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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Bildung der Buchstaben.
mannigfachste Weise verbogen wird. -- Diese Bildungsweisen sind für die Theorie
sehr bemerkenswerth, weil daraus hervorgeht, dass sie ebenso gut, wie alle andern
Buchstaben in dem Mund, resp. in der Rachenhöhle nicht aber in dem Kehlkopf
entstehen. Die verschiedenen Versuche die Sprache des Menschen mittelst
mechanischer Apparate nachzuahmen, haben namentlich auch auf verschiedene
Methoden der Vokalbildung geführt. Die ältern bahnbrechenden Beobachtungen von
Kempelen und Kratzenstein sind von Willis sehr vervollkommnet, welcher
darthut, dass man ebensowohl, wenn man auf ein Zungeninstrument mit frei durch-
schlagender Zunge einen flachen Trichter setzt und dessen Oeffnung immer weiter
verschliesst, der Reihe nach die Vokale i, e, a, o, u erhält, als wenn man an dieses
Zungeninstrument ein Ansatzrohr setzt. Bei allmäligem Verlängern dieses Ansatz-
rohres treten die Vokale wieder in der Reihe i, e, a, o, u auf; erreicht das Ansatz-
rohr ein 1/4 oder ein vielfaches vom 1/4 der Wellenlänge des Tons, welchen dies
Zungeninstrument gibt, so tritt ein Wendepunkt ein, indem nun die Vocale bei stei-
gender Verlängerung in umgekehrter Ordnung u, o, a, e, i erscheinen. Diese Erfah-
rung hat die Phonetiker bestimmt, die erwähnte Reihenfolge der Vokale die natür-
liche zu nennen. -- Brücke hält diese künstlichen Bedingungen der Entstehung mit
den natürlichen insofern übereinstimmend, als hier, wie dort die Reihe von i zu a
aufsteigend erhalten wird durch allmälige Verlängerung des Ansatzrohrs, und a und
o zu u durch allmälige Verengung der Ausflussöffnung für die Luft sich bildet. Er
findet dagegen noch die Art wie beim Sprechen die Zungenstellung auf die Vokal-
bildung wirkt, räthselhaft. --

Den bisher beschriebenen Lauten steht das h insofern nahe als
hier wie dort bei der Bildung der Mundkanal ziemlich weit offen bleibt.
Ler Laut h (die aspirata) kann in der That auch mit allen Vokalen
gleichzeitig gebildet werden; der Unterschied der Vokale und des h
in Bezug auf ihre Entstehung scheint einzig in dem Modus der Luft-
strömung zu bestehen, so dass bei h der Luftstoss plötzlicher und
rascher durch die zum Vokal gestellten Mundtheile hindurchfährt als
bei a, e, i, o, u.

Die Bildung der noch übrigen Laute unseres Alphabets zeigt die
Uebereinstimmung, dass die Luft auf dem Wege von der Stimmritze
bis zur Mundöffnung einen Verschluss oder eine beträchtliche Ver-
engerung findet, wesshalb sie im Vorbeiströmen ein auffallendes Ge-
räusch bildet, während die Stellung des Zungenbeins zum Kehlkopf
keine oder nur unwesentliche Veränderungen erfährt. Man hat sie
darum immer auch vorzugsweise als Mundlaute betrachtet. -- Nach
Brücke kann man sie je nach dem Ort, an welchem sich der Verschluss
oder die Verengerung bildet, in drei Gruppen zerfällen, an deren
Spitzen die von der Grammatik her bekannten mutae p, t, k stehen.

Die erste Gruppe besteht aus p, b, f, v, w, m; den Verschluss oder
die enge Mündung bilden Lippe mit Lippe oder eine der beiden Zahn-
reihen mit den Lippen. -- p wird durch ein plötzliches Oeffnen oder
Schliessen der vorher festgeschlossenen oder geöffneten Lippen er-
zeugt (z. B. in pa und ap), während ein Luftstrom aus dem Kehlkopf
gegen die Mundöffnung dringt; es kann auch mittelst raschen Oeffnens
der durch Zähne und Lippen geschlossenen Mundhöhle bei Vorhanden-
sein des erwähnten Luftstroms erzeugt werden. Der Buchstabe kann

