Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.Einfluss der Nahrungsmittel, Muskelzustände u. s. w. letzten Genuss von Nahrung und in Y die Zahl der Schläge aufgetragen, welche zuden bezeichneten Zeiten abgezogen werden müssen von der Pulszahl 69,3, von der- [Abbildung]
Fig. 40. jenigen nemlich, welche frühmorgens, 10 Stun-den nach dem letzten Essen, der beobachtete Mensch in der Minute darbot. Da diese und die vorhergehende Curve von demselben Individuum genommen sind, so sind beide geradezu ver- gleichbar. -- Ein jedes Nahrungsmittel wirkt aber nicht auf gleiche Weise. Bei Fleischnah- rung soll der Puls rascher sein, als bei vege- tabilischer (Guy). -- Nach dem Genuss von Alkohol (Bier, Wein, Schnaps) steigt in den er- sten Minuten die Zahl der Pulsschläge weit unter diejenige vor dem Genuss dieser Mittel, in den darauf folgenden aber erhebt sie sich hoch über die ursprüngliche Zahl, sinkt und steigt wieder, und kehrt so allmählich mit Schwankungen zu der alten Zahl zurück. -- Kohlensäure (nach Genuss von Brausepulver) bringt den Puls ge- gen 20 Minuten lang zum Sinken, ebenso kaltes Wasser, während warmes Getränk, namentlich Kaffee, umgekehrt ihn zunächst stei- gen macht u. s. w. -- Weitere Beobachtungen über Arzneistoffe siehe bei Lich- tenfels und Fröhlich, Blacke*), Stannius**), Lenz***), Brunner+) und Traube++). Indem wir die ausführliche Erwähnung dieser Beobachtungen den Lehrbüchern der Heilkunde überlassen müssen, können wir uns nicht versagen, her- vorzuheben, dass durch die genauen Versuche von Traube dem Digitalin eine eigen- thümliche Stellung angewiesen ist. Dieses Gift erzeugt, wenn es in kleinen Dosen in den Kreislauf eingebracht wird, eine Verlangsamung, wenn es aber in grossen Dosen gegeben, so bedingt es eine Beschleunigung des Herzschlags; Traube erläu- tert diese Erscheinung daraus, dass das Digitalin vermöge seiner besondern Ver- wandtschaften auf die Hirnabtheilung wirkt, von welcher die Herzzweige des n. va- gus erregt werden. In kleinen Mengen soll nun, nach Analogie vieler chemischer Erregungsmittel, das Gift erregend, in grossen Gaben vernichtend wirken, so dass das Herz im erstern Fall unter dem Einfluss des erregten, im letztern unter dem Einfluss des Vagus schlüge, der seiner normalen Erregung entzogen wäre. -- Diese Erklärung wird bestätigt durch die Erfahrung, dass die den Puls verlangsamende Wirkung des Digitalins meistentheils augenblicklich aufgehoben wird nach einer Durchschneidung der n. vagi. Neben dieser Wirkung durch den n. vagus hindurch be- sitzt das Gift noch eine zweite, direkt gegen das Herz gehende, wie uns dieses die Versuche von Stannius und Traube bestätigen. 2. Die Zahl der Pulsschläge ändert sich mit den Zuständen aller übrigen *) Archiv. general. 1839. VI. Bd. **) Archiv f. physiolog. Heilkunde. X. Bd. ***) Experimenta de ratione inter pulsus frequentiam etc. Dorpat. 1853. +) Ueber mittlere Spannung im Gefässsystem. Zürich 1854. ++) Annalen des Charitekrankenhauses. 1851 u. 1852.
