Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Musikalische Eigenthümlichkeit der Stimme.
Bein, welches den Rumpf in einer horizontalen Ebene um den fest-
stehenden Schenkelkopf des andern Beins zu rollen sucht. Diese Wir-
kung wird aber aufgehoben durch gleichgehende Bewegung des Armes
der entgegengesetzten Seite und entgegengesetzt gehende Bewegung
des gleichseitigen Armes. Aus diesem Grunde bewegt sich der Arm
auf der Seite des schwingenden Beins in einer diesem entgegenge-
setzten Richtung, während der anderseitige Arm gleiche Schwingungs-
richtung darbietet.

Die geringe Ermüdung unserer Muskeln, die beim natürlichen
Gang eintritt, und die es uns möglich macht, das Gehen weit längere
Zeit hindurch zu ertragen, als das Stehen, erläutert sich vorzugsweise
durch die Ruhe, welcher die Beine wechselnd hingegeben werden; in-
dem das jedesmal schwingende Glied, von der Luft getragen, ohne
Muskelanstrengung nach vorn bewegt wird.

Inwiefern die seitliche Symmetrie des Körpers von wesentlichem
Einfluss auf die Regelmässigkeit des Ganges ist, und wie die Assy-
metrie des Skelets zwischen hinten und vorn die Bewegung nur
nach einer Richtung hin vorzugsweise bedingt, ist bei E. H. Weber *)
nachzusehen.

Stimm- und Sprachwerkzeuge.

Mittelst willkürlich beweglicher Organe sind wir im Stande, auf
die mannigfaltigste Weise Töne zu erzeugen; unter diesen möglichen
Tonwerkzeugen sind aber nur die von hervorragendem Interesse,
welche in den Schling- und Athemapparat eingefügt sind.

Stimme **).

1. Musikalische Eigenthümlichkeiten der Stimme. Die
Stimme, welche im Kehlkopf erzeugt wird, gestaltet sich rücksichtlich
ihres Umfangs, ihrer Reinheit und ihres Klanges, vorausgesetzt, dass
sie durch die aus den Athemwerkzeugen strömende Luft erzeugt wird,
folgendermassen:

a. Der Umfang der Menschenstimme, d. h. der Abschnitt der Tonlei-
ter, welchen der menschliche Kehlkopf erzeugt, umfasst drei und eine
halbe Oktave; im Mittel hat ihr niedrigster Ton 80 ganze Schwingun-
gen in der Sekunde = E, und ihr höchster 992 ganze Schwingungen.
In diesen Gesammtumfang theilen sich nun die einzelnen Individuen
in der Art, dass eine gute Einzelstimme zwei bis zwei und eine halbe
Oktaven beherrscht. Indem man Rücksicht auf die Tonhöhe der Ein-

*) Hildebrandts Anatomie 4. Aufl. 1. Bd. 125.
**) J. Müller, Handbuch der Physiologie II. Bd. 133. -- Liscovius, Physiologie der mensch-
lichen Stimme. Leipzig 1846. -- Rinne, das Stimmorgan etc. Müllers Archiv 1850. -- Lon-
get
traite de Physiologie I. Bd. 3. Heft 1852. -- Ueber die hier nicht besprochene Stimme beim
Einathmen siehe Liscovius l. c. p. 50 u. Segond, Compt. rend. XXVI. Bd.

Musikalische Eigenthümlichkeit der Stimme.
Bein, welches den Rumpf in einer horizontalen Ebene um den fest-
stehenden Schenkelkopf des andern Beins zu rollen sucht. Diese Wir-
kung wird aber aufgehoben durch gleichgehende Bewegung des Armes
der entgegengesetzten Seite und entgegengesetzt gehende Bewegung
des gleichseitigen Armes. Aus diesem Grunde bewegt sich der Arm
auf der Seite des schwingenden Beins in einer diesem entgegenge-
setzten Richtung, während der anderseitige Arm gleiche Schwingungs-
richtung darbietet.

Die geringe Ermüdung unserer Muskeln, die beim natürlichen
Gang eintritt, und die es uns möglich macht, das Gehen weit längere
Zeit hindurch zu ertragen, als das Stehen, erläutert sich vorzugsweise
durch die Ruhe, welcher die Beine wechselnd hingegeben werden; in-
dem das jedesmal schwingende Glied, von der Luft getragen, ohne
Muskelanstrengung nach vorn bewegt wird.

Inwiefern die seitliche Symmetrie des Körpers von wesentlichem
Einfluss auf die Regelmässigkeit des Ganges ist, und wie die Assy-
metrie des Skelets zwischen hinten und vorn die Bewegung nur
nach einer Richtung hin vorzugsweise bedingt, ist bei E. H. Weber *)
nachzusehen.

