Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.Woher der Harnstoff? sei. Dieses ist längst so geschehen, wie es der berühmte Fragstellervoraus sah; der Harnstoff ist ein Umsetzungsprodukt der thierischen Eiweissatome, gebildet unter dem Einflusse der chemischen Spaltungs- mittel des thierischen Organismus. -- Ganz anders fassen Liebig, Frerichs, Bischoff u. A. den Knotenpunkt; sie wünschen zur Ent- scheidung zu bringen, ob die aus den Speisen aufgenommenen Atome unmittelbar nach ihrem Eintritte in das Blut (oder in das Getriebe des Stoffwechsels überhaupt) auch wieder zerlegt werden; oder ob es vor ihrer Zersetzung nothwendig ist, dass sie erst aus dem Blute in die Organe eingetreten sind und als Theile derselben im Interesse des thierischen Körpers funktionirt haben. Die Bedeutung dieser Contro- verse scheint zum Theil darin zu liegen, dass man dem Blute die Fähig- keit abspricht, die Umsetzung des Eiweisses in Harnstoff herbeizufüh- ren, zum Theil aber auch darin, dass man es ungereimt findet, wenn die neu ankommenden Atome sogleich wieder zerfällt werden sollen, wäh- rend die alten, längst vorhandenen, sich unverändert erhielten. -- Die chemische Betrachtung kann zunächst nichts zur Beurtheilung jener Al- ternative beitragen, da uns nur bekannt ist, dass in dem Blute sowohl wie in den Geweben die Zersetzung der Eiweisskörper vor sich geht, nicht aber wie weit und in welchem Gange sie geschehe, und nament- lich nicht, ob sie bis zur Harnstoffbildung führe. -- Ebensowenig rei- chen die physiologischen Gründe aus. Allerdings ist es auffallend, dass schon wenige Stunden nach dem Genusse der Nahrung die Abscheidung der CO2 und des Harnstoffes, und zwar in einem dem Gewichte der Nahrung entsprechenden Maasse, steigt, und es weckt diese Erscheinung sogleich die Vermuthung, dass die eingezogenen Speisen auch sogleich wieder ausgetrieben würden, aber bindend ist diese Anschauung durch- aus nicht, denn der Eintritt des neuen Baumaterials kann auch das Signal gegeben haben zur Zerstörung des alten. Anderseits kann es beim gegenwärtigen Stande der Dinge dem physiologischen Takte einzig und allein darauf ankommen, dass, wie es jedenfalls geschieht, die aus der Umsetzung hervorgehende Wärme, Nerven- und Muskelerregbarkeit u. s. w. dem thierischen Körper zu Gute kommt, gleichgiltig ob zur Zer- setzung alte oder neue Säfte benutzt sind, oder ob die Zersetzung in der Gewebsflüssigkeit allein oder zugleich in dieser letzteren und in dem Blute (Blutkörperchen) vor sich gehe. Vertheilung der Ausgaben auf die verschiedenen Aus- Woher der Harnstoff? sei. Dieses ist längst so geschehen, wie es der berühmte Fragstellervoraus sah; der Harnstoff ist ein Umsetzungsprodukt der thierischen Eiweissatome, gebildet unter dem Einflusse der chemischen Spaltungs- mittel des thierischen Organismus. — Ganz anders fassen Liebig, Frerichs, Bischoff u. A. den Knotenpunkt; sie wünschen zur Ent- scheidung zu bringen, ob die aus den Speisen aufgenommenen Atome unmittelbar nach ihrem Eintritte in das Blut (oder in das Getriebe des Stoffwechsels überhaupt) auch wieder zerlegt werden; oder ob es vor ihrer Zersetzung nothwendig ist, dass sie erst aus dem Blute in die Organe eingetreten sind und als Theile derselben im Interesse des thierischen Körpers funktionirt haben. Die Bedeutung dieser Contro- verse scheint zum Theil darin zu liegen, dass man dem Blute die Fähig- keit abspricht, die Umsetzung des Eiweisses in Harnstoff herbeizufüh- ren, zum Theil aber auch darin, dass man es ungereimt findet, wenn die neu ankommenden Atome sogleich wieder zerfällt werden sollen, wäh- rend die alten, längst vorhandenen, sich unverändert erhielten. — Die chemische Betrachtung kann zunächst nichts zur Beurtheilung jener Al- ternative beitragen, da uns nur bekannt ist, dass in dem Blute sowohl wie in den Geweben die Zersetzung der Eiweisskörper vor sich geht, nicht aber wie weit und in welchem Gange sie geschehe, und nament- lich nicht, ob sie bis zur Harnstoffbildung führe. — Ebensowenig rei- chen die physiologischen Gründe aus. Allerdings ist es auffallend, dass schon wenige Stunden nach dem Genusse der Nahrung die Abscheidung der CO2 und des Harnstoffes, und zwar in einem dem Gewichte der Nahrung entsprechenden Maasse, steigt, und es weckt diese Erscheinung sogleich die Vermuthung, dass die eingezogenen Speisen auch sogleich wieder ausgetrieben würden, aber bindend ist diese Anschauung durch- aus nicht, denn der Eintritt des neuen Baumaterials kann auch das Signal gegeben haben zur Zerstörung des alten. Anderseits kann es beim gegenwärtigen Stande der Dinge dem physiologischen Takte einzig und allein darauf ankommen, dass, wie es jedenfalls geschieht, die aus der Umsetzung hervorgehende Wärme, Nerven- und Muskelerregbarkeit u. s. w. dem thierischen Körper zu Gute kommt, gleichgiltig ob zur Zer- setzung alte oder neue Säfte benutzt sind, oder ob die Zersetzung in der Gewebsflüssigkeit allein oder zugleich in dieser letzteren und in dem Blute (Blutkörperchen) vor sich gehe. 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Woher der Harnstoff?