Einfluss der Nahrungsmittel, Muskelzustände u. s. w. letzten Genuss von Nahrung und in Y die Zahl der Schläge aufgetragen, welche zuden bezeichneten Zeiten abgezogen werden müssen von der Pulszahl 69,3, von der- [Abbildung]
Fig. 40. jenigen nemlich, welche frühmorgens, 10 Stun-den nach dem letzten Essen, der beobachtete Mensch in der Minute darbot. Da diese und die vorhergehende Curve von demselben Individuum genommen sind, so sind beide geradezu ver- gleichbar. — Ein jedes Nahrungsmittel wirkt aber nicht auf gleiche Weise. Bei Fleischnah- rung soll der Puls rascher sein, als bei vege- tabilischer (Guy). — Nach dem Genuss von Alkohol (Bier, Wein, Schnaps) steigt in den er- sten Minuten die Zahl der Pulsschläge weit unter diejenige vor dem Genuss dieser Mittel, in den darauf folgenden aber erhebt sie sich hoch über die ursprüngliche Zahl, sinkt und steigt wieder, und kehrt so allmählich mit Schwankungen zu der alten Zahl zurück. — Kohlensäure (nach Genuss von Brausepulver) bringt den Puls ge- gen 20 Minuten lang zum Sinken, ebenso kaltes Wasser, während warmes Getränk, namentlich Kaffee, umgekehrt ihn zunächst stei- gen macht u. s. w. — Weitere Beobachtungen über Arzneistoffe siehe bei Lich- tenfels und Fröhlich, Blacke*), Stannius**), Lenz***), Brunner†) und Traube††). Indem wir die ausführliche Erwähnung dieser Beobachtungen den Lehrbüchern der Heilkunde überlassen müssen, können wir uns nicht versagen, her- vorzuheben, dass durch die genauen Versuche von Traube dem Digitalin eine eigen- thümliche Stellung angewiesen ist. Dieses Gift erzeugt, wenn es in kleinen Dosen in den Kreislauf eingebracht wird, eine Verlangsamung, wenn es aber in grossen Dosen gegeben, so bedingt es eine Beschleunigung des Herzschlags; Traube erläu- tert diese Erscheinung daraus, dass das Digitalin vermöge seiner besondern Ver- wandtschaften auf die Hirnabtheilung wirkt, von welcher die Herzzweige des n. va- gus erregt werden. In kleinen Mengen soll nun, nach Analogie vieler chemischer Erregungsmittel, das Gift erregend, in grossen Gaben vernichtend wirken, so dass das Herz im erstern Fall unter dem Einfluss des erregten, im letztern unter dem Einfluss des Vagus schlüge, der seiner normalen Erregung entzogen wäre. — Diese Erklärung wird bestätigt durch die Erfahrung, dass die den Puls verlangsamende Wirkung des Digitalins meistentheils augenblicklich aufgehoben wird nach einer Durchschneidung der n. vagi. Neben dieser Wirkung durch den n. vagus hindurch be- sitzt das Gift noch eine zweite, direkt gegen das Herz gehende, wie uns dieses die Versuche von Stannius und Traube bestätigen. 2. Die Zahl der Pulsschläge ändert sich mit den Zuständen aller übrigen *) Archiv. general. 1839. VI. Bd. **) Archiv f. physiolog. Heilkunde. X. Bd. ***) Experimenta de ratione inter pulsus frequentiam etc. Dorpat. 1853. †) Ueber mittlere Spannung im Gefässsystem. Zürich 1854. ††) Annalen des Charitékrankenhauses. 1851 u. 1852.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0088" n="72"/><fw place="top" type="header">Einfluss der Nahrungsmittel, Muskelzustände u. s. w.</fw><lb/> letzten Genuss von Nahrung und in <hi rendition="#i">Y</hi> die Zahl der Schläge aufgetragen, welche zu<lb/> den bezeichneten Zeiten abgezogen werden müssen von der Pulszahl 69,3, von der-<lb/><figure><head>Fig. 40.