenden Namen, automatischer und reflektorischer Erregung, begreifen. -- g. Diejenigen Tem- peraturen, welche momentan mit ihrem Eintritt den Nerven zerstören. Nach Eckhard*) wird dieses im Froschnerven erreicht durch Tem- peraturen, welche jenseits -- 3° bis -- 5° R. und ebenso jenseits + 53° bis + 54° R. liegen. Mit der Länge der von diesen Kälte- oder Wärmegraden getroffenen Nervenstücke, wächst die Stärke der Zuk- kung, sie ändert sich dagegen nicht mit der Entfernung des getroffe- nen Stückes von dem Eintritt in den Muskel. -- d. Von den auf den Ner- ven angewendeten chemischen Atomen erzeugen nach Eckhard**) eine vorübergehende Zuckung begleitet von dem Absterben des Nerven Lösungen, die über 1 bis 2p.C KO und NaO; über 10 bis 20p.C NO5 und ClH; über 45 bis 60 p.C SO3 enthalten; ferner Meta- phosphorsäure, sehr conzentrirte Essig- und Weinsäure; wässriger Al- kohol von über 90 p.C, Kreosot; AgONO5. -- Anhaltende sog. tetanische Erregung erzeugen dagegen die zwei- und mehrprozentigen Lösungen von Na Cl; Ca Cl; Am Cl; KId; KO, 2CO2; NaO, 2CO2; NaO, SO3 und KO, SO3, ferner sehr conzentrirte Zuckerlösungen. Durch Eintauchen in Wasser mit einem Wort durch Auswaschen dieser Substanzen aus dem Ner- ven werden die Zuckungen gehoben und es bleibt der Nerv erregbar zurück. Zuckung erzeugt endlich ein rasches Eintrocknen des Nerven also eine Wasserentziehung (?). -- Zahllose andere conzentrirte Lö- sungen selbst sehr kräftig wirkender chemischer Stoffe, wie die der ge- wönnlichen Phosphorsäure, des Ammoniaks, der Metallsalze zerstören zwar den Nerven bringen ihn aber nicht in den Erregungszustand. -- e. Mechanische Veränderungen des Nerven erzeugen den zuckungserre- genden Zustand desselben, aber nur vorausgesetzt, dass sie mit einer gewissen Langsamkeit auf ihn eindringen, während sehr rasch verlau- fende mechanische Affektionen des Nerven, wie z. B. eine rasche Durch- schneidung desselben (Valentin) keinen solchen erzeugen. -- th. Zu den Erregern des Muskelnerven gehört endlich der elektrische Strom; dieser vermag jedoch nur dann den Nerven in den bewegungserzeu- genden Zustand zu versetzen, wenn die Stärke desselben während der
Ueber die Methode zur Anstellung dieser Versuche gilt das früher bei den Ner- ven bemerkte S. 109.
a. Die Verkürzung tritt jedesmal ein, wenn die in den Muskel ein- gehenden Nerven in den erregten Zustand oder genauer ausge- drückt, in denjenigen gelangen, der durch die elektronegative Stromes- schwankung charakterisirt ist. Die Umstände aber, unter welchen der Muskelnerv überhaupt erregt wird, sind α. bestimmte nicht näher definir- bare Seelenzustände, die wir mit dem allgemeinem Namen Willen be- zeichnen. — β. Eigenthümliche Verhältnisse des Rückenmarks und Hirns, die wir unter dem nichtssagenden Namen, automatischer und reflektorischer Erregung, begreifen. — γ. Diejenigen Tem- peraturen, welche momentan mit ihrem Eintritt den Nerven zerstören. Nach Eckhard*) wird dieses im Froschnerven erreicht durch Tem- peraturen, welche jenseits — 3° bis — 5° R. und ebenso jenseits + 53° bis + 54° R. liegen. Mit der Länge der von diesen Kälte- oder Wärmegraden getroffenen Nervenstücke, wächst die Stärke der Zuk- kung, sie ändert sich dagegen nicht mit der Entfernung des getroffe- nen Stückes von dem Eintritt in den Muskel. — δ. Von den auf den Ner- ven angewendeten chemischen Atomen erzeugen nach Eckhard**) eine vorübergehende Zuckung begleitet von dem Absterben des Nerven Lösungen, die über 1 bis 2p.C KO und NaO; über 10 bis 20p.C NO5 und ClH; über 45 bis 60 p.C SO3 enthalten; ferner Meta- phosphorsäure, sehr conzentrirte Essig- und Weinsäure; wässriger Al- kohol von über 90 p.C, Kreosot; AgONO5. — Anhaltende sog. tetanische Erregung erzeugen dagegen die zwei- und mehrprozentigen Lösungen von Na Cl; Ca Cl; Am Cl; KId; KO, 2CO2; NaO, 2CO2; NaO, SO3 und KO, SO3, ferner sehr conzentrirte Zuckerlösungen. Durch Eintauchen in Wasser mit einem Wort durch Auswaschen dieser Substanzen aus dem Ner- ven werden die Zuckungen gehoben und es bleibt der Nerv erregbar zurück. Zuckung erzeugt endlich ein rasches Eintrocknen des Nerven also eine Wasserentziehung (?). — Zahllose andere conzentrirte Lö- sungen selbst sehr kräftig wirkender chemischer Stoffe, wie die der ge- wönnlichen Phosphorsäure, des Ammoniaks, der Metallsalze zerstören zwar den Nerven bringen ihn aber nicht in den Erregungszustand. — ε. Mechanische Veränderungen des Nerven erzeugen den zuckungserre- genden Zustand desselben, aber nur vorausgesetzt, dass sie mit einer gewissen Langsamkeit auf ihn eindringen, während sehr rasch verlau- fende mechanische Affektionen des Nerven, wie z. B. eine rasche Durch- schneidung desselben (Valentin) keinen solchen erzeugen. — ϑ. Zu den Erregern des Muskelnerven gehört endlich der elektrische Strom; dieser vermag jedoch nur dann den Nerven in den bewegungserzeu- genden Zustand zu versetzen, wenn die Stärke desselben während der
*)Henle u. Pfeufer X. 164.
