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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Eiweissartige Stoffe.
es möglich wird, dass sie als Behälter und Filtra für Flüssigkeiten die-
nen können, welche mit übrigens kräftigen Verwandtschaften begabt
sind; b) dass andere Modifikationen dagegen Verbindungen eingehen
können mit Salzen, Säuren und Basen. Diese Verbindungen sind man-
nigfach benutzt. Hierher gehört das Albuminnatron, eine Substanz, die
im Blut, Speichel u. s. w. vorkommt; ihre physiologische Bedeutung
ist unbekannt. Ferner gehört hierher wahrscheinlich die sogenannte
Pepsinchlorwasserstoffsäure (von C. Schmidt *); weiterhin die Ver-
bindungen des Albumins und vorzüglich des Caseins mit phosphorsau-
rer Kalkerde, durch welche dieser wichtige Inkrustationsstoff in alka-
lischen Flüssigkeiten löslich gemacht ist.

3) Die physikalischen Eigenschaften, welche den Gliedern der
Eiweissgruppe den Rang im Organismus vor allen Thierstoffen sichern,
sind:

a) Ihre Fähigkeit, den festen mit dem flüssigen oder umgekehrt
den flüssigen mit dem festen Aggregatzustand sehr leicht wechseln
zu können. Durch scheinbar wenig bedeutende Einflüsse wandelt sich
eine lösliche Modifikation in eine vollkommen unlösliche um; so zum
Beispiel gerinnt der Faserstoff an der Luft, das gelöste Casein bei
Berührung mit Laabmagen, das lösliche Eiweiss wenn es von flüssigen
Fetten begrenzt wird, das lösliche Proteinbioxyd wenn es einmal ein-
getrocknet war; und umgekehrt verwandelt sich der feste Faserstoff
beim Stehen an der Luft in einen löslichen Eiweisskörper u. s. w.
Diese merkwürdige Erscheinung, macht mit geringen Mitteln die Ver-
dauung fester Eiweisskörper, die Bildung der Gewebe aus dem flüssigen
Blut u. s. w. möglich.

Ausserhalb des Thierkörpers tritt die Erscheinung nicht minder überraschend
auf, wie die Gerinnung des Eiweisses durch Erhitzen und durch Schütteln mit Phe-
nylsäure (Creosot) und Alkohol, zeigt. Die Einwirkung des Creosots und des Al-
kohols ist besonders dadurch merkwürdig, dass beide Stoffe keine Verbindung mit
dem niedergeschlagenen (und unlösslich gewordenen) Eiweiss eingehen.

b) Die Eiweissstoffe treten beim Uebergang in den festen Zustand,
so weit unumstössliche chemische Erfahrungen reichen, immer amorph,
niemals crystallinisch auf. Aus diesem Grunde eignen sich dieselben
zur Bildung von sehr verschieden geformten Gewebselementen; wären
die Eiweissstoffe mit Crystallisationsbestreben oder (anders ausge-
drückt) mit Richtkräften begabt, welche die gegenseitige Lagerung
der kleinsten Theilchen bestimmten, so würden sich der Bildung jeder an-
dern Form als der durch die Crystallisationsrichtung vorgeschriebenen
Widerstände entgegensetzen. Die Schwierigkeit der ersten Bildung
von Röhren, Kugelschalen etc. aus demselben Stoff würde sich aber
nicht allein mehren, es würde zugleich noch die Gefahr vorliegen, dass

* Liebigs Annalen 61. Band. Siehe hierüber die Magenverdauung.

Eiweissartige Stoffe.
es möglich wird, dass sie als Behälter und Filtra für Flüssigkeiten die-
nen können, welche mit übrigens kräftigen Verwandtschaften begabt
sind; b) dass andere Modifikationen dagegen Verbindungen eingehen
können mit Salzen, Säuren und Basen. Diese Verbindungen sind man-
nigfach benutzt. Hierher gehört das Albuminnatron, eine Substanz, die
im Blut, Speichel u. s. w. vorkommt; ihre physiologische Bedeutung
ist unbekannt. Ferner gehört hierher wahrscheinlich die sogenannte
Pepsinchlorwasserstoffsäure (von C. Schmidt *); weiterhin die Ver-
bindungen des Albumins und vorzüglich des Caseins mit phosphorsau-
rer Kalkerde, durch welche dieser wichtige Inkrustationsstoff in alka-
lischen Flüssigkeiten löslich gemacht ist.

3) Die physikalischen Eigenschaften, welche den Gliedern der
Eiweissgruppe den Rang im Organismus vor allen Thierstoffen sichern,
sind:

a) Ihre Fähigkeit, den festen mit dem flüssigen oder umgekehrt
den flüssigen mit dem festen Aggregatzustand sehr leicht wechseln
zu können. Durch scheinbar wenig bedeutende Einflüsse wandelt sich
eine lösliche Modifikation in eine vollkommen unlösliche um; so zum
Beispiel gerinnt der Faserstoff an der Luft, das gelöste Casein bei
Berührung mit Laabmagen, das lösliche Eiweiss wenn es von flüssigen
Fetten begrenzt wird, das lösliche Proteinbioxyd wenn es einmal ein-
getrocknet war; und umgekehrt verwandelt sich der feste Faserstoff
beim Stehen an der Luft in einen löslichen Eiweisskörper u. s. w.
Diese merkwürdige Erscheinung, macht mit geringen Mitteln die Ver-
dauung fester Eiweisskörper, die Bildung der Gewebe aus dem flüssigen
Blut u. s. w. möglich.

