Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Gesammtgaswechsel.
viel mehr CO2, als solche von grösserem (Erlach). Diese Thatsache
erlaubt zwei Erklärungen: entweder enthalten kleine Thiere verhältniss-
mässig mehr Gewebe, die der raschen Oxydation anheim fallen; oder es
sind bei ihnen Einrichtungen vorhanden, vermöge deren die Verbrennung
rascher vor sich geht. Fraglich ist es noch, ob diese Erfahrung auf
Menschen von verschiedener Grösse anwendbar ist.

4. Anstrengungen der Muskeln steigern sehr rasch die gelieferte
Menge der CO2, und zwar so bedeutend, dass sie mehr als das dreifache
des gewöhnlichen Mittelwerthes betragen kann (Scharling).

5. Die Unterdrückung der Hautausdünstung, wie sie dadurch erzeugt
wird, dass man die Thiere mit Leim oder einem Leinölfirniss überzieht,
bringt nach Regnault und Reiset keine merkliche Störung in das
Resultat des Gesammtgasaustausches. Namentlich mindert sich hierdurch
weder die Menge des ausgeschiedenen Stickstoffs, noch die des aufgenom-
menen Sauerstoffs, und eben so wenig ändert sich das Verhältniss dieses
letzteren zu der ausgestossenen CO2.

Dieses Ergebniss deutet darauf hin, dass der Tod, den man nach Anwendung
eines luftdichten Verschlusses der Haut eintreten sah, ganz anderen Gründen als der
Störung des Wechsels der permanenten Gase zuschreiben muss. Siehe Gerlach *).

6. Wenn man Fröschen grosse Blutverluste beibringt oder ihnen die
Leber ausschneidet, so geben sie weniger CO2 in der Zeiteinheit aus,
als vorher. Nach der letzteren Operation soll der Ausfall zu gross sein,
als dass er allein aus dem Blutverluste abgeleitet werden könnte (Mole-
schott
) **).

7. Bei normalem Gehalte der Luft an Stickstoff und Sauerstoff soll
die Menge der gelieferten CO2 wechseln mit ihrem Temperatur- und Feuch-
tigkeitsgrade und dem Barometerstande.

a. Nach Letellier liefern dieselben Thiere bei 0° noch einmal so
viel CO2, als bei 30° C, sie dunsten dagegen in höheren Temperaturen
mehr Wasser aus. Dieser Wasserverlust nimmt bei längerem Aufenthalte
in der höheren Temperatur rasch ab und erreicht endlich nach mehreren
Stunden einen constanten Werth.

b. Nach Lehmann mehrt sich die Menge der ausgeschiedenen CO2
mit der steigenden Feuchtigkeit der Luft.

c. Mit dem steigenden Barometerstande soll sich nach Lehmann
die Menge der ausgestossenen CO2 mehren; ihm steht die Versuchsreihe
von Legallois entgegen, wonach bei abnehmendem Luftdruck eher auf
eine Zunahme als auf eine Abnahme der Kohlensäureausscheidung zu
schliessen wäre.

8. Bei einem längeren, nahezu 24stündigen Aufenthalt der Säuge-
thiere in einer Luft, deren Zusammensetzung von der atmosphäri-

*) Müller's Archiv. 1851. p. 467.
**) Müller's Archiv. 1853. und Wiener mediz. Wochenschrift. 1853. 162.

Gesammtgaswechsel.
viel mehr CO2, als solche von grösserem (Erlach). Diese Thatsache
erlaubt zwei Erklärungen: entweder enthalten kleine Thiere verhältniss-
mässig mehr Gewebe, die der raschen Oxydation anheim fallen; oder es
sind bei ihnen Einrichtungen vorhanden, vermöge deren die Verbrennung
rascher vor sich geht. Fraglich ist es noch, ob diese Erfahrung auf
Menschen von verschiedener Grösse anwendbar ist.

4. Anstrengungen der Muskeln steigern sehr rasch die gelieferte
Menge der CO2, und zwar so bedeutend, dass sie mehr als das dreifache
des gewöhnlichen Mittelwerthes betragen kann (Scharling).

5. Die Unterdrückung der Hautausdünstung, wie sie dadurch erzeugt
wird, dass man die Thiere mit Leim oder einem Leinölfirniss überzieht,
bringt nach Regnault und Reiset keine merkliche Störung in das
Resultat des Gesammtgasaustausches. Namentlich mindert sich hierdurch
weder die Menge des ausgeschiedenen Stickstoffs, noch die des aufgenom-
menen Sauerstoffs, und eben so wenig ändert sich das Verhältniss dieses
letzteren zu der ausgestossenen CO2.

Dieses Ergebniss deutet darauf hin, dass der Tod, den man nach Anwendung
eines luftdichten Verschlusses der Haut eintreten sah, ganz anderen Gründen als der
Störung des Wechsels der permanenten Gase zuschreiben muss. Siehe Gerlach *).

