Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite
welche bei der Verbrennung frei wird.
Buttersäure (C8H8O4) = 5623 W. E.
Propionsäure (C6H6O4) = 4670 "
Essigsäure (C4H4O4) = 3505 "
Ameisensäure (C2H2O4) = 1915 "
Alkohol (C4H6O2) = 8958 "
Kohlenstoff (aus Holzkohle) = 8086 "
Wasserstoff = 34462 "

Diese Mittheilungen lassen erkennen, wie ungemein lückenhaft die
Erfahrungen über die latente Wärme der im thierischen Körper ver-
brannten Stoffe sind. Man sieht sich darum genöthigt, zu einer Hypo-
these seine Zuflucht zu nehmen, wenn man eine Angabe über die Wärme-
quantität machen will, deren Verwendung dem thierischen Körper zu
Gebote steht. Zu diesem Behufe nimmt man an, dass die in den orga-
nischen Verbindungen der Nahrung enthaltenen C- und H atome gerade so
viel Wärmeeinheiten auszugeben vermöchten, als wären sie im freien Zustande
verbrannt, und fügt zu dieser Unterstellung den weiteren Zusatz, dass der
O, welchen die genannten Verbindungen mitbringen, so angesehen werden
solle, als ob er schon einen ihm entsprechenden H antheil der Verbindung
zu Wasser verbrannt habe; mit anderen Worten, man zieht eine dem
Sauerstoffgehalte entsprechende Wasserstoffmenge ab, wenn man nach
der obigen Voraussetzung die latente Wärme der Verbindung berechnet.

Nach dieser Hypothese würde nun z. B. 1 Gr. Stearinsäure 9905 Wärme-
einheiten geben, während er beobachtungsgemäss nur 9700 liefert, das be-
rechnete Resultat übersteigt das beobachtetete. Anders gestaltet es sich
mit den Kohlenhydraten. Wir wählen als Beispiel den Traubenzucker
(C12H12O12). Da dieser eine genügende Menge von O enthält, um allen
H desselben zu HO zu verbrennen, so kommt bei unserer Berechnung
nur der C in Betracht. Nun enthält 1 Gr. Zucker nach obiger Formel
0,4 Gr. C., diesem entsprechen aber 3234 W. E.; 1,0 Gr. Zucker giebt
aber auch 0,51 Gr. Alkohol, welche nach empirischer Feststellung 4568
W. E. liefern. Diese müssen also jedenfalls schon in dem Gr. Zucker,
welcher zur Alkoholbildung verwendet wurde, enthalten gewesen sein.
Bedenkt man aber noch, dass auch Wärme aus dem Zucker entwickelt
wurde, als er bei der Gährung unter CO2 abscheidung in Alkohol
überging, so folgt aus allem diesen, dass das berechnete Resultat weit
unter dem beobachteten bleibt. Aus diesen beiden Beispielen, die einzi-
gen, welche dem kritischen Experiment unterworfen wurden, geht hervor,
dass jene Hypothese eine bald zu geringe und bald zu hohe Verbrennungs-
wärme giebt. Wollte man also von obiger Annahme Anwendung machen
auf ein Thier, das viel Fett und wenig oder kein Amylon frisst, so hätte
man seine latente Wärme überschätzt, während man bei einem anderen Thiere
das Amylon und Fette im umgekehrten Verhältnisse verzehrt, die latente
Wärme zu gering gefunden haben würde.

welche bei der Verbrennung frei wird.
Buttersäure (C8H8O4) = 5623 W. E.