Stimm- und Sprachwerkzeuge.

Mittelst willkürlich beweglicher Organe sind wir im Stande, auf
die mannigfaltigste Weise Töne zu erzeugen; unter diesen möglichen
Tonwerkzeugen sind aber nur die von hervorragendem Interesse,
welche in den Schling- und Athemapparat eingefügt sind.

Stimme **).

1. Musikalische Eigenthümlichkeiten der Stimme. Die
Stimme, welche im Kehlkopf erzeugt wird, gestaltet sich rücksichtlich
ihres Umfangs, ihrer Reinheit und ihres Klanges, vorausgesetzt, dass
sie durch die aus den Athemwerkzeugen strömende Luft erzeugt wird,
folgendermassen:

a. Der Umfang der Menschenstimme, d. h. der Abschnitt der Tonlei-
ter, welchen der menschliche Kehlkopf erzeugt, umfasst drei und eine
halbe Oktave; im Mittel hat ihr niedrigster Ton 80 ganze Schwingun-
gen in der Sekunde = E, und ihr höchster 992 ganze Schwingungen.
In diesen Gesammtumfang theilen sich nun die einzelnen Individuen
in der Art, dass eine gute Einzelstimme zwei bis zwei und eine halbe
Oktaven beherrscht. Indem man Rücksicht auf die Tonhöhe der Ein-