6. Wenn man Fröschen grosse Blutverluste beibringt oder ihnen die
Leber ausschneidet, so geben sie weniger CO2 in der Zeiteinheit aus,
als vorher. Nach der letzteren Operation soll der Ausfall zu gross sein,
als dass er allein aus dem Blutverluste abgeleitet werden könnte (Mole-
schott
) **).

7. Bei normalem Gehalte der Luft an Stickstoff und Sauerstoff soll
die Menge der gelieferten CO2 wechseln mit ihrem Temperatur- und Feuch-
tigkeitsgrade und dem Barometerstande.

a. Nach Letellier liefern dieselben Thiere bei 0° noch einmal so
viel CO2, als bei 30° C, sie dunsten dagegen in höheren Temperaturen
mehr Wasser aus. Dieser Wasserverlust nimmt bei längerem Aufenthalte
in der höheren Temperatur rasch ab und erreicht endlich nach mehreren
Stunden einen constanten Werth.

b. Nach Lehmann mehrt sich die Menge der ausgeschiedenen CO2
mit der steigenden Feuchtigkeit der Luft.

c. Mit dem steigenden Barometerstande soll sich nach Lehmann
die Menge der ausgestossenen CO2 mehren; ihm steht die Versuchsreihe
von Legallois entgegen, wonach bei abnehmendem Luftdruck eher auf
eine Zunahme als auf eine Abnahme der Kohlensäureausscheidung zu
schliessen wäre.

8. Bei einem längeren, nahezu 24stündigen Aufenthalt der Säuge-
thiere in einer Luft, deren Zusammensetzung von der atmosphäri-

