Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Ureter; Harnblase.
[Abbildung] Fig. 57.
(Kohlrausch). Die Gegenwart
einer solchen Einrichtung beweist
die bekannte Thatsache, dass die
Blase der Todten meist gefüllt
gefunden wird.

2. Die Muskeln des Ureters
sind bekanntlich quer und längs
laufende; ihre Nerven treten aus
dem Lendengrenzstrang ein; der
Ursprung derselben soll nach Va-
lentin
und Kilian bis in die
Sehhügel hinauf verfolgt werden
können. Die Bewegungen, welche
sie einleiten, sind immer peristaltische, nie antiperistaltische, d. h. es
laufen dieselben immer in der Richtung von der Niere zur Blase. Wenn
man, während eine Bewegung im Fortschreiten begriffen ist, ein be-
liebiges Stück Muskelsubstanz an der Zusammenziehung, z. B. durch
einen Druck auf dieselbe, hemmt, so steht die Bewegung an der gedrück-
ten Stelle still. Im normalen Verlaufe des Lebens kommen die Nerven
zeitweise in Erregung; die Pausen zwischen den Zeiten der Erregung
verkürzen sich, wenn aus der Niere viel Harn in die Ureteren ergossen
wird, aber selbst wenn gar kein Harn entleert wird, kommen doch dann
und wann fortlaufende Zusammenziehungen zu Stande. -- Die Zusammen-
ziehungen erfolgen nicht nothwendiger Weise gleichzeitig in den beider-
seitigen Ureteren, so dass die Nerven eines jeden von besonderen Orten
aus erregt werden müssen. -- Ein ausgeschnittener Ureter bewegt sich
nicht mehr, weder peri- noch antiperistaltisch (Donders) *).

Die Muskeln der Blase, welche als Detrusor und Sphincter bekannt
sind, stehen nach Kohlrausch in der Beziehung zu einander, dass
sich die Enden des ersteren in die Züge des letzteren einflechten; es
verhält sich also der die Blase verengernde Detrusor zugleich als ein
die Blasenmündung umgebender Radialmuskel, der bei seiner Zusammen-
ziehung die Harnröhrenöffnung erweitert. Die Nerven der Blasenmuskeln
treten aus dem Grenzstrang der Lenden und des Kreuzbeins, auch sie
sollen nach Kilian und Valentin durch das Rückenmark hindurch bis
in das Hirn hinein zu verfolgen sein. -- Die Erregungen des m. detru-
sor treten unwillkührlich und wahrscheinlich auf reflektorischem Wege
ein, da sie immer bei Anfüllung der Blase mit Harn beobachtet werden.
Durch Berührung der Blasenschleimhaut in der Nähe der Ureterenmün-
dungen kann nach Ch. Bell **) am leichtesten die Zusammenziehung
des Detrusors ausgelöst werden; er vermuthet darum, dass der Druck,

*) Onderzoekingen etc. Jaar 5. p. 52.
**) Romberg, Lehrbuch der Nervenkrankheiten. I. Bd. 406.

Ureter; Harnblase.
[Abbildung] Fig. 57.
(Kohlrausch). Die Gegenwart
einer solchen Einrichtung beweist
die bekannte Thatsache, dass die
Blase der Todten meist gefüllt
gefunden wird.

2. Die Muskeln des Ureters
sind bekanntlich quer und längs
laufende; ihre Nerven treten aus
dem Lendengrenzstrang ein; der
Ursprung derselben soll nach Va-
lentin
und Kilian bis in die
Sehhügel hinauf verfolgt werden
können. Die Bewegungen, welche
sie einleiten, sind immer peristaltische, nie antiperistaltische, d. h. es
laufen dieselben immer in der Richtung von der Niere zur Blase. Wenn
man, während eine Bewegung im Fortschreiten begriffen ist, ein be-
liebiges Stück Muskelsubstanz an der Zusammenziehung, z. B. durch
einen Druck auf dieselbe, hemmt, so steht die Bewegung an der gedrück-
ten Stelle still. Im normalen Verlaufe des Lebens kommen die Nerven
zeitweise in Erregung; die Pausen zwischen den Zeiten der Erregung
verkürzen sich, wenn aus der Niere viel Harn in die Ureteren ergossen
wird, aber selbst wenn gar kein Harn entleert wird, kommen doch dann
und wann fortlaufende Zusammenziehungen zu Stande. — Die Zusammen-
ziehungen erfolgen nicht nothwendiger Weise gleichzeitig in den beider-
seitigen Ureteren, so dass die Nerven eines jeden von besonderen Orten
aus erregt werden müssen. — Ein ausgeschnittener Ureter bewegt sich
nicht mehr, weder peri- noch antiperistaltisch (Donders) *).

