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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Athembewegungen.
Zeit ein, als beide Bewegungen zusammengenommen. -- b) Die gleich-
zeitig zur Ein- und Ausathmung in Erregung gesetzten Muskeln sind ver-
änderlich. In Rücksicht auf dieselbe hat man mit einiger aber für prak-
tische Zwecke gerechtfertigten Willkühr einige Typen der Athembewegung
ausgeschieden, das leichte, das tiefe und das krampfhafte Ath-
men
. -- a) Beim ruhigen Athmen ziehen sich während der Inspiration
in den Leitungsröhren zusammen die Heber des Gaumens und die m.
cricoarytenodei laterales. An den Brustwandungen aber zieht sich ent-
weder nur das Zwergfell, oder die mm. scaleni und intercostales externi
zusammen; die Erweiterung des Brustkastens geschieht namentlich bei
Männern durch das Zwergfell, bei Frauen durch die mm. scaleni und
intercostales (Traube). An der ruhigen Exspiration betheiligt sich keine
Zusammenziehung eines Muskels; die Entleerung des Brustkastens geschieht
durch die elastischen Wirkungen der Lungen, der Brust- und Bauch-
wand, des Darms. Diese Art der Bewegung pflegt die gewöhnliche zu
sein, wenn das Blut und die Luft normale Zusammensetzung tragen,
wenn die Berührung zwischen beiden ungehindert vor sich geht, wenn
die übrigen Partien des Nervensystems, insbesondere des Herzens und
der den Leidenschaften untergebenen Hirntheile in einem mittleren Grad
von Erregung stehen. -- b) Beim tiefen Athmen ziehen sich in der Einath-
mung die bei der leichten Inspiration erwähnten Muskeln kräftiger zusam-
men, so dass z. B., wenn im erstern Fall das Zwergfell gewöhnlich bis zur 6.
und 7. Rippe, es bei tiefer Inspiration bis zur 11. hinuntergeht, dass sich
das Gaumensegel hoch hebt und die Stimmritze weit öffnet u. s. w. Ausser-
dem treten noch hinzu in den Leitungsröhren die Zusammenziehungen der
levatores alae nasi und am Brustkasten die levatores costarum, serrati postici,
sternocleidomastoidei. Durch die Zusammenziehung der zahlreichen Muskeln,
welche den Brustkasten auseinander ziehen, wird unter den Hypochondrien
für die Baucheingeweide ein so bedeutender Raum gewonnen, dass trotz des
herunter steigenden Zwergfells der Bauch nicht vorgetrieben wird, son-
dern zusammenfällt (Hutchinson). Die Unterschiede, welche die leichte
Inspiration des Mannes und der Frau darbot, verschwinden bei der tie-
feren. -- Leidenschaftliche oder plötzliche sensible Erregungen, Ueber-
maass von CO2 oder Mangel an O im Blut sind die gewöhnlichen Be-
dingungen, unter denen das tiefe Athmen sich einstellt. -- g) Bei der
krampfhaften Einathmung treten die bis dahin als Einathmungsmuskeln
bezeichneten in eine ganz intensive Zusammenziehung und zugleich die
hyo- und thyreosternalis, so dass die Luftröhre weit herunter gezogen
und dadurch möglichst weit wird. Am Brustkasten greifen noch an die
Strecker der Wirbelsäule und die Rumpfschulterblatt- und Rumpfarm-
muskeln, so dass u. A. der Arm unwillkührlich emporgeschleudert wird.
Die Ausathmung wird durch möglichst viele Muskeln besorgt. Krampf-
haft wird die Athmung bei der Erstickungsnoth.

Athembewegungen.
Zeit ein, als beide Bewegungen zusammengenommen. — b) Die gleich-
zeitig zur Ein- und Ausathmung in Erregung gesetzten Muskeln sind ver-
änderlich. In Rücksicht auf dieselbe hat man mit einiger aber für prak-
tische Zwecke gerechtfertigten Willkühr einige Typen der Athembewegung
ausgeschieden, das leichte, das tiefe und das krampfhafte Ath-
men
. — α) Beim ruhigen Athmen ziehen sich während der Inspiration
in den Leitungsröhren zusammen die Heber des Gaumens und die m.
cricoarytenodei laterales. An den Brustwandungen aber zieht sich ent-
weder nur das Zwergfell, oder die mm. scaleni und intercostales externi
zusammen; die Erweiterung des Brustkastens geschieht namentlich bei
Männern durch das Zwergfell, bei Frauen durch die mm. scaleni und
intercostales (Traube). An der ruhigen Exspiration betheiligt sich keine
Zusammenziehung eines Muskels; die Entleerung des Brustkastens geschieht
durch die elastischen Wirkungen der Lungen, der Brust- und Bauch-
wand, des Darms. Diese Art der Bewegung pflegt die gewöhnliche zu
sein, wenn das Blut und die Luft normale Zusammensetzung tragen,
wenn die Berührung zwischen beiden ungehindert vor sich geht, wenn
die übrigen Partien des Nervensystems, insbesondere des Herzens und
der den Leidenschaften untergebenen Hirntheile in einem mittleren Grad
von Erregung stehen. — β) Beim tiefen Athmen ziehen sich in der Einath-
mung die bei der leichten Inspiration erwähnten Muskeln kräftiger zusam-
men, so dass z. B., wenn im erstern Fall das Zwergfell gewöhnlich bis zur 6.
