Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.Gelenke mit Rotationsflächen. Rotationsfläche umspannt, durch das Vorhandensein oder Fehlen vonKnochenvorsprüngen in der Gelenkumgebung, durch die Spannung oder Torsion der Gelenkbänder. Diese letzteren sind bei Kugel-, Ke- gel- und Säulengelenken verschiedentlich eingerichtet. Beim Kugelge- lenk werden sie durch einfache Streifen dargestellt, welche jedesmal die einander grade gegenüberliegenden Punkte der Gelenkränder ver- binden; diese Bänder genügen, um die Drehung nach allen möglichen Achsen zu hemmen welche über einen gewissen Umfang hinausgehen. Denn geschieht die Bewegung derartig, dass die Bandstreifen der einen Seite erschlafft werden, so müssen sich die der entgegengesetzten spannen; verschieben sich aber die in der Ruhe einander gegenüberlie- genden Punkte der Gelenkränder, so werden alle Bandstreifen in einem gewissen Grad verdreht. -- Das Säulengelenk, der reine Ginglymus der Anatomen, empfängt seine Hemmung durch Bänder, welche sich ex- [Abbildung]
Fig. 94. [Abbildung]
Fig. 95. centrisch in dem Kreise ansetzen, in welchemdas Gelenk sich dreht, welche mit andern Wor- ten ihren Ursprung an dem einen der Knochen nicht in, sondern neben der Gelenkachse finden; solche Bänder Fig. 94 sind aber nur dann be- kanntlich im Minimum ihrer Spannung, wenn sich ihre Ansatzpunkte an den beiden Knochen A, B und der Einschnittspunkt der Gelenkachse auf die Knochenoberfläche C in einer geraden Linie befinden, und beide Ansatzpunkte zu- gleich auf derselben Seite der Gelenkachse liegen. -- Die Hemmungsbänder des Kegel- gelenkes Fig. 95 sind schief gegen die Achse AA gestellt; wenn wie meistentheils zwei in entgegengesetzten Richtungen verlaufende Bänder B B und C C vorhanden sind, so wird durch eine Bewegung aus der Stellung, in welcher beide Bänder in mittlerer Spannung liegen, das eine derselben (B B') an und das andre (C C') abgespannt werden. -- Alle Ge- lenke erfahren zudem noch Beschränkungen durch Muskeln, Sehnen, Fettpolster u. s. w. -- b. Den Gelenkenden, deren zugekehrte Flä- Gelenke mit Rotationsflächen. Rotationsfläche umspannt, durch das Vorhandensein oder Fehlen vonKnochenvorsprüngen in der Gelenkumgebung, durch die Spannung oder Torsion der Gelenkbänder. Diese letzteren sind bei Kugel-, Ke- gel- und Säulengelenken verschiedentlich eingerichtet. Beim Kugelge- lenk werden sie durch einfache Streifen dargestellt, welche jedesmal die einander grade gegenüberliegenden Punkte der Gelenkränder ver- binden; diese Bänder genügen, um die Drehung nach allen möglichen Achsen zu hemmen welche über einen gewissen Umfang hinausgehen. Denn geschieht die Bewegung derartig, dass die Bandstreifen der einen Seite erschlafft werden, so müssen sich die der entgegengesetzten spannen; verschieben sich aber die in der Ruhe einander gegenüberlie- genden Punkte der Gelenkränder, so werden alle Bandstreifen in einem gewissen Grad verdreht. — Das Säulengelenk, der reine Ginglymus der Anatomen, empfängt seine Hemmung durch Bänder, welche sich ex- [Abbildung]
Fig. 94. [Abbildung]
Fig. 95. centrisch in dem Kreise ansetzen, in welchemdas Gelenk sich dreht, welche mit andern Wor- ten ihren Ursprung an dem einen der Knochen nicht in, sondern neben der Gelenkachse finden; solche Bänder Fig. 94 sind aber nur dann be- kanntlich im Minimum ihrer Spannung, wenn sich ihre Ansatzpunkte an den beiden Knochen A, B und der Einschnittspunkt der Gelenkachse auf die Knochenoberfläche C in einer geraden Linie befinden, und beide Ansatzpunkte zu- gleich auf derselben Seite der Gelenkachse liegen. — Die Hemmungsbänder des Kegel- gelenkes Fig. 95 sind schief gegen die Achse AA gestellt; wenn wie meistentheils zwei in entgegengesetzten Richtungen verlaufende Bänder B B und C C vorhanden sind, so wird durch eine Bewegung aus der Stellung, in welcher beide Bänder in mittlerer Spannung liegen, das eine derselben (B B′) an und das andre (C C′) abgespannt werden. — Alle Ge- lenke erfahren zudem noch Beschränkungen durch Muskeln, Sehnen, Fettpolster u. s. w. — b. Den Gelenkenden, deren zugekehrte Flä- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0382" n="368"/><fw place="top" type="header">Gelenke mit Rotationsflächen.</fw><lb/> Rotationsfläche umspannt, durch das Vorhandensein oder Fehlen von<lb/> Knochenvorsprüngen in der Gelenkumgebung, durch die Spannung<lb/> oder Torsion der Gelenkbänder. Diese letzteren sind bei Kugel-, Ke-<lb/> gel- und Säulengelenken verschiedentlich eingerichtet. Beim Kugelge-<lb/> lenk werden sie durch einfache Streifen dargestellt, welche jedesmal<lb/> die einander grade gegenüberliegenden Punkte der Gelenkränder ver-<lb/> binden; diese Bänder genügen, um die Drehung nach allen möglichen<lb/> Achsen zu hemmen welche über einen gewissen Umfang hinausgehen.