Die Muskeln der Blase, welche als Detrusor und Sphincter bekannt
sind, stehen nach Kohlrausch in der Beziehung zu einander, dass
sich die Enden des ersteren in die Züge des letzteren einflechten; es
verhält sich also der die Blase verengernde Detrusor zugleich als ein
die Blasenmündung umgebender Radialmuskel, der bei seiner Zusammen-
ziehung die Harnröhrenöffnung erweitert. Die Nerven der Blasenmuskeln
treten aus dem Grenzstrang der Lenden und des Kreuzbeins, auch sie
sollen nach Kilian und Valentin durch das Rückenmark hindurch bis
in das Hirn hinein zu verfolgen sein. — Die Erregungen des m. detru-
sor treten unwillkührlich und wahrscheinlich auf reflektorischem Wege
ein, da sie immer bei Anfüllung der Blase mit Harn beobachtet werden.
Durch Berührung der Blasenschleimhaut in der Nähe der Ureterenmün-
dungen kann nach Ch. Bell **) am leichtesten die Zusammenziehung
des Detrusors ausgelöst werden; er vermuthet darum, dass der Druck,

*) Onderzoekingen etc. Jaar 5. p. 52.
**) Romberg, Lehrbuch der Nervenkrankheiten. I. Bd. 406.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0292" n="276"/><fw place="top" type="header">Ureter; Harnblase.</fw><lb/><figure><head>Fig. 57.</head></figure><lb/>
(<hi rendition="#g">Kohlrausch</hi>). Die Gegenwart<lb/>
einer solchen Einrichtung beweist<lb/>
die bekannte Thatsache, dass die<lb/>
Blase der Todten meist gefüllt<lb/>
gefunden wird.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#b">2.</hi> Die Muskeln des Ureters<lb/>
sind bekanntlich quer und längs<lb/>
laufende; ihre Nerven treten aus<lb/>
dem Lendengrenzstrang ein; der<lb/>
Ursprung derselben soll nach <hi rendition="#g">Va-<lb/>
lentin</hi> und <hi rendition="#g">Kilian</hi> bis in die<lb/>
Sehhügel hinauf verfolgt werden<lb/>
können. Die Bewegungen, welche<lb/>
sie einleiten, sind immer peristaltische, nie antiperistaltische, d. h. es<lb/>
laufen dieselben immer in der Richtung von der Niere zur Blase. Wenn<lb/>
man, während eine Bewegung im Fortschreiten begriffen ist, ein be-<lb/>
liebiges Stück Muskelsubstanz an der Zusammenziehung, z. B. durch<lb/>
einen Druck auf dieselbe, hemmt, so steht die Bewegung an der gedrück-<lb/>
ten Stelle still. Im normalen Verlaufe des Lebens kommen die Nerven<lb/>
zeitweise in Erregung; die Pausen zwischen den Zeiten der Erregung<lb/>
verkürzen sich, wenn aus der Niere viel Harn in die Ureteren ergossen<lb/>
wird, aber selbst wenn gar kein Harn entleert wird, kommen doch dann<lb/>
und wann fortlaufende Zusammenziehungen zu Stande. &#x2014; Die Zusammen-<lb/>
ziehungen erfolgen nicht nothwendiger Weise gleichzeitig in den beider-<lb/>
seitigen Ureteren, so dass die Nerven eines jeden von besonderen Orten<lb/>
aus erregt werden müssen. &#x2014; Ein ausgeschnittener Ureter bewegt sich<lb/>
nicht mehr, weder peri- noch antiperistaltisch (<hi rendition="#g">Donders</hi>) <note place="foot" n="*)">Onderzoekingen etc. Jaar 5. p. 52.</note>.</p><lb/>
              <p>Die Muskeln der Blase, welche als Detrusor und Sphincter bekannt<lb/>
sind, stehen nach <hi rendition="#g">Kohlrausch</hi> in der Beziehung zu einander, dass<lb/>
sich die Enden des ersteren in die Züge des letzteren einflechten; es<lb/>
verhält sich also der die Blase verengernde Detrusor zugleich als ein<lb/>
die Blasenmündung umgebender Radialmuskel, der bei seiner Zusammen-<lb/>
ziehung die Harnröhrenöffnung erweitert. Die Nerven der Blasenmuskeln<lb/>