Bildung der Buchstaben.
mannigfachste Weise verbogen wird. — Diese Bildungsweisen sind für die Theorie
sehr bemerkenswerth, weil daraus hervorgeht, dass sie ebenso gut, wie alle andern
Buchstaben in dem Mund, resp. in der Rachenhöhle nicht aber in dem Kehlkopf
entstehen. Die verschiedenen Versuche die Sprache des Menschen mittelst
mechanischer Apparate nachzuahmen, haben namentlich auch auf verschiedene
Methoden der Vokalbildung geführt. Die ältern bahnbrechenden Beobachtungen von
Kempelen und Kratzenstein sind von Willis sehr vervollkommnet, welcher
darthut, dass man ebensowohl, wenn man auf ein Zungeninstrument mit frei durch-
schlagender Zunge einen flachen Trichter setzt und dessen Oeffnung immer weiter
verschliesst, der Reihe nach die Vokale i, e, a, o, u erhält, als wenn man an dieses
Zungeninstrument ein Ansatzrohr setzt. Bei allmäligem Verlängern dieses Ansatz-
rohres treten die Vokale wieder in der Reihe i, e, a, o, u auf; erreicht das Ansatz-
rohr ein ¼ oder ein vielfaches vom ¼ der Wellenlänge des Tons, welchen dies
Zungeninstrument gibt, so tritt ein Wendepunkt ein, indem nun die Vocale bei stei-
gender Verlängerung in umgekehrter Ordnung u, o, a, e, i erscheinen. Diese Erfah-
rung hat die Phonetiker bestimmt, die erwähnte Reihenfolge der Vokale die natür-
liche zu nennen. — Brücke hält diese künstlichen Bedingungen der Entstehung mit
den natürlichen insofern übereinstimmend, als hier, wie dort die Reihe von i zu a
aufsteigend erhalten wird durch allmälige Verlängerung des Ansatzrohrs, und a und
o zu u durch allmälige Verengung der Ausflussöffnung für die Luft sich bildet. Er
findet dagegen noch die Art wie beim Sprechen die Zungenstellung auf die Vokal-
bildung wirkt, räthselhaft. —

Den bisher beschriebenen Lauten steht das h insofern nahe als
hier wie dort bei der Bildung der Mundkanal ziemlich weit offen bleibt.
Ler Laut h (die aspirata) kann in der That auch mit allen Vokalen
gleichzeitig gebildet werden; der Unterschied der Vokale und des h
in Bezug auf ihre Entstehung scheint einzig in dem Modus der Luft-
strömung zu bestehen, so dass bei h der Luftstoss plötzlicher und
rascher durch die zum Vokal gestellten Mundtheile hindurchfährt als
bei a, e, i, o, u.

Die Bildung der noch übrigen Laute unseres Alphabets zeigt die
Uebereinstimmung, dass die Luft auf dem Wege von der Stimmritze
bis zur Mundöffnung einen Verschluss oder eine beträchtliche Ver-
engerung findet, wesshalb sie im Vorbeiströmen ein auffallendes Ge-
räusch bildet, während die Stellung des Zungenbeins zum Kehlkopf
keine oder nur unwesentliche Veränderungen erfährt. Man hat sie
darum immer auch vorzugsweise als Mundlaute betrachtet. — Nach
Brücke kann man sie je nach dem Ort, an welchem sich der Verschluss
oder die Verengerung bildet, in drei Gruppen zerfällen, an deren
Spitzen die von der Grammatik her bekannten mutae p, t, k stehen.

Die erste Gruppe besteht aus p, b, f, v, w, m; den Verschluss oder
die enge Mündung bilden Lippe mit Lippe oder eine der beiden Zahn-
reihen mit den Lippen. — p wird durch ein plötzliches Oeffnen oder
Schliessen der vorher festgeschlossenen oder geöffneten Lippen er-
zeugt (z. B. in pa und ap), während ein Luftstrom aus dem Kehlkopf
gegen die Mundöffnung dringt; es kann auch mittelst raschen Oeffnens
der durch Zähne und Lippen geschlossenen Mundhöhle bei Vorhanden-
sein des erwähnten Luftstroms erzeugt werden. Der Buchstabe kann