</head></figure><lb/> jenigen nemlich, welche frühmorgens, 10 Stun-<lb/> den nach dem letzten Essen, der beobachtete<lb/> Mensch in der Minute darbot. Da diese und die<lb/> vorhergehende Curve von demselben Individuum<lb/> genommen sind, so sind beide geradezu ver-<lb/> gleichbar. — Ein jedes Nahrungsmittel wirkt<lb/> aber nicht auf gleiche Weise. Bei Fleischnah-<lb/> rung soll der Puls rascher sein, als bei vege-<lb/> tabilischer (<hi rendition="#g">Guy</hi>). — Nach dem Genuss von<lb/> Alkohol (Bier, Wein, Schnaps) steigt in den er-<lb/> sten Minuten die Zahl der Pulsschläge weit unter<lb/> diejenige vor dem Genuss dieser Mittel, in den<lb/> darauf folgenden aber erhebt sie sich hoch über<lb/> die ursprüngliche Zahl, sinkt und steigt wieder,<lb/> und kehrt so allmählich mit Schwankungen zu<lb/> der alten Zahl zurück. — Kohlensäure (nach<lb/> Genuss von Brausepulver) bringt den Puls ge-<lb/> gen 20 Minuten lang zum Sinken, ebenso kaltes<lb/> Wasser, während warmes Getränk, namentlich Kaffee, umgekehrt ihn zunächst stei-<lb/> gen macht u. s. w. — Weitere Beobachtungen über Arzneistoffe siehe bei <hi rendition="#g">Lich-<lb/> tenfels</hi> und <hi rendition="#g">Fröhlich, Blacke</hi><note place="foot" n="*)">Archiv. general. 1839. VI. Bd.</note>, <hi rendition="#g">Stannius</hi><note place="foot" n="**)">Archiv f. physiolog. Heilkunde. X. Bd.</note>, <hi rendition="#g">Lenz</hi><note place="foot" n="***)">Experimenta de ratione inter pulsus frequentiam etc. Dorpat. 1853.</note>, <hi rendition="#g">Brunner</hi><note place="foot" n="†)">Ueber mittlere Spannung im Gefässsystem. Zürich 1854.</note> und<lb/><hi rendition="#g">Traube</hi><note place="foot" n="††)">Annalen des Charitékrankenhauses. 1851 u. 1852.</note>. Indem wir die ausführliche Erwähnung dieser Beobachtungen den<lb/> Lehrbüchern der Heilkunde überlassen müssen, können wir uns nicht versagen, her-<lb/> vorzuheben, dass durch die genauen Versuche von <hi rendition="#g">Traube</hi> dem Digitalin eine eigen-<lb/> thümliche Stellung angewiesen ist. Dieses Gift erzeugt, wenn es in kleinen Dosen<lb/> in den Kreislauf eingebracht wird, eine Verlangsamung, wenn es aber in grossen<lb/> Dosen gegeben, so bedingt es eine Beschleunigung des Herzschlags; <hi rendition="#g">Traube</hi> erläu-<lb/> tert diese Erscheinung daraus, dass das Digitalin vermöge seiner besondern Ver-<lb/> wandtschaften auf die Hirnabtheilung wirkt, von welcher die Herzzweige des n. va-<lb/> gus erregt werden. In kleinen Mengen soll nun, nach Analogie vieler chemischer<lb/> Erregungsmittel, das Gift erregend, in grossen Gaben vernichtend wirken, so dass<lb/> das Herz im erstern Fall unter dem Einfluss des erregten, im letztern unter dem<lb/> Einfluss des Vagus schlüge, der seiner normalen Erregung entzogen wäre. — Diese<lb/> Erklärung wird bestätigt durch die Erfahrung, dass die den Puls verlangsamende<lb/> Wirkung des Digitalins meistentheils augenblicklich aufgehoben wird nach einer<lb/> Durchschneidung der n. vagi. Neben dieser Wirkung durch den n. vagus hindurch be-<lb/> sitzt das Gift noch eine zweite, direkt gegen das Herz gehende, wie uns dieses die<lb/> Versuche von <hi rendition="#g">Stannius</hi> und <hi rendition="#g">Traube</hi> bestätigen.</p><lb/> <p>2. Die Zahl der Pulsschläge ändert sich mit den Zuständen aller übrigen<lb/> Muskelmassen des zugehörigen Individuums, resp. mit ihrer Ruhe, Zusammen-<lb/> ziehung, Ermüdung. — <hi rendition="#g">Fröhlich</hi> und <hi rendition="#g">Lichtenfels</hi> geben an, dass, wenn<lb/> die Muskelmasse des Armes durch das Anhängen eines Gewichtes von <hi rendition="#b">10</hi> Pfund<lb/> ausgedehnt worden, der Puls um ein weniges steigt; um mehr, wenn man den Arm<lb/> bis zur Ermüdung gestreckt hält; und noch beträchtlicher, wenn man ein schweres<lb/> Gewicht möglichst rasch hin- und herschwingt. Diese Steigerungen erhalten sich nur<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0088]
Einfluss der Nahrungsmittel, Muskelzustände u. s. w.