Ausserhalb des Thierkörpers tritt die Erscheinung nicht minder überraschend
auf, wie die Gerinnung des Eiweisses durch Erhitzen und durch Schütteln mit Phe-
nylsäure (Creosot) und Alkohol, zeigt. Die Einwirkung des Creosots und des Al-
kohols ist besonders dadurch merkwürdig, dass beide Stoffe keine Verbindung mit
dem niedergeschlagenen (und unlösslich gewordenen) Eiweiss eingehen.

b) Die Eiweissstoffe treten beim Uebergang in den festen Zustand,
so weit unumstössliche chemische Erfahrungen reichen, immer amorph,
niemals crystallinisch auf. Aus diesem Grunde eignen sich dieselben
zur Bildung von sehr verschieden geformten Gewebselementen; wären
die Eiweissstoffe mit Crystallisationsbestreben oder (anders ausge-
drückt) mit Richtkräften begabt, welche die gegenseitige Lagerung
der kleinsten Theilchen bestimmten, so würden sich der Bildung jeder an-
dern Form als der durch die Crystallisationsrichtung vorgeschriebenen
Widerstände entgegensetzen. Die Schwierigkeit der ersten Bildung
von Röhren, Kugelschalen etc. aus demselben Stoff würde sich aber
nicht allein mehren, es würde zugleich noch die Gefahr vorliegen, dass

* Liebigs Annalen 61. Band. Siehe hierüber die Magenverdauung.
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[44/0058] Eiweissartige Stoffe. es möglich wird, dass sie als Behälter und Filtra für Flüssigkeiten die- nen können, welche mit übrigens kräftigen Verwandtschaften begabt sind; b) dass andere Modifikationen dagegen Verbindungen eingehen können mit Salzen, Säuren und Basen. Diese Verbindungen sind man- nigfach benutzt. Hierher gehört das Albuminnatron, eine Substanz, die im Blut, Speichel u. s. w. vorkommt; ihre physiologische Bedeutung ist unbekannt. Ferner gehört hierher wahrscheinlich die sogenannte Pepsinchlorwasserstoffsäure (von C. Schmidt *); weiterhin die Ver- bindungen des Albumins und vorzüglich des Caseins mit phosphorsau- rer Kalkerde, durch welche dieser wichtige Inkrustationsstoff in alka- lischen Flüssigkeiten löslich gemacht ist. 3) Die physikalischen Eigenschaften, welche den Gliedern der Eiweissgruppe den Rang im Organismus vor allen Thierstoffen sichern, sind: a) Ihre Fähigkeit, den festen mit dem flüssigen oder umgekehrt den flüssigen mit dem festen Aggregatzustand sehr leicht wechseln zu können. Durch scheinbar wenig bedeutende Einflüsse wandelt sich eine lösliche Modifikation in eine vollkommen unlösliche um; so zum Beispiel gerinnt der Faserstoff an der Luft, das gelöste Casein bei Berührung mit Laabmagen, das lösliche Eiweiss wenn es von flüssigen Fetten begrenzt wird, das lösliche Proteinbioxyd wenn es einmal ein- getrocknet war; und umgekehrt verwandelt sich der feste Faserstoff beim Stehen an der Luft in einen löslichen Eiweisskörper u. s. w. Diese merkwürdige Erscheinung, macht mit geringen Mitteln die Ver- dauung fester Eiweisskörper, die Bildung der Gewebe aus dem flüssigen Blut u. s. w. möglich. Ausserhalb des Thierkörpers tritt die Erscheinung nicht minder überraschend auf, wie die Gerinnung des Eiweisses durch Erhitzen und durch Schütteln mit Phe- nylsäure (Creosot) und Alkohol, zeigt. Die Einwirkung des Creosots und des Al- kohols ist besonders dadurch merkwürdig, dass beide Stoffe keine Verbindung mit dem niedergeschlagenen (und unlösslich gewordenen) Eiweiss eingehen. b) Die Eiweissstoffe treten beim Uebergang in den festen Zustand, so weit unumstössliche chemische Erfahrungen reichen, immer amorph, niemals crystallinisch auf. Aus diesem Grunde eignen sich dieselben zur Bildung von sehr verschieden geformten Gewebselementen; wären die Eiweissstoffe mit Crystallisationsbestreben oder (anders ausge- drückt) mit Richtkräften begabt, welche die gegenseitige Lagerung der kleinsten Theilchen bestimmten, so würden sich der Bildung jeder an- dern Form als der durch die Crystallisationsrichtung vorgeschriebenen Widerstände entgegensetzen. Die Schwierigkeit der ersten Bildung von Röhren, Kugelschalen etc. aus demselben Stoff würde sich aber nicht allein mehren, es würde zugleich noch die Gefahr vorliegen, dass * Liebigs Annalen 61. Band. Siehe hierüber die Magenverdauung.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/58>, abgerufen am 23.11.2024.