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[437/0451] Bildung der Buchstaben. mannigfachste Weise verbogen wird. — Diese Bildungsweisen sind für die Theorie sehr bemerkenswerth, weil daraus hervorgeht, dass sie ebenso gut, wie alle andern Buchstaben in dem Mund, resp. in der Rachenhöhle nicht aber in dem Kehlkopf entstehen. Die verschiedenen Versuche die Sprache des Menschen mittelst mechanischer Apparate nachzuahmen, haben namentlich auch auf verschiedene Methoden der Vokalbildung geführt. Die ältern bahnbrechenden Beobachtungen von Kempelen und Kratzenstein sind von Willis sehr vervollkommnet, welcher darthut, dass man ebensowohl, wenn man auf ein Zungeninstrument mit frei durch- schlagender Zunge einen flachen Trichter setzt und dessen Oeffnung immer weiter verschliesst, der Reihe nach die Vokale i, e, a, o, u erhält, als wenn man an dieses Zungeninstrument ein Ansatzrohr setzt. Bei allmäligem Verlängern dieses Ansatz- rohres treten die Vokale wieder in der Reihe i, e, a, o, u auf; erreicht das Ansatz- rohr ein ¼ oder ein vielfaches vom ¼ der Wellenlänge des Tons, welchen dies Zungeninstrument gibt, so tritt ein Wendepunkt ein, indem nun die Vocale bei stei- gender Verlängerung in umgekehrter Ordnung u, o, a, e, i erscheinen. Diese Erfah- rung hat die Phonetiker bestimmt, die erwähnte Reihenfolge der Vokale die natür- liche zu nennen. — Brücke hält diese künstlichen Bedingungen der Entstehung mit den natürlichen insofern übereinstimmend, als hier, wie dort die Reihe von i zu a aufsteigend erhalten wird durch allmälige Verlängerung des Ansatzrohrs, und a und o zu u durch allmälige Verengung der Ausflussöffnung für die Luft sich bildet. Er findet dagegen noch die Art wie beim Sprechen die Zungenstellung auf die Vokal- bildung wirkt, räthselhaft. — Den bisher beschriebenen Lauten steht das h insofern nahe als hier wie dort bei der Bildung der Mundkanal ziemlich weit offen bleibt. Ler Laut h (die aspirata) kann in der That auch mit allen Vokalen gleichzeitig gebildet werden; der Unterschied der Vokale und des h in Bezug auf ihre Entstehung scheint einzig in dem Modus der Luft- strömung zu bestehen, so dass bei h der Luftstoss plötzlicher und rascher durch die zum Vokal gestellten Mundtheile hindurchfährt als bei a, e, i, o, u. Die Bildung der noch übrigen Laute unseres Alphabets zeigt die Uebereinstimmung, dass die Luft auf dem Wege von der Stimmritze bis zur Mundöffnung einen Verschluss oder eine beträchtliche Ver- engerung findet, wesshalb sie im Vorbeiströmen ein auffallendes Ge- räusch bildet, während die Stellung des Zungenbeins zum Kehlkopf keine oder nur unwesentliche Veränderungen erfährt. Man hat sie darum immer auch vorzugsweise als Mundlaute betrachtet. — Nach Brücke kann man sie je nach dem Ort, an welchem sich der Verschluss oder die Verengerung bildet, in drei Gruppen zerfällen, an deren Spitzen die von der Grammatik her bekannten mutae p, t, k stehen. Die erste Gruppe besteht aus p, b, f, v, w, m; den Verschluss oder die enge Mündung bilden Lippe mit Lippe oder eine der beiden Zahn- reihen mit den Lippen. — p wird durch ein plötzliches Oeffnen oder Schliessen der vorher festgeschlossenen oder geöffneten Lippen er- zeugt (z. B. in pa und ap), während ein Luftstrom aus dem Kehlkopf gegen die Mundöffnung dringt; es kann auch mittelst raschen Oeffnens der durch Zähne und Lippen geschlossenen Mundhöhle bei Vorhanden- sein des erwähnten Luftstroms erzeugt werden. Der Buchstabe kann

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/451>, abgerufen am 22.11.2024.