*) Müller’s Archiv. 1851. p. 467.
**) Müller’s Archiv. 1853. und Wiener mediz. Wochenschrift. 1853. 162.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0376" n="360"/><fw place="top" type="header">Gesammtgaswechsel.</fw><lb/>
viel mehr CO<hi rendition="#sub">2</hi>, als solche von grösserem (<hi rendition="#g">Erlach</hi>). Diese Thatsache<lb/>
erlaubt zwei Erklärungen: entweder enthalten kleine Thiere verhältniss-<lb/>
mässig mehr Gewebe, die der raschen Oxydation anheim fallen; oder es<lb/>
sind bei ihnen Einrichtungen vorhanden, vermöge deren die Verbrennung<lb/>
rascher vor sich geht. Fraglich ist es noch, ob diese Erfahrung auf<lb/>
Menschen von verschiedener Grösse anwendbar ist.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#b">4.</hi> Anstrengungen der Muskeln steigern sehr rasch die gelieferte<lb/>
Menge der CO<hi rendition="#sub">2</hi>, und zwar so bedeutend, dass sie mehr als das dreifache<lb/>
des gewöhnlichen Mittelwerthes betragen kann (<hi rendition="#g">Scharling</hi>).</p><lb/>
              <p><hi rendition="#b">5.</hi> Die Unterdrückung der Hautausdünstung, wie sie dadurch erzeugt<lb/>
wird, dass man die Thiere mit Leim oder einem Leinölfirniss überzieht,<lb/>
bringt nach <hi rendition="#g">Regnault</hi> und <hi rendition="#g">Reiset</hi> keine merkliche Störung in das<lb/>
Resultat des Gesammtgasaustausches. Namentlich mindert sich hierdurch<lb/>
weder die Menge des ausgeschiedenen Stickstoffs, noch die des aufgenom-<lb/>
menen Sauerstoffs, und eben so wenig ändert sich das Verhältniss dieses<lb/>
letzteren zu der ausgestossenen CO<hi rendition="#sub">2</hi>.</p><lb/>
              <p>Dieses Ergebniss deutet darauf hin, dass der Tod, den man nach Anwendung<lb/>
eines luftdichten Verschlusses der Haut eintreten sah, ganz anderen Gründen als der<lb/>
Störung des Wechsels der permanenten Gase zuschreiben muss. Siehe <hi rendition="#g">Gerlach</hi> <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Müller&#x2019;s</hi> Archiv. 1851. p. 467.</note>.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#b">6.</hi> Wenn man Fröschen grosse Blutverluste beibringt oder ihnen die<lb/>
Leber ausschneidet, so geben sie weniger CO<hi rendition="#sub">2</hi> in der Zeiteinheit aus,<lb/>
als vorher. Nach der letzteren Operation soll der Ausfall zu gross sein,<lb/>
als dass er allein aus dem Blutverluste abgeleitet werden könnte (<hi rendition="#g">Mole-<lb/>
schott</hi>) <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#g">Müller&#x2019;s</hi> Archiv. 1853. und Wiener mediz. Wochenschrift. 1853. 162.</note>.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#b">7.</hi> Bei normalem Gehalte der Luft an Stickstoff und Sauerstoff soll<lb/>
die Menge der gelieferten CO<hi rendition="#sub">2</hi> wechseln mit ihrem Temperatur- und Feuch-<lb/>
tigkeitsgrade und dem Barometerstande.</p><lb/>
              <p>a. Nach <hi rendition="#g">Letellier</hi> liefern dieselben Thiere bei <hi rendition="#b">0</hi>° noch einmal so<lb/>
viel CO<hi rendition="#sub">2</hi>, als bei <hi rendition="#b">30</hi>° C, sie dunsten dagegen in höheren Temperaturen<lb/>
mehr Wasser aus. Dieser Wasserverlust nimmt bei längerem Aufenthalte<lb/>
in der höheren Temperatur rasch ab und erreicht endlich nach mehreren<lb/>
Stunden einen constanten Werth.</p><lb/>
              <p>b. Nach <hi rendition="#g">Lehmann</hi> mehrt sich die Menge der ausgeschiedenen CO<hi rendition="#sub">2</hi><lb/>
mit der steigenden Feuchtigkeit der Luft.</p><lb/>
              <p>c. Mit dem steigenden Barometerstande soll sich nach <hi rendition="#g">Lehmann</hi><lb/>
die Menge der ausgestossenen CO<hi rendition="#sub">2</hi> mehren; ihm steht die Versuchsreihe<lb/>
von <hi rendition="#g">Legallois</hi> entgegen, wonach bei abnehmendem Luftdruck eher auf<lb/>
eine Zunahme als auf eine Abnahme der Kohlensäureausscheidung zu<lb/>
schliessen wäre.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#b">8.</hi> Bei einem längeren, nahezu <hi rendition="#b">24</hi>stündigen Aufenthalt der Säuge-<lb/>
thiere in einer Luft, deren Zusammensetzung von der atmosphäri-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[360/0376] Gesammtgaswechsel. viel mehr CO2, als solche von grösserem (Erlach). Diese Thatsache erlaubt zwei Erklärungen: entweder enthalten kleine Thiere verhältniss- mässig mehr Gewebe, die der raschen Oxydation anheim fallen; oder es sind bei ihnen Einrichtungen vorhanden, vermöge deren die Verbrennung rascher vor sich geht. Fraglich ist es noch, ob diese Erfahrung auf Menschen von verschiedener Grösse anwendbar ist. 4. Anstrengungen der Muskeln steigern sehr rasch die gelieferte Menge der CO2, und zwar so bedeutend, dass sie mehr als das dreifache des gewöhnlichen Mittelwerthes betragen kann (Scharling). 5. Die Unterdrückung der Hautausdünstung, wie sie dadurch erzeugt wird, dass man die Thiere mit Leim oder einem Leinölfirniss überzieht, bringt nach Regnault und Reiset keine merkliche Störung in das Resultat des Gesammtgasaustausches. Namentlich mindert sich hierdurch weder die Menge des ausgeschiedenen Stickstoffs, noch die des aufgenom- menen Sauerstoffs, und eben so wenig ändert sich das Verhältniss dieses letzteren zu der ausgestossenen CO2. Dieses Ergebniss deutet darauf hin, dass der Tod, den man nach Anwendung eines luftdichten Verschlusses der Haut eintreten sah, ganz anderen Gründen als der Störung des Wechsels der permanenten Gase zuschreiben muss. Siehe Gerlach *). 6. Wenn man Fröschen grosse Blutverluste beibringt oder ihnen die Leber ausschneidet, so geben sie weniger CO2 in der Zeiteinheit aus, als vorher. Nach der letzteren Operation soll der Ausfall zu gross sein, als dass er allein aus dem Blutverluste abgeleitet werden könnte (Mole- schott) **). 7. Bei normalem Gehalte der Luft an Stickstoff und Sauerstoff soll die Menge der gelieferten CO2 wechseln mit ihrem Temperatur- und Feuch- tigkeitsgrade und dem Barometerstande. a. Nach Letellier liefern dieselben Thiere bei 0° noch einmal so viel CO2, als bei 30° C, sie dunsten dagegen in höheren Temperaturen mehr Wasser aus. Dieser Wasserverlust nimmt bei längerem Aufenthalte in der höheren Temperatur rasch ab und erreicht endlich nach mehreren Stunden einen constanten Werth. b. Nach Lehmann mehrt sich die Menge der ausgeschiedenen CO2 mit der steigenden Feuchtigkeit der Luft. c. Mit dem steigenden Barometerstande soll sich nach Lehmann die Menge der ausgestossenen CO2 mehren; ihm steht die Versuchsreihe von Legallois entgegen, wonach bei abnehmendem Luftdruck eher auf eine Zunahme als auf eine Abnahme der Kohlensäureausscheidung zu schliessen wäre. 8. Bei einem längeren, nahezu 24stündigen Aufenthalt der Säuge- thiere in einer Luft, deren Zusammensetzung von der atmosphäri- *) Müller’s Archiv. 1851. p. 467. **) Müller’s Archiv. 1853. und Wiener mediz. Wochenschrift. 1853. 162.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/376
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/376>, abgerufen am 21.11.2024.