Kohlensäureabscheidung, abhängig von dem Luftdruck.
[Tabelle]
Letellier*) stellte dagegen fest, dass kleine Säugethiere bei einem 1/2stündigen Aufenthalt in einer Temperatur von -- 5° bis + 3° C. um das Doppelte mehr CO2 aushauchten, als bei einem gleich langen Ver- weilen in einer Wärme von + 28° bis + 43° C. -- Das Ansteigen der CO2 ausscheidung bei abnehmender Lufttemperatur muss wesentlich bedingt sein von der beschleunigten Oxydation der kohlenstoffhaltigen Verbindungen. Zum kleinern Theil könnte sie aber auch darin be- gründet sein, dass der CO2 gehalt des Organismus im Winter herabge- drückt wird, in Folge der zu jener Zeit beschleunigten Ausfuhr. Dieses letztere könnte eingeleitet sein durch eine lebhaftere Athemfolge, welche reflektorisch von der abgekühlten Haut und Lunge erweckt würde, oder auch durch die gesteigerte Diffusionsgeschwindigkeit aus dem immer gleich warmen Blut in die kältere Lungenluft, da nach Valentin's Beob- achtungen (p. 322.) bei niedrigerer Temperatur der Atmosphäre die aus- geathmete Luft noch um einige Grade kälter ist, als bei warmer Um- gebung. Die ungemeine Abnahme der CO2, welche Letellier in ver- hältnissmässig so hohen Wärmegraden beobachtete, hängt wahrscheinlich zusammen mit der Herabstimmung der Erregbarkeit aller Nerven und Muskeln und insbesondere derjenigen des Brustkorbs.
Die Erklärung, welche Lavoisier**) und Seguin davon geben, dass in kal- ter Luft mehr CO2 ausgeathmet werde, kann trotzdem, dass sie in verschiedenen Modifikationen häufig wiederholt wurde, mit Stillschweigen übergangen werden.
Mit der Steigerung des Luftdruckes soll sich auch die CO2abschei- dung mehren (St. Sage und Hervier), eine Thatsache, welche Vier- ordt in freilich sehr engen Grenzen des wechselnden Barometerstandes nicht bestätigt fand. Aber auch er bemerkte, dass bei hohen Barometer- ständen der Luftwechsel rascher und demnach der prozentische CO2gehalt der Lungenluft geringer wird. Die Theorie würde also auch in seinen Beobachtungen Vermehrung der absoluten Menge ausgeschiedene CO2 ver- langen. Da sich aber im Allgemeinen niedere Temperaturen und hohe Barometerstände combiniren, so ist es schwer zu entscheiden, was dem einen oder andern nach gleicher Richtung hin wirkenden Einfluss zuzu- schreiben ist.
*) Annales de chimie et physique. XIII. Bd. 478 (1845).
**) Memoires de l'academie. 1790. 602. -- Liebig, Thierchemie.
Kohlensäureabscheidung, abhängig von dem Luftdruck.
[Tabelle]
Letellier*) stellte dagegen fest, dass kleine Säugethiere bei einem ½stündigen Aufenthalt in einer Temperatur von — 5° bis + 3° C. um das Doppelte mehr CO2 aushauchten, als bei einem gleich langen Ver- weilen in einer Wärme von + 28° bis + 43° C. — Das Ansteigen der CO2 ausscheidung bei abnehmender Lufttemperatur muss wesentlich bedingt sein von der beschleunigten Oxydation der kohlenstoffhaltigen Verbindungen. Zum kleinern Theil könnte sie aber auch darin be- gründet sein, dass der CO2 gehalt des Organismus im Winter herabge- drückt wird, in Folge der zu jener Zeit beschleunigten Ausfuhr. Dieses letztere könnte eingeleitet sein durch eine lebhaftere Athemfolge, welche reflektorisch von der abgekühlten Haut und Lunge erweckt würde, oder auch durch die gesteigerte Diffusionsgeschwindigkeit aus dem immer gleich warmen Blut in die kältere Lungenluft, da nach Valentin’s Beob- achtungen (p. 322.) bei niedrigerer Temperatur der Atmosphäre die aus- geathmete Luft noch um einige Grade kälter ist, als bei warmer Um- gebung. Die ungemeine Abnahme der CO2, welche Letellier in ver- hältnissmässig so hohen Wärmegraden beobachtete, hängt wahrscheinlich zusammen mit der Herabstimmung der Erregbarkeit aller Nerven und Muskeln und insbesondere derjenigen des Brustkorbs.
Die Erklärung, welche Lavoisier**) und Seguin davon geben, dass in kal- ter Luft mehr CO2 ausgeathmet werde, kann trotzdem, dass sie in verschiedenen Modifikationen häufig wiederholt wurde, mit Stillschweigen übergangen werden.
Mit der Steigerung des Luftdruckes soll sich auch die CO2abschei- dung mehren (St. Sage und Hervier), eine Thatsache, welche Vier- ordt in freilich sehr engen Grenzen des wechselnden Barometerstandes nicht bestätigt fand. Aber auch er bemerkte, dass bei hohen Barometer- ständen der Luftwechsel rascher und demnach der prozentische CO2gehalt der Lungenluft geringer wird. Die Theorie würde also auch in seinen Beobachtungen Vermehrung der absoluten Menge ausgeschiedene CO2 ver- langen. Da sich aber im Allgemeinen niedere Temperaturen und hohe Barometerstände combiniren, so ist es schwer zu entscheiden, was dem einen oder andern nach gleicher Richtung hin wirkenden Einfluss zuzu- schreiben ist.
*) Annales de chimie et physique. XIII. Bd. 478 (1845).
**) Memoires de l’academie. 1790. 602. — Liebig, Thierchemie.
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Kohlensäureabscheidung, abhängig von dem Luftdruck.
Letellier *) stellte dagegen fest, dass kleine Säugethiere bei einem
½stündigen Aufenthalt in einer Temperatur von — 5° bis + 3° C. um
das Doppelte mehr CO2 aushauchten, als bei einem gleich langen Ver-
weilen in einer Wärme von + 28° bis + 43° C. — Das Ansteigen
der CO2 ausscheidung bei abnehmender Lufttemperatur muss wesentlich
bedingt sein von der beschleunigten Oxydation der kohlenstoffhaltigen
Verbindungen. Zum kleinern Theil könnte sie aber auch darin be-
gründet sein, dass der CO2 gehalt des Organismus im Winter herabge-
drückt wird, in Folge der zu jener Zeit beschleunigten Ausfuhr. Dieses
letztere könnte eingeleitet sein durch eine lebhaftere Athemfolge, welche
reflektorisch von der abgekühlten Haut und Lunge erweckt würde, oder
auch durch die gesteigerte Diffusionsgeschwindigkeit aus dem immer gleich
warmen Blut in die kältere Lungenluft, da nach Valentin’s Beob-
achtungen (p. 322.) bei niedrigerer Temperatur der Atmosphäre die aus-
geathmete Luft noch um einige Grade kälter ist, als bei warmer Um-
gebung. Die ungemeine Abnahme der CO2, welche Letellier in ver-
hältnissmässig so hohen Wärmegraden beobachtete, hängt wahrscheinlich
zusammen mit der Herabstimmung der Erregbarkeit aller Nerven und
Muskeln und insbesondere derjenigen des Brustkorbs.
Die Erklärung, welche Lavoisier **) und Seguin davon geben, dass in kal-
ter Luft mehr CO2 ausgeathmet werde, kann trotzdem, dass sie in verschiedenen
Modifikationen häufig wiederholt wurde, mit Stillschweigen übergangen werden.
Mit der Steigerung des Luftdruckes soll sich auch die CO2abschei-
dung mehren (St. Sage und Hervier), eine Thatsache, welche Vier-
ordt in freilich sehr engen Grenzen des wechselnden Barometerstandes
nicht bestätigt fand. Aber auch er bemerkte, dass bei hohen Barometer-
ständen der Luftwechsel rascher und demnach der prozentische CO2gehalt
der Lungenluft geringer wird. Die Theorie würde also auch in seinen
Beobachtungen Vermehrung der absoluten Menge ausgeschiedene CO2 ver-
langen. Da sich aber im Allgemeinen niedere Temperaturen und hohe
Barometerstände combiniren, so ist es schwer zu entscheiden, was dem
einen oder andern nach gleicher Richtung hin wirkenden Einfluss zuzu-
schreiben ist.
*) Annales de chimie et physique. XIII. Bd. 478 (1845).
**) Memoires de l’academie. 1790. 602. — Liebig, Thierchemie.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/351>, abgerufen am 21.11.2024.
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