Propionsäure (C6H6O4) = 4670
Essigsäure (C4H4O4) = 3505
Ameisensäure (C2H2O4) = 1915
Alkohol (C4H6O2) = 8958
Kohlenstoff (aus Holzkohle) = 8086
Wasserstoff = 34462

Diese Mittheilungen lassen erkennen, wie ungemein lückenhaft die
Erfahrungen über die latente Wärme der im thierischen Körper ver-
brannten Stoffe sind. Man sieht sich darum genöthigt, zu einer Hypo-
these seine Zuflucht zu nehmen, wenn man eine Angabe über die Wärme-
quantität machen will, deren Verwendung dem thierischen Körper zu
Gebote steht. Zu diesem Behufe nimmt man an, dass die in den orga-
nischen Verbindungen der Nahrung enthaltenen C- und H atome gerade so
viel Wärmeeinheiten auszugeben vermöchten, als wären sie im freien Zustande
verbrannt, und fügt zu dieser Unterstellung den weiteren Zusatz, dass der
O, welchen die genannten Verbindungen mitbringen, so angesehen werden
solle, als ob er schon einen ihm entsprechenden H antheil der Verbindung
zu Wasser verbrannt habe; mit anderen Worten, man zieht eine dem
Sauerstoffgehalte entsprechende Wasserstoffmenge ab, wenn man nach
der obigen Voraussetzung die latente Wärme der Verbindung berechnet.

Nach dieser Hypothese würde nun z. B. 1 Gr. Stearinsäure 9905 Wärme-
einheiten geben, während er beobachtungsgemäss nur 9700 liefert, das be-
rechnete Resultat übersteigt das beobachtetete. Anders gestaltet es sich
mit den Kohlenhydraten. Wir wählen als Beispiel den Traubenzucker
(C12H12O12). Da dieser eine genügende Menge von O enthält, um allen
H desselben zu HO zu verbrennen, so kommt bei unserer Berechnung
nur der C in Betracht. Nun enthält 1 Gr. Zucker nach obiger Formel
0,4 Gr. C., diesem entsprechen aber 3234 W. E.; 1,0 Gr. Zucker giebt
aber auch 0,51 Gr. Alkohol, welche nach empirischer Feststellung 4568
W. E. liefern. Diese müssen also jedenfalls schon in dem Gr. Zucker,
welcher zur Alkoholbildung verwendet wurde, enthalten gewesen sein.
Bedenkt man aber noch, dass auch Wärme aus dem Zucker entwickelt
wurde, als er bei der Gährung unter CO2 abscheidung in Alkohol
überging, so folgt aus allem diesen, dass das berechnete Resultat weit
unter dem beobachteten bleibt. Aus diesen beiden Beispielen, die einzi-
gen, welche dem kritischen Experiment unterworfen wurden, geht hervor,
dass jene Hypothese eine bald zu geringe und bald zu hohe Verbrennungs-
wärme giebt. Wollte man also von obiger Annahme Anwendung machen
auf ein Thier, das viel Fett und wenig oder kein Amylon frisst, so hätte
man seine latente Wärme überschätzt, während man bei einem anderen Thiere
das Amylon und Fette im umgekehrten Verhältnisse verzehrt, die latente
Wärme zu gering gefunden haben würde.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0487" n="471"/>
          <fw place="top" type="header">welche bei der Verbrennung frei wird.</fw><lb/>
          <list>
            <item>Buttersäure (C<hi rendition="#sub">8</hi>H<hi rendition="#sub">8</hi>O<hi rendition="#sub">4</hi>) = <hi rendition="#b">5623</hi> W. E.</item><lb/>
            <item>Propionsäure (C<hi rendition="#sub">6</hi>H<hi rendition="#sub">6</hi>O<hi rendition="#sub">4</hi>) = <hi rendition="#b">4670</hi> &#x201E;</item><lb/>
            <item>Essigsäure (C<hi rendition="#sub">4</hi>H<hi rendition="#sub">4</hi>O<hi rendition="#sub">4</hi>) = <hi rendition="#b">3505</hi> &#x201E;</item><lb/>