*) Hildebrandts Anatomie 4. Aufl. 1. Bd. 125.
**) J. Müller, Handbuch der Physiologie II. Bd. 133. — Liscovius, Physiologie der mensch-
lichen Stimme. Leipzig 1846. — Rinne, das Stimmorgan etc. Müllers Archiv 1850. — Lon-
get
traité de Physiologie I. Bd. 3. Heft 1852. — Ueber die hier nicht besprochene Stimme beim
Einathmen siehe Liscovius l. c. p. 50 u. Segond, Compt. rend. XXVI. Bd.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0427" n="413"/><fw place="top" type="header">Musikalische Eigenthümlichkeit der Stimme.</fw><lb/>
Bein, welches den Rumpf in einer horizontalen Ebene um den fest-<lb/>
stehenden Schenkelkopf des andern Beins zu rollen sucht. Diese Wir-<lb/>
kung wird aber aufgehoben durch gleichgehende Bewegung des Armes<lb/>
der entgegengesetzten Seite und entgegengesetzt gehende Bewegung<lb/>
des gleichseitigen Armes. Aus diesem Grunde bewegt sich der Arm<lb/>
auf der Seite des schwingenden Beins in einer diesem entgegenge-<lb/>
setzten Richtung, während der anderseitige Arm gleiche Schwingungs-<lb/>
richtung darbietet.</p><lb/>
            <p>Die geringe Ermüdung unserer Muskeln, die beim natürlichen<lb/>
Gang eintritt, und die es uns möglich macht, das Gehen weit längere<lb/>
Zeit hindurch zu ertragen, als das Stehen, erläutert sich vorzugsweise<lb/>
durch die Ruhe, welcher die Beine wechselnd hingegeben werden; in-<lb/>
dem das jedesmal schwingende Glied, von der Luft getragen, ohne<lb/>
Muskelanstrengung nach vorn bewegt wird.</p><lb/>
            <p>Inwiefern die seitliche Symmetrie des Körpers von wesentlichem<lb/>
Einfluss auf die Regelmässigkeit des Ganges ist, und wie die Assy-<lb/>
metrie des Skelets zwischen hinten und vorn die Bewegung nur<lb/>
nach einer Richtung hin vorzugsweise bedingt, ist bei E. H. <hi rendition="#g">Weber</hi> <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Hildebrandts</hi> Anatomie 4. Aufl. 1. Bd. 125.</note><lb/>
nachzusehen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#i">Stimm- und Sprachwerkzeuge</hi>.</head><lb/>
            <p>Mittelst willkürlich beweglicher Organe sind wir im Stande, auf<lb/>
die mannigfaltigste Weise Töne zu erzeugen; unter diesen möglichen<lb/>
Tonwerkzeugen sind aber nur die von hervorragendem Interesse,<lb/>
welche in den Schling- und Athemapparat eingefügt sind.</p><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">Stimme</hi><note place="foot" n="**)">J. <hi rendition="#g">Müller</hi>, Handbuch der Physiologie II. Bd. 133. &#x2014; <hi rendition="#g">Liscovius</hi>, Physiologie der mensch-<lb/>
lichen Stimme. Leipzig 1846. &#x2014; <hi rendition="#g">Rinne</hi>, das Stimmorgan etc. <hi rendition="#g">Müllers</hi> Archiv 1850. &#x2014; <hi rendition="#g">Lon-<lb/>
get</hi> traité de Physiologie I. Bd. 3. Heft 1852. &#x2014; Ueber die hier nicht besprochene Stimme beim<lb/>
Einathmen siehe <hi rendition="#g">Liscovius</hi> l. c. p. 50 u. <hi rendition="#g">Segond</hi>, Compt. rend. XXVI. Bd.</note>.</head><lb/>
              <p>1. <hi rendition="#g">Musikalische Eigenthümlichkeiten der Stimme</hi>. Die<lb/>
Stimme, welche im Kehlkopf erzeugt wird, gestaltet sich rücksichtlich<lb/>
ihres Umfangs, ihrer Reinheit und ihres Klanges, vorausgesetzt, dass<lb/>
sie durch die aus den Athemwerkzeugen strömende Luft erzeugt wird,<lb/>
folgendermassen:</p><lb/>
              <p>a. Der Umfang der Menschenstimme, d. h. der Abschnitt der Tonlei-<lb/>
ter, welchen der menschliche Kehlkopf erzeugt, umfasst drei und eine<lb/>
halbe Oktave; im Mittel hat ihr niedrigster Ton 80 ganze Schwingun-<lb/>
gen in der Sekunde = E, und ihr höchster 992 ganze Schwingungen.<lb/>
In diesen Gesammtumfang theilen sich nun die einzelnen Individuen<lb/>
in der Art, dass eine gute Einzelstimme zwei bis zwei und eine halbe<lb/>
Oktaven beherrscht. Indem man Rücksicht auf die Tonhöhe der Ein-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[413/0427] Musikalische Eigenthümlichkeit der Stimme. Bein, welches den Rumpf in einer horizontalen Ebene um den fest- stehenden Schenkelkopf des andern Beins zu rollen sucht. Diese Wir- kung wird aber aufgehoben durch gleichgehende Bewegung des Armes der entgegengesetzten Seite und entgegengesetzt gehende Bewegung des gleichseitigen Armes. Aus diesem Grunde bewegt sich der Arm auf der Seite des schwingenden Beins in einer diesem entgegenge- setzten Richtung, während der anderseitige Arm gleiche Schwingungs- richtung darbietet. Die geringe Ermüdung unserer Muskeln, die beim natürlichen Gang eintritt, und die es uns möglich macht, das Gehen weit längere Zeit hindurch zu ertragen, als das Stehen, erläutert sich vorzugsweise durch die Ruhe, welcher die Beine wechselnd hingegeben werden; in- dem das jedesmal schwingende Glied, von der Luft getragen, ohne Muskelanstrengung nach vorn bewegt wird. Inwiefern die seitliche Symmetrie des Körpers von wesentlichem Einfluss auf die Regelmässigkeit des Ganges ist, und wie die Assy- metrie des Skelets zwischen hinten und vorn die Bewegung nur nach einer Richtung hin vorzugsweise bedingt, ist bei E. H. Weber *) nachzusehen. Stimm- und Sprachwerkzeuge. Mittelst willkürlich beweglicher Organe sind wir im Stande, auf die mannigfaltigste Weise Töne zu erzeugen; unter diesen möglichen Tonwerkzeugen sind aber nur die von hervorragendem Interesse, welche in den Schling- und Athemapparat eingefügt sind. Stimme **). 1. Musikalische Eigenthümlichkeiten der Stimme. Die Stimme, welche im Kehlkopf erzeugt wird, gestaltet sich rücksichtlich ihres Umfangs, ihrer Reinheit und ihres Klanges, vorausgesetzt, dass sie durch die aus den Athemwerkzeugen strömende Luft erzeugt wird, folgendermassen: a. Der Umfang der Menschenstimme, d. h. der Abschnitt der Tonlei- ter, welchen der menschliche Kehlkopf erzeugt, umfasst drei und eine halbe Oktave; im Mittel hat ihr niedrigster Ton 80 ganze Schwingun- gen in der Sekunde = E, und ihr höchster 992 ganze Schwingungen. In diesen Gesammtumfang theilen sich nun die einzelnen Individuen in der Art, dass eine gute Einzelstimme zwei bis zwei und eine halbe Oktaven beherrscht. Indem man Rücksicht auf die Tonhöhe der Ein- *) Hildebrandts Anatomie 4. Aufl. 1. Bd. 125. **) J. Müller, Handbuch der Physiologie II. Bd. 133. — Liscovius, Physiologie der mensch- lichen Stimme. Leipzig 1846. — Rinne, das Stimmorgan etc. Müllers Archiv 1850. — Lon- get traité de Physiologie I. Bd. 3. Heft 1852. — Ueber die hier nicht besprochene Stimme beim Einathmen siehe Liscovius l. c. p. 50 u. Segond, Compt. rend. XXVI. Bd.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/427
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/427>, abgerufen am 22.11.2024.