g. Die thierische Wärme ändert sich mit der Lufttemperatur in einer sehr verschiedenen Weise. -- Unter Voraussetzung einer genügenden Er- nährung und entsprechenden Kleidung (resp. Behaarung und Befiederung) behauptet der thierische Körper niederen Temperaturen gegenüber seine Normalwärme. Als Beispiele hierfür dienen die Beobachtungen, welche am Menschen und an Säugethieren im arktischen Winter gesammelt sind. Nach den Messungen von Parry*) und Back**) kann der Wärme- unterschied der Atmosphäre und der Thiere auf 73° C. steigen, d. h. die Säugethiere jener kalten Gegenden behaupteten eine Temperatur von über +40°, als das Thermometer in der Luft --30 bis 35° angab. Daraus folgt nicht, dass unter den gegebenen Bedingungen die thierische Wärme überhaupt nicht absinke, sondern nur dass dieses in engen Grenzen ge- schehe. Nach den Beobachtungen von J. Davy geschieht dieses letztere aber in der That; er gewann hierüber folgende Erfahrungen:
[Tabelle]
Wenn aber dem Thiere das nöthige Futter oder die Bewegung man- gelt, so kühlt es in einer niedrig temperirten Umgebung sehr rasch ab, so dass bei einer Lufttemperatur von +12 bis +18° bald die Körper- wärme auf +25° d. h. auf den Grad sinkt, bei welchem der Tod durch Abkühlung erfolgt (Chossat). Wärmegrade, die oberhalb der thierischen Normaltemperatur liegen, erträgt der Organismus, ohne seine Wärme wesentlich zu erhöhen, vorausgesetzt, dass eine lebhafte Schweissbildung unterhalten werden kann (Franklin) und dass die Atmosphäre trocken genug ist, um eine rasche Verdunstung des Wassers von der Haut und der Lunge aus zu erlauben. In einer mit Feuchtigkeit vollkommen ge- sättigten Luft, oder gar in einem warmen Bade, steigt dagegen die Tem- peratur des Organismus rasch. So fanden u. A. Berger und de la Roche, dass bei einem Aufenthalte von 8 bis 16 Minuten in einem auf +80° bis 87° erwärmten Raume die Temperatur unter der Zunge um 4° bis 5° stieg. Die englischen Beobachter Blagden, Dobson, For- dyce u. A. fanden dagegen in der gleichen Zeit unter ähnlichen Um- ständen nur eine Temperatursteigerung von etwa 1° C. -- Crawford machte bei Thieren, welche den Einflüssen so hoher Temperaturen aus- gesetzt waren, die Beobachtung, dass das in ihren Venen enthaltene Blut nicht dunkel- sondern hellroth gefärbt war.
*) Annales de chimie et physique. 2me serie. Tom XXVIII. p. 223.
**) Compt. rend. Vol. II. p. 621.
Lufttemperatur.
g. Die thierische Wärme ändert sich mit der Lufttemperatur in einer sehr verschiedenen Weise. — Unter Voraussetzung einer genügenden Er- nährung und entsprechenden Kleidung (resp. Behaarung und Befiederung) behauptet der thierische Körper niederen Temperaturen gegenüber seine Normalwärme. Als Beispiele hierfür dienen die Beobachtungen, welche am Menschen und an Säugethieren im arktischen Winter gesammelt sind. Nach den Messungen von Parry*) und Back**) kann der Wärme- unterschied der Atmosphäre und der Thiere auf 73° C. steigen, d. h. die Säugethiere jener kalten Gegenden behaupteten eine Temperatur von über +40°, als das Thermometer in der Luft —30 bis 35° angab. Daraus folgt nicht, dass unter den gegebenen Bedingungen die thierische Wärme überhaupt nicht absinke, sondern nur dass dieses in engen Grenzen ge- schehe. Nach den Beobachtungen von J. Davy geschieht dieses letztere aber in der That; er gewann hierüber folgende Erfahrungen:
[Tabelle]
Wenn aber dem Thiere das nöthige Futter oder die Bewegung man- gelt, so kühlt es in einer niedrig temperirten Umgebung sehr rasch ab, so dass bei einer Lufttemperatur von +12 bis +18° bald die Körper- wärme auf +25° d. h. auf den Grad sinkt, bei welchem der Tod durch Abkühlung erfolgt (Chossat). Wärmegrade, die oberhalb der thierischen Normaltemperatur liegen, erträgt der Organismus, ohne seine Wärme wesentlich zu erhöhen, vorausgesetzt, dass eine lebhafte Schweissbildung unterhalten werden kann (Franklin) und dass die Atmosphäre trocken genug ist, um eine rasche Verdunstung des Wassers von der Haut und der Lunge aus zu erlauben. In einer mit Feuchtigkeit vollkommen ge- sättigten Luft, oder gar in einem warmen Bade, steigt dagegen die Tem- peratur des Organismus rasch. So fanden u. A. Berger und de la Roche, dass bei einem Aufenthalte von 8 bis 16 Minuten in einem auf +80° bis 87° erwärmten Raume die Temperatur unter der Zunge um 4° bis 5° stieg. Die englischen Beobachter Blagden, Dobson, For- dyce u. A. fanden dagegen in der gleichen Zeit unter ähnlichen Um- ständen nur eine Temperatursteigerung von etwa 1° C. — Crawford machte bei Thieren, welche den Einflüssen so hoher Temperaturen aus- gesetzt waren, die Beobachtung, dass das in ihren Venen enthaltene Blut nicht dunkel- sondern hellroth gefärbt war.