            <item>Ameisensäure (C<hi rendition="#sub">2</hi>H<hi rendition="#sub">2</hi>O<hi rendition="#sub">4</hi>) = <hi rendition="#b">1915</hi> &#x201E;</item><lb/>
            <item>Alkohol (C<hi rendition="#sub">4</hi>H<hi rendition="#sub">6</hi>O<hi rendition="#sub">2</hi>) = <hi rendition="#b">8958</hi> &#x201E;</item><lb/>
            <item>Kohlenstoff (aus Holzkohle) = <hi rendition="#b">8086</hi> &#x201E;</item><lb/>
            <item>Wasserstoff = <hi rendition="#b">34462</hi> &#x201E;</item>
          </list><lb/>
          <p>Diese Mittheilungen lassen erkennen, wie ungemein lückenhaft die<lb/>
Erfahrungen über die latente Wärme der im thierischen Körper ver-<lb/>
brannten Stoffe sind. Man sieht sich darum genöthigt, zu einer Hypo-<lb/>
these seine Zuflucht zu nehmen, wenn man eine Angabe über die Wärme-<lb/>
quantität machen will, deren Verwendung dem thierischen Körper zu<lb/>
Gebote steht. Zu diesem Behufe nimmt man an, dass die in den orga-<lb/>
nischen Verbindungen der Nahrung enthaltenen C- und H atome gerade so<lb/>
viel Wärmeeinheiten auszugeben vermöchten, als wären sie im freien Zustande<lb/>
verbrannt, und fügt zu dieser Unterstellung den weiteren Zusatz, dass der<lb/>
O, welchen die genannten Verbindungen mitbringen, so angesehen werden<lb/>
solle, als ob er schon einen ihm entsprechenden H antheil der Verbindung<lb/>
zu Wasser verbrannt habe; mit anderen Worten, man zieht eine dem<lb/>
Sauerstoffgehalte entsprechende Wasserstoffmenge ab, wenn man nach<lb/>
der obigen Voraussetzung die latente Wärme der Verbindung berechnet.</p><lb/>
          <p>Nach dieser Hypothese würde nun z. B. <hi rendition="#b">1</hi> Gr. Stearinsäure <hi rendition="#b">9905</hi> Wärme-<lb/>
einheiten geben, während er beobachtungsgemäss nur <hi rendition="#b">9700</hi> liefert, das be-<lb/>
rechnete Resultat übersteigt das beobachtetete. Anders gestaltet es sich<lb/>
mit den Kohlenhydraten. Wir wählen als Beispiel den Traubenzucker<lb/>
(C<hi rendition="#sub">12</hi>H<hi rendition="#sub">12</hi>O<hi rendition="#sub">12</hi>). Da dieser eine genügende Menge von O enthält, um allen<lb/>
H desselben zu HO zu verbrennen, so kommt bei unserer Berechnung<lb/>
nur der C in Betracht. Nun enthält <hi rendition="#b">1</hi> Gr. Zucker nach obiger Formel<lb/><hi rendition="#b">0,4</hi> Gr. C., diesem entsprechen aber <hi rendition="#b">3234</hi> W. E.; <hi rendition="#b">1,0</hi> Gr. Zucker giebt<lb/>
aber auch <hi rendition="#b">0,51</hi> Gr. Alkohol, welche nach empirischer Feststellung <hi rendition="#b">4568</hi><lb/>
W. E. liefern. Diese müssen also jedenfalls schon in dem Gr. Zucker,<lb/>
welcher zur Alkoholbildung verwendet wurde, enthalten gewesen sein.<lb/>
Bedenkt man aber noch, dass auch Wärme aus dem Zucker entwickelt<lb/>
wurde, als er bei der Gährung unter CO<hi rendition="#sub">2</hi> abscheidung in Alkohol<lb/>
überging, so folgt aus allem diesen, dass das berechnete Resultat weit<lb/>
unter dem beobachteten bleibt. Aus diesen beiden Beispielen, die einzi-<lb/>
gen, welche dem kritischen Experiment unterworfen wurden, geht hervor,<lb/>
dass jene Hypothese eine bald zu geringe und bald zu hohe Verbrennungs-<lb/>