**)Henle u. Pfeufer Neue Folge II. Bd.
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[324/0338]
Muskelerreger. Willen, Reflex, Wärme, chemishe Atome, Druck.
Ueber die Methode zur Anstellung dieser Versuche gilt das früher bei den Ner-
ven bemerkte S. 109.
a. Die Verkürzung tritt jedesmal ein, wenn die in den Muskel ein-
gehenden Nerven in den erregten Zustand oder genauer ausge-
drückt, in denjenigen gelangen, der durch die elektronegative Stromes-
schwankung charakterisirt ist. Die Umstände aber, unter welchen der
Muskelnerv überhaupt erregt wird, sind α. bestimmte nicht näher definir-
bare Seelenzustände, die wir mit dem allgemeinem Namen Willen be-
zeichnen. — β. Eigenthümliche Verhältnisse des Rückenmarks und Hirns,
die wir unter dem nichtssagenden Namen, automatischer und
reflektorischer Erregung, begreifen. — γ. Diejenigen Tem-
peraturen, welche momentan mit ihrem Eintritt den Nerven zerstören.
Nach Eckhard *) wird dieses im Froschnerven erreicht durch Tem-
peraturen, welche jenseits — 3° bis — 5° R. und ebenso jenseits
+ 53° bis + 54° R. liegen. Mit der Länge der von diesen Kälte- oder
Wärmegraden getroffenen Nervenstücke, wächst die Stärke der Zuk-
kung, sie ändert sich dagegen nicht mit der Entfernung des getroffe-
nen Stückes von dem Eintritt in den Muskel. — δ. Von den auf den Ner-
ven angewendeten chemischen Atomen erzeugen nach Eckhard **)
eine vorübergehende Zuckung begleitet von dem Absterben des
Nerven Lösungen, die über 1 bis 2p.C KO und NaO; über 10 bis
20p.C NO5 und ClH; über 45 bis 60 p.C SO3 enthalten; ferner Meta-
phosphorsäure, sehr conzentrirte Essig- und Weinsäure; wässriger Al-
kohol von über 90 p.C, Kreosot; AgONO5. — Anhaltende sog. tetanische
Erregung erzeugen dagegen die zwei- und mehrprozentigen Lösungen
von Na Cl; Ca Cl; Am Cl; KId; KO, 2CO2; NaO, 2CO2; NaO, SO3 und KO, SO3,
ferner sehr conzentrirte Zuckerlösungen. Durch Eintauchen in Wasser
mit einem Wort durch Auswaschen dieser Substanzen aus dem Ner-
ven werden die Zuckungen gehoben und es bleibt der Nerv erregbar
zurück. Zuckung erzeugt endlich ein rasches Eintrocknen des Nerven
also eine Wasserentziehung (?). — Zahllose andere conzentrirte Lö-
sungen selbst sehr kräftig wirkender chemischer Stoffe, wie die der ge-
wönnlichen Phosphorsäure, des Ammoniaks, der Metallsalze zerstören
zwar den Nerven bringen ihn aber nicht in den Erregungszustand. —
ε. Mechanische Veränderungen des Nerven erzeugen den zuckungserre-
genden Zustand desselben, aber nur vorausgesetzt, dass sie mit einer
gewissen Langsamkeit auf ihn eindringen, während sehr rasch verlau-
fende mechanische Affektionen des Nerven, wie z. B. eine rasche Durch-
schneidung desselben (Valentin) keinen solchen erzeugen. — ϑ. Zu
den Erregern des Muskelnerven gehört endlich der elektrische Strom;
dieser vermag jedoch nur dann den Nerven in den bewegungserzeu-
genden Zustand zu versetzen, wenn die Stärke desselben während der
*) Henle u. Pfeufer X. 164.
**) Henle u. Pfeufer Neue Folge II. Bd.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/338>, abgerufen am 21.11.2024.
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