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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Wärmebildung in den einzelnen Organen.
zu Stande kommt; eine einfache Ueberlegung weist dann aber darauf
hin, dass von den in der letzten Reihe zusammengefassten Funk-
tionen die mechanische Leistung die geringste Menge von W. E. ver-
zehrt. -- Denn nehmen wir z. B. an, der Mann I., welcher im Mittel
täglich 3191948 gewinnt, habe einen Berg von 2000 Metres Höhe er-
stiegen, d. h. er habe sein Körpergewicht von 47500 Gr. auf diese Höhe
gehoben, so würde er (d. mechan. Aequivalent zu 430 Metresgramme
genommen) dazu nur 220930 Wärmeeinheiten, d. h. etwa 7 pCt. seiner
gesammten Wärmemenge, verbraucht haben.

Bildung und Verbrauch von Wärme in den einzelnen
Organen
.

Zunächst liegt es nun ob anzugeben, in welchem Maasse sich die
einzelnen Organe und Gewebe an dem Gewinne und Verluste der Wärme
betheiligen, da es aus dem uns bekannten chemischen Leben derselben
offenbar ist, dass sie dieses nicht alle in gleicher Weise thun.

Um den Werth feststellen zu können, mit dem ein jeder Bestand-
theil unseres Leibes in jenen verbreiteten Prozess eingreift, wird nichts
mehr und weniger genügen, als die Kenntniss von der Art und dem
Umfange des Stoffumsatzes und des Wärmeverlustes durch Leitung und
Strahlung an allen Orten, oder aber, vorausgesetzt, es hielte sich die
Temperatur in den betreffenden Organen constant, der Wärmekapazität
und der Temperaturunterschiede der zu- und abfliessenden tropfbaren
Flüssigkeiten und der Verluste durch Strahlung, oder aber es wäre die
Temperatur variabel, auch noch die Kenntniss nöthig der Wärmekapazität
des Organes und des Umfanges der Temperaturschwankung.

In der That wissen wir aber im Einzelnen nur Folgendes. Zu den
vorzugsweise wärmesammelnden Gebilden zählen wir:

a. Die Muskeln im ruhenden und im verkürzten Zustande. Denn
diese Organe verlieren durch Strahlung keine Wärme, während sie (mit
Hilfe von aufgeschwemmtem O) CO2 entwickeln, und dieses letztere in
gesteigertem Maassstabe, wenn sie sich in verkürztem Zustande befinden.
Hiermit im Einklange finden Becquerel und Brechet durch die thermo-
elektrische Messung, dass der zusammengezogene Muskel um 0,5° bis
1,0° wärmer als der verlängerte ist.

b. Die Baucheingeweide. In ihnen ereignen sich weitverbreitete
wärmeerzeugende Vorgänge, so u. A. die häufigen Zusammenziehungen
der Darmmuskeln, die Gährungen im Darmrohre, die Bildung von Harn-
säure in der Milz u. s. w., gegen deren erwärmende Macht die Abküh-
lung durch die Speisen, die einzige, welche sie erleiden, nicht in Be-
tracht zu kommen scheint. Die Richtigkeit dieser Folgerung bestätigt
die Temperatur des Blutes in der vena cava ascendens, welche immer
noch höher ist, als die des Arterienblutes, trotzdem dass sich in jener Vene

Wärmebildung in den einzelnen Organen.
zu Stande kommt; eine einfache Ueberlegung weist dann aber darauf
hin, dass von den in der letzten Reihe zusammengefassten Funk-
tionen die mechanische Leistung die geringste Menge von W. E. ver-
zehrt. — Denn nehmen wir z. B. an, der Mann I., welcher im Mittel
täglich 3191948 gewinnt, habe einen Berg von 2000 Metres Höhe er-
stiegen, d. h. er habe sein Körpergewicht von 47500 Gr. auf diese Höhe
gehoben, so würde er (d. mechan. Aequivalent zu 430 Metresgramme
genommen) dazu nur 220930 Wärmeeinheiten, d. h. etwa 7 pCt. seiner
gesammten Wärmemenge, verbraucht haben.

Bildung und Verbrauch von Wärme in den einzelnen
Organen
.

Zunächst liegt es nun ob anzugeben, in welchem Maasse sich die
einzelnen Organe und Gewebe an dem Gewinne und Verluste der Wärme
betheiligen, da es aus dem uns bekannten chemischen Leben derselben
offenbar ist, dass sie dieses nicht alle in gleicher Weise thun.

Um den Werth feststellen zu können, mit dem ein jeder Bestand-
theil unseres Leibes in jenen verbreiteten Prozess eingreift, wird nichts
mehr und weniger genügen, als die Kenntniss von der Art und dem
Umfange des Stoffumsatzes und des Wärmeverlustes durch Leitung und
Strahlung an allen Orten, oder aber, vorausgesetzt, es hielte sich die
Temperatur in den betreffenden Organen constant, der Wärmekapazität
und der Temperaturunterschiede der zu- und abfliessenden tropfbaren
Flüssigkeiten und der Verluste durch Strahlung, oder aber es wäre die
Temperatur variabel, auch noch die Kenntniss nöthig der Wärmekapazität
des Organes und des Umfanges der Temperaturschwankung.