wärme giebt. Wollte man also von obiger Annahme Anwendung machen<lb/>
auf ein Thier, das viel Fett und wenig oder kein Amylon frisst, so hätte<lb/>
man seine latente Wärme überschätzt, während man bei einem anderen Thiere<lb/>
das Amylon und Fette im umgekehrten Verhältnisse verzehrt, die latente<lb/>
Wärme zu gering gefunden haben würde.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[471/0487] welche bei der Verbrennung frei wird. Buttersäure (C8H8O4) = 5623 W. E. Propionsäure (C6H6O4) = 4670 „ Essigsäure (C4H4O4) = 3505 „ Ameisensäure (C2H2O4) = 1915 „ Alkohol (C4H6O2) = 8958 „ Kohlenstoff (aus Holzkohle) = 8086 „ Wasserstoff = 34462 „ Diese Mittheilungen lassen erkennen, wie ungemein lückenhaft die Erfahrungen über die latente Wärme der im thierischen Körper ver- brannten Stoffe sind. Man sieht sich darum genöthigt, zu einer Hypo- these seine Zuflucht zu nehmen, wenn man eine Angabe über die Wärme- quantität machen will, deren Verwendung dem thierischen Körper zu Gebote steht. Zu diesem Behufe nimmt man an, dass die in den orga- nischen Verbindungen der Nahrung enthaltenen C- und H atome gerade so viel Wärmeeinheiten auszugeben vermöchten, als wären sie im freien Zustande verbrannt, und fügt zu dieser Unterstellung den weiteren Zusatz, dass der O, welchen die genannten Verbindungen mitbringen, so angesehen werden solle, als ob er schon einen ihm entsprechenden H antheil der Verbindung zu Wasser verbrannt habe; mit anderen Worten, man zieht eine dem Sauerstoffgehalte entsprechende Wasserstoffmenge ab, wenn man nach der obigen Voraussetzung die latente Wärme der Verbindung berechnet. Nach dieser Hypothese würde nun z. B. 1 Gr. Stearinsäure 9905 Wärme- einheiten geben, während er beobachtungsgemäss nur 9700 liefert, das be- rechnete Resultat übersteigt das beobachtetete. Anders gestaltet es sich mit den Kohlenhydraten. Wir wählen als Beispiel den Traubenzucker (C12H12O12). Da dieser eine genügende Menge von O enthält, um allen H desselben zu HO zu verbrennen, so kommt bei unserer Berechnung nur der C in Betracht. Nun enthält 1 Gr. Zucker nach obiger Formel 0,4 Gr. C., diesem entsprechen aber 3234 W. E.; 1,0 Gr. Zucker giebt aber auch 0,51 Gr. Alkohol, welche nach empirischer Feststellung 4568 W. E. liefern. Diese müssen also jedenfalls schon in dem Gr. Zucker, welcher zur Alkoholbildung verwendet wurde, enthalten gewesen sein. Bedenkt man aber noch, dass auch Wärme aus dem Zucker entwickelt wurde, als er bei der Gährung unter CO2 abscheidung in Alkohol überging, so folgt aus allem diesen, dass das berechnete Resultat weit unter dem beobachteten bleibt. Aus diesen beiden Beispielen, die einzi- gen, welche dem kritischen Experiment unterworfen wurden, geht hervor, dass jene Hypothese eine bald zu geringe und bald zu hohe Verbrennungs- wärme giebt. Wollte man also von obiger Annahme Anwendung machen auf ein Thier, das viel Fett und wenig oder kein Amylon frisst, so hätte man seine latente Wärme überschätzt, während man bei einem anderen Thiere das Amylon und Fette im umgekehrten Verhältnisse verzehrt, die latente Wärme zu gering gefunden haben würde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/487
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/487>, abgerufen am 22.11.2024.