Die blutführenden Organe des lebenden Menschen bewahren an- nähernd denselben Wärmegrad, wenn auch die Temperatur der Umgebung nicht unbedeutend auf- und absteigt; diese Thatsache setzt voraus, dass der Organismus über erwärmende und abkühlende Mittel gebietet, die sich bis zu einem gewissen Grade in der Stärke ihrer Aeusserung und in ihrem Zusammenwirken den Umständen anpassen. Wir werden, indem wir auf die Zergliederung der thierischen Wärmeerscheinungen eingehen, zuerst die normalen Temperaturschwankungen des Organismus und dann die Mittel angeben, durch welche ein entstandener Verlust der Wärme wieder erzeugt oder ein Ueberschuss derselben abgeführt wird.
Normaltemperaturen.
Insofern die Wärme eine Bedingung zur Einleitung und Erhaltung von mancherlei insbesondere aber von chemischen Lebensprozessen ist, gewinnt die Temperaturbestimmung einen grossen Werth; in Verbindung mit anderen Beobachtungen kann sie auch dienen, um eine Einsicht in den Gang der Erzeugung und des Verbrauches an Wärme zu gewinnen.
Um zu zeigen, inwiefern dieses letztere möglich, wählen wir ein einfaches Beispiel. Wir nehmen an, es seien drei unmittelbar aneinander grenzende, wärme- leitende Flächen gegeben, von denen die beiden äusseren unter allen Umständen auf verschiedene Grade erwärmt sein sollen; in diesem Falle wird die innere der drei Flächen eine Temperatur annehmen, die in der Mitte liegt zwischen derjenigen der beiden äusseren, da sie von der einen Seite her erwärmt und von der anderen ab- gekühlt wird. Um auch hier wieder den einfachsten Ausdruck zu wählen, wollen wir annehmen, die Temperatur der inneren Fläche sei das arithmetische Mittel zwischen den beiden äusseren. Unter dieser Voraussetzung wird man einsehen, dass in Folge einer Temperaturbestimmung der inneren Fläche niemals etwas aus- gesagt werden kann über die Unterschiede der Temperatur auf den äusseren Flä- chen, da aus unendlich vielen Unterschieden ein und dasselbe Mittel hervorgehen
Siebenter Abschnitt. Thierische Wärme.
Die blutführenden Organe des lebenden Menschen bewahren an- nähernd denselben Wärmegrad, wenn auch die Temperatur der Umgebung nicht unbedeutend auf- und absteigt; diese Thatsache setzt voraus, dass der Organismus über erwärmende und abkühlende Mittel gebietet, die sich bis zu einem gewissen Grade in der Stärke ihrer Aeusserung und in ihrem Zusammenwirken den Umständen anpassen. Wir werden, indem wir auf die Zergliederung der thierischen Wärmeerscheinungen eingehen, zuerst die normalen Temperaturschwankungen des Organismus und dann die Mittel angeben, durch welche ein entstandener Verlust der Wärme wieder erzeugt oder ein Ueberschuss derselben abgeführt wird.
Normaltemperaturen.
Insofern die Wärme eine Bedingung zur Einleitung und Erhaltung von mancherlei insbesondere aber von chemischen Lebensprozessen ist, gewinnt die Temperaturbestimmung einen grossen Werth; in Verbindung mit anderen Beobachtungen kann sie auch dienen, um eine Einsicht in den Gang der Erzeugung und des Verbrauches an Wärme zu gewinnen.
Um zu zeigen, inwiefern dieses letztere möglich, wählen wir ein einfaches Beispiel. Wir nehmen an, es seien drei unmittelbar aneinander grenzende, wärme- leitende Flächen gegeben, von denen die beiden äusseren unter allen Umständen auf verschiedene Grade erwärmt sein sollen; in diesem Falle wird die innere der drei Flächen eine Temperatur annehmen, die in der Mitte liegt zwischen derjenigen der beiden äusseren, da sie von der einen Seite her erwärmt und von der anderen ab- gekühlt wird. Um auch hier wieder den einfachsten Ausdruck zu wählen, wollen wir annehmen, die Temperatur der inneren Fläche sei das arithmetische Mittel zwischen den beiden äusseren. Unter dieser Voraussetzung wird man einsehen, dass in Folge einer Temperaturbestimmung der inneren Fläche niemals etwas aus- gesagt werden kann über die Unterschiede der Temperatur auf den äusseren Flä- chen, da aus unendlich vielen Unterschieden ein und dasselbe Mittel hervorgehen
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[[459]/0475]
Siebenter Abschnitt.
Thierische Wärme.
Die blutführenden Organe des lebenden Menschen bewahren an-
nähernd denselben Wärmegrad, wenn auch die Temperatur der Umgebung
nicht unbedeutend auf- und absteigt; diese Thatsache setzt voraus, dass
der Organismus über erwärmende und abkühlende Mittel gebietet, die
sich bis zu einem gewissen Grade in der Stärke ihrer Aeusserung und
in ihrem Zusammenwirken den Umständen anpassen. Wir werden, indem
wir auf die Zergliederung der thierischen Wärmeerscheinungen eingehen,
zuerst die normalen Temperaturschwankungen des Organismus und dann
die Mittel angeben, durch welche ein entstandener Verlust der Wärme
wieder erzeugt oder ein Ueberschuss derselben abgeführt wird.
Normaltemperaturen.
Insofern die Wärme eine Bedingung zur Einleitung und Erhaltung
von mancherlei insbesondere aber von chemischen Lebensprozessen ist,
gewinnt die Temperaturbestimmung einen grossen Werth; in Verbindung
mit anderen Beobachtungen kann sie auch dienen, um eine Einsicht in
den Gang der Erzeugung und des Verbrauches an Wärme zu gewinnen.
Um zu zeigen, inwiefern dieses letztere möglich, wählen wir ein einfaches
Beispiel. Wir nehmen an, es seien drei unmittelbar aneinander grenzende, wärme-
leitende Flächen gegeben, von denen die beiden äusseren unter allen Umständen auf
verschiedene Grade erwärmt sein sollen; in diesem Falle wird die innere der drei
Flächen eine Temperatur annehmen, die in der Mitte liegt zwischen derjenigen der
beiden äusseren, da sie von der einen Seite her erwärmt und von der anderen ab-
gekühlt wird. Um auch hier wieder den einfachsten Ausdruck zu wählen, wollen
wir annehmen, die Temperatur der inneren Fläche sei das arithmetische Mittel
zwischen den beiden äusseren. Unter dieser Voraussetzung wird man einsehen,
dass in Folge einer Temperaturbestimmung der inneren Fläche niemals etwas aus-
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. [459]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/475>, abgerufen am 22.11.2024.
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