*) Annales de chimie et physique. 2me serie. Tom XXVIII. p. 223.
**) Compt. rend. Vol. II. p. 621.
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Lufttemperatur.
g. Die thierische Wärme ändert sich mit der Lufttemperatur in einer
sehr verschiedenen Weise. — Unter Voraussetzung einer genügenden Er-
nährung und entsprechenden Kleidung (resp. Behaarung und Befiederung)
behauptet der thierische Körper niederen Temperaturen gegenüber seine
Normalwärme. Als Beispiele hierfür dienen die Beobachtungen, welche
am Menschen und an Säugethieren im arktischen Winter gesammelt sind.
Nach den Messungen von Parry *) und Back **) kann der Wärme-
unterschied der Atmosphäre und der Thiere auf 73° C. steigen, d. h. die
Säugethiere jener kalten Gegenden behaupteten eine Temperatur von über
+40°, als das Thermometer in der Luft —30 bis 35° angab. Daraus
folgt nicht, dass unter den gegebenen Bedingungen die thierische Wärme
überhaupt nicht absinke, sondern nur dass dieses in engen Grenzen ge-
schehe. Nach den Beobachtungen von J. Davy geschieht dieses letztere
aber in der That; er gewann hierüber folgende Erfahrungen:
Wenn aber dem Thiere das nöthige Futter oder die Bewegung man-
gelt, so kühlt es in einer niedrig temperirten Umgebung sehr rasch ab,
so dass bei einer Lufttemperatur von +12 bis +18° bald die Körper-
wärme auf +25° d. h. auf den Grad sinkt, bei welchem der Tod durch
Abkühlung erfolgt (Chossat). Wärmegrade, die oberhalb der thierischen
Normaltemperatur liegen, erträgt der Organismus, ohne seine Wärme
wesentlich zu erhöhen, vorausgesetzt, dass eine lebhafte Schweissbildung
unterhalten werden kann (Franklin) und dass die Atmosphäre trocken
genug ist, um eine rasche Verdunstung des Wassers von der Haut und
der Lunge aus zu erlauben. In einer mit Feuchtigkeit vollkommen ge-
sättigten Luft, oder gar in einem warmen Bade, steigt dagegen die Tem-
peratur des Organismus rasch. So fanden u. A. Berger und de la
Roche, dass bei einem Aufenthalte von 8 bis 16 Minuten in einem auf
+80° bis 87° erwärmten Raume die Temperatur unter der Zunge um
4° bis 5° stieg. Die englischen Beobachter Blagden, Dobson, For-
dyce u. A. fanden dagegen in der gleichen Zeit unter ähnlichen Um-
ständen nur eine Temperatursteigerung von etwa 1° C. — Crawford
machte bei Thieren, welche den Einflüssen so hoher Temperaturen aus-
gesetzt waren, die Beobachtung, dass das in ihren Venen enthaltene Blut
nicht dunkel- sondern hellroth gefärbt war.
*) Annales de chimie et physique. 2me serie. Tom XXVIII. p. 223.
**) Compt. rend. Vol. II. p. 621.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/482>, abgerufen am 22.11.2024.
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