treten aus dem Grenzstrang der Lenden und des Kreuzbeins, auch sie<lb/>
sollen nach <hi rendition="#g">Kilian</hi> und <hi rendition="#g">Valentin</hi> durch das Rückenmark hindurch bis<lb/>
in das Hirn hinein zu verfolgen sein. &#x2014; Die Erregungen des m. detru-<lb/>
sor treten unwillkührlich und wahrscheinlich auf reflektorischem Wege<lb/>
ein, da sie immer bei Anfüllung der Blase mit Harn beobachtet werden.<lb/>
Durch Berührung der Blasenschleimhaut in der Nähe der Ureterenmün-<lb/>
dungen kann nach <hi rendition="#g">Ch. Bell</hi> <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#g">Romberg</hi>, Lehrbuch der Nervenkrankheiten. I. Bd. 406.</note> am leichtesten die Zusammenziehung<lb/>
des Detrusors ausgelöst werden; er vermuthet darum, dass der Druck,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0292] Ureter; Harnblase. [Abbildung Fig. 57.] (Kohlrausch). Die Gegenwart einer solchen Einrichtung beweist die bekannte Thatsache, dass die Blase der Todten meist gefüllt gefunden wird. 2. Die Muskeln des Ureters sind bekanntlich quer und längs laufende; ihre Nerven treten aus dem Lendengrenzstrang ein; der Ursprung derselben soll nach Va- lentin und Kilian bis in die Sehhügel hinauf verfolgt werden können. Die Bewegungen, welche sie einleiten, sind immer peristaltische, nie antiperistaltische, d. h. es laufen dieselben immer in der Richtung von der Niere zur Blase. Wenn man, während eine Bewegung im Fortschreiten begriffen ist, ein be- liebiges Stück Muskelsubstanz an der Zusammenziehung, z. B. durch einen Druck auf dieselbe, hemmt, so steht die Bewegung an der gedrück- ten Stelle still. Im normalen Verlaufe des Lebens kommen die Nerven zeitweise in Erregung; die Pausen zwischen den Zeiten der Erregung verkürzen sich, wenn aus der Niere viel Harn in die Ureteren ergossen wird, aber selbst wenn gar kein Harn entleert wird, kommen doch dann und wann fortlaufende Zusammenziehungen zu Stande. — Die Zusammen- ziehungen erfolgen nicht nothwendiger Weise gleichzeitig in den beider- seitigen Ureteren, so dass die Nerven eines jeden von besonderen Orten aus erregt werden müssen. — Ein ausgeschnittener Ureter bewegt sich nicht mehr, weder peri- noch antiperistaltisch (Donders) *). Die Muskeln der Blase, welche als Detrusor und Sphincter bekannt sind, stehen nach Kohlrausch in der Beziehung zu einander, dass sich die Enden des ersteren in die Züge des letzteren einflechten; es verhält sich also der die Blase verengernde Detrusor zugleich als ein die Blasenmündung umgebender Radialmuskel, der bei seiner Zusammen- ziehung die Harnröhrenöffnung erweitert. Die Nerven der Blasenmuskeln treten aus dem Grenzstrang der Lenden und des Kreuzbeins, auch sie sollen nach Kilian und Valentin durch das Rückenmark hindurch bis in das Hirn hinein zu verfolgen sein. — Die Erregungen des m. detru- sor treten unwillkührlich und wahrscheinlich auf reflektorischem Wege ein, da sie immer bei Anfüllung der Blase mit Harn beobachtet werden. Durch Berührung der Blasenschleimhaut in der Nähe der Ureterenmün- dungen kann nach Ch. Bell **) am leichtesten die Zusammenziehung des Detrusors ausgelöst werden; er vermuthet darum, dass der Druck, *) Onderzoekingen etc. Jaar 5. p. 52. **) Romberg, Lehrbuch der Nervenkrankheiten. I. Bd. 406.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/292
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/292>, abgerufen am 21.11.2024.