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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Hoden; Samen.
Kerne enthaltend. Die Kerne sind zum Theil nur mit einer klaren
Flüssigkeit erfüllt, zum Theil ist an der Wand derselben ein spiraliger
Faden, die erste Anlage des Samenfadens, aufgelagert. In andern Zellen
sind keine Kerne mehr vorhanden, sondern es liegt, umgeben von einer
durchsichtigen Flüssigkeit, ein Bündel feiner Fäden in denselben, welche
sämmtlich an einem Ende eine knopfförmige Anschwellung tragen, die
in allen Fäden desselben Bündels nach einer Richtung innig aneinander
geschlossen liegen. So lange sich der Samen in den Kanälchen findet,
umschliessen diese Zellen die Fäden constant, und erst dann, wenn er
in das vas deferens übergetreten ist, verschwindet die Zellenmembran
und die Fäden schwimmen frei in der Flüssigkeit.

Die freien Samenfäden zeigen in dem frischen, vor Kurzem aus dem
lebenden oder so eben getödteten Thiere genommenen Samen eigenthüm-
liche Bewegungen. Der von dem platten, nach vorn etwas zugespitzten
Knopfe ausgehende lange fadenförmige Schwanz krümmt sich ohne regel-
mässige Folge bald da, bald dort hin und her und streckt sich rasch
wieder; hierbei entwickeln sie hinreichende Stosskräfte, um eine Orts-
bewegung des ganzen Fadens zu veranlassen, welche denselben in einer
Sekunde um 0,27 MM. in gerader Linie weiterschieben kann (Henle).
Bei diesen Bewegungen weichen die Fäden Hindernissen aus, die ihnen
entgegentreten, so dass es den Anschein gewinnt, als ginge in den Bewe-
gungsakt eine sinnliche Wahrnehmung und eine Schätzung der bevorstehen-
den Hemmung ein. -- Die Versuche, welche angestellt wurden, um die
den Bewegungen zu Grunde liegenden Bedingungen zu ergründen, be-
schränken sich auf Folgendes: die Samenfäden von Warmblütern verlie-
ren ihre Fähigkeit zur Bewegung durch Zumischen von destillirtem Was-
ser, verdünnten Lösungen von Metallsalzen und Säuren, Jod, ätherischen
Oelen, durch conzentrirte Lösungen von Narcotica, und endlich durch ein
Ansteigen der Temperatur über 46,5° C. und ein Sinken unter 12,5° C. --
Die Beweglichkeit erhält sich dagegen ungestört in verdünnten Lösungen
von Zucker, Neutralsalzen, Narcotica, ferner in Harn, Speichel, Blutse-
rum und unter dem Einfluss elektrischer Schläge. Siehe die betreffende
Litteratur von Valentin, Krämer, R. Wagner u. s. w., bei dem
erstern am erwähnten Ort. -- Von der chemischen Zusammensetzung
der mit Wasser ausgewaschenen Samenzellen und Fäden des Hahns be-
richtet Frerichs, dass die ersteren einen eiweissartigen Körper ent-
halten, die letzteren aber einen in Kali löslichen Eiweissstoff, ein butter-
artiges Fett und phosphorsauren Kalk.

Die Samenflüssigkeit ist im Hoden meist nur in geringer Menge
enthalten, sie ist klebrig und enthält unter andern einen schleimigen
Stoff und Kochsalz (Frerichs).

3. Die Absonderungsgeschwindigkeit des Samens. Vor der Pubertät
geht die Bildung des unreifen Samens zuerst äusserst langsam vor sich;

Hoden; Samen.
Kerne enthaltend. Die Kerne sind zum Theil nur mit einer klaren
Flüssigkeit erfüllt, zum Theil ist an der Wand derselben ein spiraliger
Faden, die erste Anlage des Samenfadens, aufgelagert. In andern Zellen
sind keine Kerne mehr vorhanden, sondern es liegt, umgeben von einer
durchsichtigen Flüssigkeit, ein Bündel feiner Fäden in denselben, welche
sämmtlich an einem Ende eine knopfförmige Anschwellung tragen, die
in allen Fäden desselben Bündels nach einer Richtung innig aneinander
geschlossen liegen. So lange sich der Samen in den Kanälchen findet,
umschliessen diese Zellen die Fäden constant, und erst dann, wenn er
in das vas deferens übergetreten ist, verschwindet die Zellenmembran
und die Fäden schwimmen frei in der Flüssigkeit.