und 7. Rippe, es bei tiefer Inspiration bis zur 11. hinuntergeht, dass sich
das Gaumensegel hoch hebt und die Stimmritze weit öffnet u. s. w. Ausser-
dem treten noch hinzu in den Leitungsröhren die Zusammenziehungen der
levatores alae nasi und am Brustkasten die levatores costarum, serrati postici,
sternocleidomastoidei. Durch die Zusammenziehung der zahlreichen Muskeln,
welche den Brustkasten auseinander ziehen, wird unter den Hypochondrien
für die Baucheingeweide ein so bedeutender Raum gewonnen, dass trotz des
herunter steigenden Zwergfells der Bauch nicht vorgetrieben wird, son-
dern zusammenfällt (Hutchinson). Die Unterschiede, welche die leichte
Inspiration des Mannes und der Frau darbot, verschwinden bei der tie-
feren. — Leidenschaftliche oder plötzliche sensible Erregungen, Ueber-
maass von CO2 oder Mangel an O im Blut sind die gewöhnlichen Be-
dingungen, unter denen das tiefe Athmen sich einstellt. — γ) Bei der
krampfhaften Einathmung treten die bis dahin als Einathmungsmuskeln
bezeichneten in eine ganz intensive Zusammenziehung und zugleich die
hyo- und thyreosternalis, so dass die Luftröhre weit herunter gezogen
und dadurch möglichst weit wird. Am Brustkasten greifen noch an die
Strecker der Wirbelsäule und die Rumpfschulterblatt- und Rumpfarm-
muskeln, so dass u. A. der Arm unwillkührlich emporgeschleudert wird.
Die Ausathmung wird durch möglichst viele Muskeln besorgt. Krampf-
haft wird die Athmung bei der Erstickungsnoth.

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[312/0328] Athembewegungen. Zeit ein, als beide Bewegungen zusammengenommen. — b) Die gleich- zeitig zur Ein- und Ausathmung in Erregung gesetzten Muskeln sind ver- änderlich. In Rücksicht auf dieselbe hat man mit einiger aber für prak- tische Zwecke gerechtfertigten Willkühr einige Typen der Athembewegung ausgeschieden, das leichte, das tiefe und das krampfhafte Ath- men. — α) Beim ruhigen Athmen ziehen sich während der Inspiration in den Leitungsröhren zusammen die Heber des Gaumens und die m. cricoarytenodei laterales. An den Brustwandungen aber zieht sich ent- weder nur das Zwergfell, oder die mm. scaleni und intercostales externi zusammen; die Erweiterung des Brustkastens geschieht namentlich bei Männern durch das Zwergfell, bei Frauen durch die mm. scaleni und intercostales (Traube). An der ruhigen Exspiration betheiligt sich keine Zusammenziehung eines Muskels; die Entleerung des Brustkastens geschieht durch die elastischen Wirkungen der Lungen, der Brust- und Bauch- wand, des Darms. Diese Art der Bewegung pflegt die gewöhnliche zu sein, wenn das Blut und die Luft normale Zusammensetzung tragen, wenn die Berührung zwischen beiden ungehindert vor sich geht, wenn die übrigen Partien des Nervensystems, insbesondere des Herzens und der den Leidenschaften untergebenen Hirntheile in einem mittleren Grad von Erregung stehen. — β) Beim tiefen Athmen ziehen sich in der Einath- mung die bei der leichten Inspiration erwähnten Muskeln kräftiger zusam- men, so dass z. B., wenn im erstern Fall das Zwergfell gewöhnlich bis zur 6. und 7. Rippe, es bei tiefer Inspiration bis zur 11. hinuntergeht, dass sich das Gaumensegel hoch hebt und die Stimmritze weit öffnet u. s. w. Ausser- dem treten noch hinzu in den Leitungsröhren die Zusammenziehungen der levatores alae nasi und am Brustkasten die levatores costarum, serrati postici, sternocleidomastoidei. Durch die Zusammenziehung der zahlreichen Muskeln, welche den Brustkasten auseinander ziehen, wird unter den Hypochondrien für die Baucheingeweide ein so bedeutender Raum gewonnen, dass trotz des herunter steigenden Zwergfells der Bauch nicht vorgetrieben wird, son- dern zusammenfällt (Hutchinson). Die Unterschiede, welche die leichte Inspiration des Mannes und der Frau darbot, verschwinden bei der tie- feren. — Leidenschaftliche oder plötzliche sensible Erregungen, Ueber- maass von CO2 oder Mangel an O im Blut sind die gewöhnlichen Be- dingungen, unter denen das tiefe Athmen sich einstellt. — γ) Bei der krampfhaften Einathmung treten die bis dahin als Einathmungsmuskeln bezeichneten in eine ganz intensive Zusammenziehung und zugleich die hyo- und thyreosternalis, so dass die Luftröhre weit herunter gezogen und dadurch möglichst weit wird. Am Brustkasten greifen noch an die Strecker der Wirbelsäule und die Rumpfschulterblatt- und Rumpfarm- muskeln, so dass u. A. der Arm unwillkührlich emporgeschleudert wird. Die Ausathmung wird durch möglichst viele Muskeln besorgt. Krampf- haft wird die Athmung bei der Erstickungsnoth.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/328>, abgerufen am 21.11.2024.