letzten Genuss von Nahrung und in Y die Zahl der Schläge aufgetragen, welche zu
den bezeichneten Zeiten abgezogen werden müssen von der Pulszahl 69,3, von der-
[Abbildung Fig. 40.]
jenigen nemlich, welche frühmorgens, 10 Stun-
den nach dem letzten Essen, der beobachtete
Mensch in der Minute darbot. Da diese und die
vorhergehende Curve von demselben Individuum
genommen sind, so sind beide geradezu ver-
gleichbar. — Ein jedes Nahrungsmittel wirkt
aber nicht auf gleiche Weise. Bei Fleischnah-
rung soll der Puls rascher sein, als bei vege-
tabilischer (Guy). — Nach dem Genuss von
Alkohol (Bier, Wein, Schnaps) steigt in den er-
sten Minuten die Zahl der Pulsschläge weit unter
diejenige vor dem Genuss dieser Mittel, in den
darauf folgenden aber erhebt sie sich hoch über
die ursprüngliche Zahl, sinkt und steigt wieder,
und kehrt so allmählich mit Schwankungen zu
der alten Zahl zurück. — Kohlensäure (nach
Genuss von Brausepulver) bringt den Puls ge-
gen 20 Minuten lang zum Sinken, ebenso kaltes
Wasser, während warmes Getränk, namentlich Kaffee, umgekehrt ihn zunächst stei-
gen macht u. s. w. — Weitere Beobachtungen über Arzneistoffe siehe bei Lich-
tenfels und Fröhlich, Blacke *), Stannius **), Lenz ***), Brunner †) und
Traube ††). Indem wir die ausführliche Erwähnung dieser Beobachtungen den
Lehrbüchern der Heilkunde überlassen müssen, können wir uns nicht versagen, her-
vorzuheben, dass durch die genauen Versuche von Traube dem Digitalin eine eigen-
thümliche Stellung angewiesen ist. Dieses Gift erzeugt, wenn es in kleinen Dosen
in den Kreislauf eingebracht wird, eine Verlangsamung, wenn es aber in grossen
Dosen gegeben, so bedingt es eine Beschleunigung des Herzschlags; Traube erläu-
tert diese Erscheinung daraus, dass das Digitalin vermöge seiner besondern Ver-
wandtschaften auf die Hirnabtheilung wirkt, von welcher die Herzzweige des n. va-
gus erregt werden. In kleinen Mengen soll nun, nach Analogie vieler chemischer
Erregungsmittel, das Gift erregend, in grossen Gaben vernichtend wirken, so dass
das Herz im erstern Fall unter dem Einfluss des erregten, im letztern unter dem
Einfluss des Vagus schlüge, der seiner normalen Erregung entzogen wäre. — Diese
Erklärung wird bestätigt durch die Erfahrung, dass die den Puls verlangsamende
Wirkung des Digitalins meistentheils augenblicklich aufgehoben wird nach einer
Durchschneidung der n. vagi. Neben dieser Wirkung durch den n. vagus hindurch be-
sitzt das Gift noch eine zweite, direkt gegen das Herz gehende, wie uns dieses die
Versuche von Stannius und Traube bestätigen.
2. Die Zahl der Pulsschläge ändert sich mit den Zuständen aller übrigen
Muskelmassen des zugehörigen Individuums, resp. mit ihrer Ruhe, Zusammen-
ziehung, Ermüdung. — Fröhlich und Lichtenfels geben an, dass, wenn
die Muskelmasse des Armes durch das Anhängen eines Gewichtes von 10 Pfund
ausgedehnt worden, der Puls um ein weniges steigt; um mehr, wenn man den Arm
bis zur Ermüdung gestreckt hält; und noch beträchtlicher, wenn man ein schweres
Gewicht möglichst rasch hin- und herschwingt. Diese Steigerungen erhalten sich nur
*) Archiv. general. 1839. VI. Bd.
**) Archiv f. physiolog. Heilkunde. X. Bd.
***) Experimenta de ratione inter pulsus frequentiam etc. Dorpat. 1853.
†) Ueber mittlere Spannung im Gefässsystem. Zürich 1854.
††) Annalen des Charitékrankenhauses. 1851 u. 1852.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |