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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Veränderlichkeit im Stickgas.
des Verbrauchs an O und des Gewinns an CO2 nothwendig. Denn zwi-
schen dem ersten und letzten Produkt der Oxydation liegen meist manche
Zwischenstufen, so dass anfänglich viel Sauerstoff verbraucht wird, bevor
sich CO2 bildet; endlich geht dann freilich alles in CO2 über. -- Es
darf nicht übersehen werden, dass auch noch von einer andern Seite
her eine Störung des Zusammengehens der CO2 und des O's in die
Lunge eintreten kann, da die Lunge nicht der einzige Ort ist, an dem
Gas aus- und in das Blut tritt. Je nach den Eigenschaften der Wände
jener andern Athemwerkzeuge muss das Verhältniss von CO2 und O in dem
Blute alterirt werden und damit auch dasjenige des Ein- und Ausganges
beider Gase in der Lunge. Diese Gründe machen es nothwendig, dass
das Verhalten des Sauerstoffs beim Athmen noch gründlicher, als bisher
geschehen, untersucht werde.

Der Mechanismus, durch welchen die annähernd gleiche Ein- und
Ausfuhr von Sauerstoff und CO2 erhalten wird, ist leicht zu übersehen,
wenn man bedenkt, dass im Blute zwei verschiedene Absorptionsmittel
vorhanden sind, das eine für Sauerstoff (die Blutkörperchen) und das
andere für Kohlensäure (das Serum). In dem Maasse, in welchem der
Träger des Sauerstoffs entlastet wird, belastet sich der der CO2 und
dieser letztere entledigt sich seines Gases an einem Orte, an welchem
Sauerstoff zur Sättigung des andern vorhanden ist. Eine kurze Ueber-
legung wird nun darthun, dass die Athembewegung und der Blutstrom
in demselben Maasse die Spannungsdifferenz der CO2 und des Sauer-
stoffs diesseits und jenseits der Lungenwand begünstigen, so dass also
beide in Strömen von umgekehrter Richtung gleich stark gehen. Da uns
die bestätigenden oder widerlegenden Versuche fehlen, so verzichten wir
auf ein weiteres Eingehen in Aehnlichkeit und Unähnlichkeit der Be-
dingungen und Erscheinungen beider Gasströme in der Lunge. Versuche
wären aber sehr wünschenswerth und insbesondere über die Abhängig-
keit der Absorptionsgeschwindigkeit, von den Spannungsdifferenzen des
O im Blute und der Luft, um auch die praktisch wichtige Frage
zur Entscheidung zu bringen, auf welchen Werth die Sauerstoffspannung
in der eingeathmeten Luft sinken dürfe, bevor sie zum Athmen untauglich
sei. Nach alten, wahrscheinlich mit analytischen Fehlern behafteten Ver-
suchen von Allen und Pepys*) soll ein Mensch in einer Luft mit
4 pCt. O das Bewusstsein verlieren.

Wir brauchen kaum hervorzuheben, dass das, was für den gegenseitigen
Strom gilt, keineswegs für den Gehalt des Bluts an CO2 und O zu bestehen
braucht, da dieser von den relativen Mengen der Absorptionsmittel abhängt.

5. Veränderung des Stickgases. Das Verhalten des Stick-
stoffs in der Ausathmungsluft hat bis dahin kaum Berücksichtigung ge-

*) l. c. p. 196.

Veränderlichkeit im Stickgas.
des Verbrauchs an O und des Gewinns an CO2 nothwendig. Denn zwi-
schen dem ersten und letzten Produkt der Oxydation liegen meist manche
Zwischenstufen, so dass anfänglich viel Sauerstoff verbraucht wird, bevor
sich CO2 bildet; endlich geht dann freilich alles in CO2 über. — Es
darf nicht übersehen werden, dass auch noch von einer andern Seite
her eine Störung des Zusammengehens der CO2 und des O’s in die
Lunge eintreten kann, da die Lunge nicht der einzige Ort ist, an dem
Gas aus- und in das Blut tritt. Je nach den Eigenschaften der Wände
jener andern Athemwerkzeuge muss das Verhältniss von CO2 und O in dem
Blute alterirt werden und damit auch dasjenige des Ein- und Ausganges
beider Gase in der Lunge. Diese Gründe machen es nothwendig, dass
das Verhalten des Sauerstoffs beim Athmen noch gründlicher, als bisher
geschehen, untersucht werde.

Der Mechanismus, durch welchen die annähernd gleiche Ein- und
Ausfuhr von Sauerstoff und CO2 erhalten wird, ist leicht zu übersehen,
wenn man bedenkt, dass im Blute zwei verschiedene Absorptionsmittel
vorhanden sind, das eine für Sauerstoff (die Blutkörperchen) und das
andere für Kohlensäure (das Serum). In dem Maasse, in welchem der
Träger des Sauerstoffs entlastet wird, belastet sich der der CO2 und
dieser letztere entledigt sich seines Gases an einem Orte, an welchem
Sauerstoff zur Sättigung des andern vorhanden ist. Eine kurze Ueber-
legung wird nun darthun, dass die Athembewegung und der Blutstrom
in demselben Maasse die Spannungsdifferenz der CO2 und des Sauer-
stoffs diesseits und jenseits der Lungenwand begünstigen, so dass also
beide in Strömen von umgekehrter Richtung gleich stark gehen. Da uns
die bestätigenden oder widerlegenden Versuche fehlen, so verzichten wir
auf ein weiteres Eingehen in Aehnlichkeit und Unähnlichkeit der Be-
dingungen und Erscheinungen beider Gasströme in der Lunge. Versuche
wären aber sehr wünschenswerth und insbesondere über die Abhängig-
keit der Absorptionsgeschwindigkeit, von den Spannungsdifferenzen des
O im Blute und der Luft, um auch die praktisch wichtige Frage
zur Entscheidung zu bringen, auf welchen Werth die Sauerstoffspannung
in der eingeathmeten Luft sinken dürfe, bevor sie zum Athmen untauglich
sei. Nach alten, wahrscheinlich mit analytischen Fehlern behafteten Ver-
suchen von Allen und Pepys*) soll ein Mensch in einer Luft mit
4 pCt. O das Bewusstsein verlieren.

Wir brauchen kaum hervorzuheben, dass das, was für den gegenseitigen
Strom gilt, keineswegs für den Gehalt des Bluts an CO2 und O zu bestehen
braucht, da dieser von den relativen Mengen der Absorptionsmittel abhängt.

5. Veränderung des Stickgases. Das Verhalten des Stick-
stoffs in der Ausathmungsluft hat bis dahin kaum Berücksichtigung ge-

*) l. c. p. 196.
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[344/0360] Veränderlichkeit im Stickgas. des Verbrauchs an O und des Gewinns an CO2 nothwendig. Denn zwi- schen dem ersten und letzten Produkt der Oxydation liegen meist manche Zwischenstufen, so dass anfänglich viel Sauerstoff verbraucht wird, bevor sich CO2 bildet; endlich geht dann freilich alles in CO2 über. — Es darf nicht übersehen werden, dass auch noch von einer andern Seite her eine Störung des Zusammengehens der CO2 und des O’s in die Lunge eintreten kann, da die Lunge nicht der einzige Ort ist, an dem Gas aus- und in das Blut tritt. Je nach den Eigenschaften der Wände jener andern Athemwerkzeuge muss das Verhältniss von CO2 und O in dem Blute alterirt werden und damit auch dasjenige des Ein- und Ausganges beider Gase in der Lunge. Diese Gründe machen es nothwendig, dass das Verhalten des Sauerstoffs beim Athmen noch gründlicher, als bisher geschehen, untersucht werde. Der Mechanismus, durch welchen die annähernd gleiche Ein- und Ausfuhr von Sauerstoff und CO2 erhalten wird, ist leicht zu übersehen, wenn man bedenkt, dass im Blute zwei verschiedene Absorptionsmittel vorhanden sind, das eine für Sauerstoff (die Blutkörperchen) und das andere für Kohlensäure (das Serum). In dem Maasse, in welchem der Träger des Sauerstoffs entlastet wird, belastet sich der der CO2 und dieser letztere entledigt sich seines Gases an einem Orte, an welchem Sauerstoff zur Sättigung des andern vorhanden ist. Eine kurze Ueber- legung wird nun darthun, dass die Athembewegung und der Blutstrom in demselben Maasse die Spannungsdifferenz der CO2 und des Sauer- stoffs diesseits und jenseits der Lungenwand begünstigen, so dass also beide in Strömen von umgekehrter Richtung gleich stark gehen. Da uns die bestätigenden oder widerlegenden Versuche fehlen, so verzichten wir auf ein weiteres Eingehen in Aehnlichkeit und Unähnlichkeit der Be- dingungen und Erscheinungen beider Gasströme in der Lunge. Versuche wären aber sehr wünschenswerth und insbesondere über die Abhängig- keit der Absorptionsgeschwindigkeit, von den Spannungsdifferenzen des O im Blute und der Luft, um auch die praktisch wichtige Frage zur Entscheidung zu bringen, auf welchen Werth die Sauerstoffspannung in der eingeathmeten Luft sinken dürfe, bevor sie zum Athmen untauglich sei. Nach alten, wahrscheinlich mit analytischen Fehlern behafteten Ver- suchen von Allen und Pepys *) soll ein Mensch in einer Luft mit 4 pCt. O das Bewusstsein verlieren. Wir brauchen kaum hervorzuheben, dass das, was für den gegenseitigen Strom gilt, keineswegs für den Gehalt des Bluts an CO2 und O zu bestehen braucht, da dieser von den relativen Mengen der Absorptionsmittel abhängt. 5. Veränderung des Stickgases. Das Verhalten des Stick- stoffs in der Ausathmungsluft hat bis dahin kaum Berücksichtigung ge- *) l. c. p. 196.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/360>, abgerufen am 21.11.2024.