<lb/> Denn geschieht die Bewegung derartig, dass die Bandstreifen der einen<lb/> Seite erschlafft werden, so müssen sich die der entgegengesetzten<lb/> spannen; verschieben sich aber die in der Ruhe einander gegenüberlie-<lb/> genden Punkte der Gelenkränder, so werden alle Bandstreifen in einem<lb/> gewissen Grad verdreht. — Das Säulengelenk, der reine Ginglymus der<lb/> Anatomen, empfängt seine Hemmung durch Bänder, welche sich ex-<lb/><figure><head>Fig. 94.</head></figure><lb/><figure><head>Fig. 95.</head></figure><lb/> centrisch in dem Kreise ansetzen, in welchem<lb/> das Gelenk sich dreht, welche mit andern Wor-<lb/> ten ihren Ursprung an dem einen der Knochen<lb/> nicht in, sondern neben der Gelenkachse finden;<lb/> solche Bänder Fig. 94 sind aber nur dann be-<lb/> kanntlich im Minimum ihrer Spannung, wenn<lb/> sich ihre Ansatzpunkte an den beiden Knochen<lb/><hi rendition="#i">A</hi>, <hi rendition="#i">B</hi> und der Einschnittspunkt der Gelenkachse<lb/> auf die Knochenoberfläche <hi rendition="#i">C</hi> in einer geraden<lb/> Linie befinden, und beide Ansatzpunkte zu-<lb/> gleich auf derselben Seite der Gelenkachse<lb/> liegen. — Die Hemmungsbänder des Kegel-<lb/> gelenkes Fig. 95 sind schief gegen die Achse<lb/><hi rendition="#i">AA</hi> gestellt; wenn wie meistentheils zwei in<lb/> entgegengesetzten Richtungen verlaufende<lb/> Bänder <hi rendition="#i">B B</hi> und <hi rendition="#i">C C</hi> vorhanden sind, so wird<lb/> durch eine Bewegung aus der Stellung, in<lb/> welcher beide Bänder in mittlerer Spannung<lb/> liegen, das eine derselben (<hi rendition="#i">B B′</hi>) an und das<lb/> andre (<hi rendition="#i">C C′</hi>) abgespannt werden. — Alle Ge-<lb/> lenke erfahren zudem noch Beschränkungen<lb/> durch Muskeln, Sehnen, Fettpolster u. s. w. —</p><lb/> <p>b. Den Gelenkenden, deren zugekehrte Flä-<lb/> chen nach verschiedenen Gesetzen gebogen<lb/> sind, kommt meist eine sehr complizirte Form<lb/> zu, so dass sogar öfter ein jedes Ende Abschnitte<lb/> ganz verschiedener Biegung trägt, die nicht auf<lb/> ein und dieselbe Curve zurückführbar sind;<lb/> oder es sind sogar die beiden Flächen nicht in<lb/> unmittelbarer Berührung, indem sich zwischen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [368/0382]
Gelenke mit Rotationsflächen.
Rotationsfläche umspannt, durch das Vorhandensein oder Fehlen von
Knochenvorsprüngen in der Gelenkumgebung, durch die Spannung
oder Torsion der Gelenkbänder. Diese letzteren sind bei Kugel-, Ke-
gel- und Säulengelenken verschiedentlich eingerichtet. Beim Kugelge-
lenk werden sie durch einfache Streifen dargestellt, welche jedesmal
die einander grade gegenüberliegenden Punkte der Gelenkränder ver-
binden; diese Bänder genügen, um die Drehung nach allen möglichen
Achsen zu hemmen welche über einen gewissen Umfang hinausgehen.
Denn geschieht die Bewegung derartig, dass die Bandstreifen der einen
Seite erschlafft werden, so müssen sich die der entgegengesetzten
spannen; verschieben sich aber die in der Ruhe einander gegenüberlie-
genden Punkte der Gelenkränder, so werden alle Bandstreifen in einem
gewissen Grad verdreht. — Das Säulengelenk, der reine Ginglymus der
Anatomen, empfängt seine Hemmung durch Bänder, welche sich ex-
[Abbildung Fig. 94.]
[Abbildung Fig. 95.]
centrisch in dem Kreise ansetzen, in welchem
das Gelenk sich dreht, welche mit andern Wor-
ten ihren Ursprung an dem einen der Knochen
nicht in, sondern neben der Gelenkachse finden;
solche Bänder Fig. 94 sind aber nur dann be-
kanntlich im Minimum ihrer Spannung, wenn
sich ihre Ansatzpunkte an den beiden Knochen
A, B und der Einschnittspunkt der Gelenkachse
auf die Knochenoberfläche C in einer geraden
Linie befinden, und beide Ansatzpunkte zu-
gleich auf derselben Seite der Gelenkachse
liegen. — Die Hemmungsbänder des Kegel-
gelenkes Fig. 95 sind schief gegen die Achse
AA gestellt; wenn wie meistentheils zwei in
entgegengesetzten Richtungen verlaufende
Bänder B B und C C vorhanden sind, so wird
durch eine Bewegung aus der Stellung, in
welcher beide Bänder in mittlerer Spannung
liegen, das eine derselben (B B′) an und das
andre (C C′) abgespannt werden. — Alle Ge-
lenke erfahren zudem noch Beschränkungen
durch Muskeln, Sehnen, Fettpolster u. s. w. —
b. Den Gelenkenden, deren zugekehrte Flä-
chen nach verschiedenen Gesetzen gebogen
sind, kommt meist eine sehr complizirte Form
zu, so dass sogar öfter ein jedes Ende Abschnitte
ganz verschiedener Biegung trägt, die nicht auf
ein und dieselbe Curve zurückführbar sind;
oder es sind sogar die beiden Flächen nicht in
unmittelbarer Berührung, indem sich zwischen
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