sei. Dieses ist längst so geschehen, wie es der berühmte Fragsteller
voraus sah; der Harnstoff ist ein Umsetzungsprodukt der thierischen
Eiweissatome, gebildet unter dem Einflusse der chemischen Spaltungs-
mittel des thierischen Organismus. — Ganz anders fassen Liebig,
Frerichs, Bischoff u. A. den Knotenpunkt; sie wünschen zur Ent-
scheidung zu bringen, ob die aus den Speisen aufgenommenen Atome
unmittelbar nach ihrem Eintritte in das Blut (oder in das Getriebe
des Stoffwechsels überhaupt) auch wieder zerlegt werden; oder ob es
vor ihrer Zersetzung nothwendig ist, dass sie erst aus dem Blute in
die Organe eingetreten sind und als Theile derselben im Interesse des
thierischen Körpers funktionirt haben. Die Bedeutung dieser Contro-
verse scheint zum Theil darin zu liegen, dass man dem Blute die Fähig-
keit abspricht, die Umsetzung des Eiweisses in Harnstoff herbeizufüh-
ren, zum Theil aber auch darin, dass man es ungereimt findet, wenn
die neu ankommenden Atome sogleich wieder zerfällt werden sollen, wäh-
rend die alten, längst vorhandenen, sich unverändert erhielten. — Die
chemische Betrachtung kann zunächst nichts zur Beurtheilung jener Al-
ternative beitragen, da uns nur bekannt ist, dass in dem Blute sowohl
wie in den Geweben die Zersetzung der Eiweisskörper vor sich geht,
nicht aber wie weit und in welchem Gange sie geschehe, und nament-
lich nicht, ob sie bis zur Harnstoffbildung führe. — Ebensowenig rei-
chen die physiologischen Gründe aus. Allerdings ist es auffallend, dass
schon wenige Stunden nach dem Genusse der Nahrung die Abscheidung
der CO2 und des Harnstoffes, und zwar in einem dem Gewichte der
Nahrung entsprechenden Maasse, steigt, und es weckt diese Erscheinung
sogleich die Vermuthung, dass die eingezogenen Speisen auch sogleich
wieder ausgetrieben würden, aber bindend ist diese Anschauung durch-
aus nicht, denn der Eintritt des neuen Baumaterials kann auch das
Signal gegeben haben zur Zerstörung des alten. Anderseits kann es
beim gegenwärtigen Stande der Dinge dem physiologischen Takte einzig
und allein darauf ankommen, dass, wie es jedenfalls geschieht, die aus
der Umsetzung hervorgehende Wärme, Nerven- und Muskelerregbarkeit
u. s. w. dem thierischen Körper zu Gute kommt, gleichgiltig ob zur Zer-
setzung alte oder neue Säfte benutzt sind, oder ob die Zersetzung in der
Gewebsflüssigkeit allein oder zugleich in dieser letzteren und in dem
Blute (Blutkörperchen) vor sich gehe.
Vertheilung der Ausgaben auf die verschiedenen Aus-
sonderungswerkzeuge. 1. Zuerst würde hier überhaupt anzuge-
ben sein, warum sich die Umsetzung und Ausscheidung in ähnlicher
Weise zu einander verhalten, wie Einnahme und Umsetzung. Dieses
gegenseitige Anpassen bedarf einer besonderen Erläuterung, da die
Organe, welche vorzugsweise die Umsetzung der Thierstoffe bedingen,
von durchaus anderen Bedingungen regiert werden, als Haut, Lunge,
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