Die freien Samenfäden zeigen in dem frischen, vor Kurzem aus dem
lebenden oder so eben getödteten Thiere genommenen Samen eigenthüm-
liche Bewegungen. Der von dem platten, nach vorn etwas zugespitzten
Knopfe ausgehende lange fadenförmige Schwanz krümmt sich ohne regel-
mässige Folge bald da, bald dort hin und her und streckt sich rasch
wieder; hierbei entwickeln sie hinreichende Stosskräfte, um eine Orts-
bewegung des ganzen Fadens zu veranlassen, welche denselben in einer
Sekunde um 0,27 MM. in gerader Linie weiterschieben kann (Henle).
Bei diesen Bewegungen weichen die Fäden Hindernissen aus, die ihnen
entgegentreten, so dass es den Anschein gewinnt, als ginge in den Bewe-
gungsakt eine sinnliche Wahrnehmung und eine Schätzung der bevorstehen-
den Hemmung ein. — Die Versuche, welche angestellt wurden, um die
den Bewegungen zu Grunde liegenden Bedingungen zu ergründen, be-
schränken sich auf Folgendes: die Samenfäden von Warmblütern verlie-
ren ihre Fähigkeit zur Bewegung durch Zumischen von destillirtem Was-
ser, verdünnten Lösungen von Metallsalzen und Säuren, Jod, ätherischen
Oelen, durch conzentrirte Lösungen von Narcotica, und endlich durch ein
Ansteigen der Temperatur über 46,5° C. und ein Sinken unter 12,5° C. —
Die Beweglichkeit erhält sich dagegen ungestört in verdünnten Lösungen
von Zucker, Neutralsalzen, Narcotica, ferner in Harn, Speichel, Blutse-
rum und unter dem Einfluss elektrischer Schläge. Siehe die betreffende
Litteratur von Valentin, Krämer, R. Wagner u. s. w., bei dem
erstern am erwähnten Ort. — Von der chemischen Zusammensetzung
der mit Wasser ausgewaschenen Samenzellen und Fäden des Hahns be-
richtet Frerichs, dass die ersteren einen eiweissartigen Körper ent-
halten, die letzteren aber einen in Kali löslichen Eiweissstoff, ein butter-
artiges Fett und phosphorsauren Kalk.

Die Samenflüssigkeit ist im Hoden meist nur in geringer Menge
enthalten, sie ist klebrig und enthält unter andern einen schleimigen
Stoff und Kochsalz (Frerichs).

3. Die Absonderungsgeschwindigkeit des Samens. Vor der Pubertät
geht die Bildung des unreifen Samens zuerst äusserst langsam vor sich;

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[279/0295] Hoden; Samen. Kerne enthaltend. Die Kerne sind zum Theil nur mit einer klaren Flüssigkeit erfüllt, zum Theil ist an der Wand derselben ein spiraliger Faden, die erste Anlage des Samenfadens, aufgelagert. In andern Zellen sind keine Kerne mehr vorhanden, sondern es liegt, umgeben von einer durchsichtigen Flüssigkeit, ein Bündel feiner Fäden in denselben, welche sämmtlich an einem Ende eine knopfförmige Anschwellung tragen, die in allen Fäden desselben Bündels nach einer Richtung innig aneinander geschlossen liegen. So lange sich der Samen in den Kanälchen findet, umschliessen diese Zellen die Fäden constant, und erst dann, wenn er in das vas deferens übergetreten ist, verschwindet die Zellenmembran und die Fäden schwimmen frei in der Flüssigkeit. Die freien Samenfäden zeigen in dem frischen, vor Kurzem aus dem lebenden oder so eben getödteten Thiere genommenen Samen eigenthüm- liche Bewegungen. Der von dem platten, nach vorn etwas zugespitzten Knopfe ausgehende lange fadenförmige Schwanz krümmt sich ohne regel- mässige Folge bald da, bald dort hin und her und streckt sich rasch wieder; hierbei entwickeln sie hinreichende Stosskräfte, um eine Orts- bewegung des ganzen Fadens zu veranlassen, welche denselben in einer Sekunde um 0,27 MM. in gerader Linie weiterschieben kann (Henle). Bei diesen Bewegungen weichen die Fäden Hindernissen aus, die ihnen entgegentreten, so dass es den Anschein gewinnt, als ginge in den Bewe- gungsakt eine sinnliche Wahrnehmung und eine Schätzung der bevorstehen- den Hemmung ein. — Die Versuche, welche angestellt wurden, um die den Bewegungen zu Grunde liegenden Bedingungen zu ergründen, be- schränken sich auf Folgendes: die Samenfäden von Warmblütern verlie- ren ihre Fähigkeit zur Bewegung durch Zumischen von destillirtem Was- ser, verdünnten Lösungen von Metallsalzen und Säuren, Jod, ätherischen Oelen, durch conzentrirte Lösungen von Narcotica, und endlich durch ein Ansteigen der Temperatur über 46,5° C. und ein Sinken unter 12,5° C. — Die Beweglichkeit erhält sich dagegen ungestört in verdünnten Lösungen von Zucker, Neutralsalzen, Narcotica, ferner in Harn, Speichel, Blutse- rum und unter dem Einfluss elektrischer Schläge. Siehe die betreffende Litteratur von Valentin, Krämer, R. Wagner u. s. w., bei dem erstern am erwähnten Ort. — Von der chemischen Zusammensetzung der mit Wasser ausgewaschenen Samenzellen und Fäden des Hahns be- richtet Frerichs, dass die ersteren einen eiweissartigen Körper ent- halten, die letzteren aber einen in Kali löslichen Eiweissstoff, ein butter- artiges Fett und phosphorsauren Kalk. Die Samenflüssigkeit ist im Hoden meist nur in geringer Menge enthalten, sie ist klebrig und enthält unter andern einen schleimigen Stoff und Kochsalz (Frerichs). 3. Die Absonderungsgeschwindigkeit des Samens. Vor der Pubertät geht die Bildung des unreifen Samens zuerst äusserst langsam vor sich;

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/295>, abgerufen am 21.11.2024.