In der That wissen wir aber im Einzelnen nur Folgendes. Zu den
vorzugsweise wärmesammelnden Gebilden zählen wir:

a. Die Muskeln im ruhenden und im verkürzten Zustande. Denn
diese Organe verlieren durch Strahlung keine Wärme, während sie (mit
Hilfe von aufgeschwemmtem O) CO2 entwickeln, und dieses letztere in
gesteigertem Maassstabe, wenn sie sich in verkürztem Zustande befinden.
Hiermit im Einklange finden Becquerel und Brechet durch die thermo-
elektrische Messung, dass der zusammengezogene Muskel um 0,5° bis
1,0° wärmer als der verlängerte ist.

b. Die Baucheingeweide. In ihnen ereignen sich weitverbreitete
wärmeerzeugende Vorgänge, so u. A. die häufigen Zusammenziehungen
der Darmmuskeln, die Gährungen im Darmrohre, die Bildung von Harn-
säure in der Milz u. s. w., gegen deren erwärmende Macht die Abküh-
lung durch die Speisen, die einzige, welche sie erleiden, nicht in Be-
tracht zu kommen scheint. Die Richtigkeit dieser Folgerung bestätigt
die Temperatur des Blutes in der vena cava ascendens, welche immer
noch höher ist, als die des Arterienblutes, trotzdem dass sich in jener Vene

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[479/0495] Wärmebildung in den einzelnen Organen. zu Stande kommt; eine einfache Ueberlegung weist dann aber darauf hin, dass von den in der letzten Reihe zusammengefassten Funk- tionen die mechanische Leistung die geringste Menge von W. E. ver- zehrt. — Denn nehmen wir z. B. an, der Mann I., welcher im Mittel täglich 3191948 gewinnt, habe einen Berg von 2000 Metres Höhe er- stiegen, d. h. er habe sein Körpergewicht von 47500 Gr. auf diese Höhe gehoben, so würde er (d. mechan. Aequivalent zu 430 Metresgramme genommen) dazu nur 220930 Wärmeeinheiten, d. h. etwa 7 pCt. seiner gesammten Wärmemenge, verbraucht haben. Bildung und Verbrauch von Wärme in den einzelnen Organen. Zunächst liegt es nun ob anzugeben, in welchem Maasse sich die einzelnen Organe und Gewebe an dem Gewinne und Verluste der Wärme betheiligen, da es aus dem uns bekannten chemischen Leben derselben offenbar ist, dass sie dieses nicht alle in gleicher Weise thun. Um den Werth feststellen zu können, mit dem ein jeder Bestand- theil unseres Leibes in jenen verbreiteten Prozess eingreift, wird nichts mehr und weniger genügen, als die Kenntniss von der Art und dem Umfange des Stoffumsatzes und des Wärmeverlustes durch Leitung und Strahlung an allen Orten, oder aber, vorausgesetzt, es hielte sich die Temperatur in den betreffenden Organen constant, der Wärmekapazität und der Temperaturunterschiede der zu- und abfliessenden tropfbaren Flüssigkeiten und der Verluste durch Strahlung, oder aber es wäre die Temperatur variabel, auch noch die Kenntniss nöthig der Wärmekapazität des Organes und des Umfanges der Temperaturschwankung. In der That wissen wir aber im Einzelnen nur Folgendes. Zu den vorzugsweise wärmesammelnden Gebilden zählen wir: a. Die Muskeln im ruhenden und im verkürzten Zustande. Denn diese Organe verlieren durch Strahlung keine Wärme, während sie (mit Hilfe von aufgeschwemmtem O) CO2 entwickeln, und dieses letztere in gesteigertem Maassstabe, wenn sie sich in verkürztem Zustande befinden. Hiermit im Einklange finden Becquerel und Brechet durch die thermo- elektrische Messung, dass der zusammengezogene Muskel um 0,5° bis 1,0° wärmer als der verlängerte ist. b. Die Baucheingeweide. In ihnen ereignen sich weitverbreitete wärmeerzeugende Vorgänge, so u. A. die häufigen Zusammenziehungen der Darmmuskeln, die Gährungen im Darmrohre, die Bildung von Harn- säure in der Milz u. s. w., gegen deren erwärmende Macht die Abküh- lung durch die Speisen, die einzige, welche sie erleiden, nicht in Be- tracht zu kommen scheint. Die Richtigkeit dieser Folgerung bestätigt die Temperatur des Blutes in der vena cava ascendens, welche immer noch höher ist, als die des Arterienblutes, trotzdem dass sich in jener Vene

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/495>, abgerufen am 22.11.2024.