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Lütkemann, Joachim: Apostolische Auffmu[n]terung zum Lebendigen Glauben in Christo Jesu. Frankfurt (Main) u. a., 1652.

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ein Band der Vollkommenheit. Eines Bandes Werek ist / daß es vnterschiedliche Stücke zusammen fasse vnd verbinde / daß eines nicht von dem andern falle. Nun ist die Frage / was die Liebe zusammen verbinde. Paulus setzet die Vollkommenheit. Dadurch verstehet man gemeiniglich den geistlichen Leib Christi / darinnen die Glaubigen vnter sich vnd an Christo verbunden seyn / wie die Glieder an jhrem Haupt. Das Band / das die Glaubigen vnter sich verbindet / ist die Liebe. Die Liebe hält die Hertzen zusammen / daß sie eines Muthes seyn. Die Liebe macht gleiche Hertzen vnter hohe vnd niedrige / reich vnd arm / daß ein jeglicher deß Nechsten Noth auffnimpt / als seine eigne. Da keine Liebe ist / gehen die Glieder von einander / vnd kehret sich keiner an den andern. Diese Meynung ist zwar gut / obs aber die eigentliche einfältige Meynung sey an diesem ort / dar an zweifel ich. Denn Vollkommenheit heisst dem Buchstaben nach nicht ein geistlicher Leib Christi / so wird auch hier deß geistlichen Leibes vnd dessen Glieder nicht gedacht. Eigentlich bedeut Vollkommenheit einen Begriff aller Christlichen Tugenden. Wenn denn Paulus die Liebe nennet ein Band der Vollkommenheit / ist die einfältige Meynung / daß die Liebe alle Christliche Tugenden in sich begreiffe / vnd alle Tugenden in der Liebe verfasset seyn / also daß durch die Liebe ein Christ in den Tugenden vollkommen gemacht wird. Ist derowegen diß eben / was zun Römern am 13. geschrieben: Die Liebe ist deßRom. 13, 10. Gesetzes Erfüllung. Wie gehet das zu? wie kan die Liebe einen Menschen in allen Tugenden vollkommen machen? Die auß dem Gesetz die Gerechtigkeit für GOtt suchen / verstehen durch die Liebe ein geneigtes Gemüth / vnd sagen: Wenn schon der Mensch in der That nicht alle Werck der Liebe erfüllen kan / so sey es genug / wann er nur einen geneigten Willen habe. Aber die Liebe heisset nicht nur allein ein geneigtes Gemüth / sondern Gemüth vnd That zugleich. So lässt sich auch das Gesetz nicht durch gute Gewogenheit erfüllen / es muß die That ohn allen Mangel dabey seyn.

ein Band der Vollkommenheit. Eines Bandes Werek ist / daß es vnterschiedliche Stücke zusammen fasse vnd verbinde / daß eines nicht von dem andern falle. Nun ist die Frage / was die Liebe zusammen verbinde. Paulus setzet die Vollkommenheit. Dadurch verstehet man gemeiniglich den geistlichen Leib Christi / darinnen die Glaubigen vnter sich vnd an Christo verbunden seyn / wie die Glieder an jhrem Haupt. Das Band / das die Glaubigen vnter sich verbindet / ist die Liebe. Die Liebe hält die Hertzen zusammen / daß sie eines Muthes seyn. Die Liebe macht gleiche Hertzen vnter hohe vnd niedrige / reich vnd arm / daß ein jeglicher deß Nechsten Noth auffnimpt / als seine eigne. Da keine Liebe ist / gehen die Glieder von einander / vnd kehret sich keiner an den andern. Diese Meynung ist zwar gut / obs aber die eigentliche einfältige Meynung sey an diesem ort / dar an zweifel ich. Denn Vollkommenheit heisst dem Buchstaben nach nicht ein geistlicher Leib Christi / so wird auch hier deß geistlichen Leibes vnd dessen Glieder nicht gedacht. Eigentlich bedeut Vollkommenheit einen Begriff aller Christlichen Tugenden. Wenn denn Paulus die Liebe nennet ein Band der Vollkommenheit / ist die einfältige Meynung / daß die Liebe alle Christliche Tugenden in sich begreiffe / vnd alle Tugenden in der Liebe verfasset seyn / also daß durch die Liebe ein Christ in den Tugenden vollkommen gemacht wird. Ist derowegen diß eben / was zun Römern am 13. geschrieben: Die Liebe ist deßRom. 13, 10. Gesetzes Erfüllung. Wie gehet das zu? wie kan die Liebe einen Menschen in allen Tugenden vollkommen machen? Die auß dem Gesetz die Gerechtigkeit für GOtt suchen / verstehen durch die Liebe ein geneigtes Gemüth / vnd sagen: Wenn schon der Mensch in der That nicht alle Werck der Liebe erfüllen kan / so sey es genug / wann er nur einen geneigten Willen habe. Aber die Liebe heisset nicht nur allein ein geneigtes Gemüth / sondern Gemüth vnd That zugleich. So lässt sich auch das Gesetz nicht durch gute Gewogenheit erfüllen / es muß die That ohn allen Mangel dabey seyn.

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[309/0329] ein Band der Vollkommenheit. Eines Bandes Werek ist / daß es vnterschiedliche Stücke zusammen fasse vnd verbinde / daß eines nicht von dem andern falle. Nun ist die Frage / was die Liebe zusammen verbinde. Paulus setzet die Vollkommenheit. Dadurch verstehet man gemeiniglich den geistlichen Leib Christi / darinnen die Glaubigen vnter sich vnd an Christo verbunden seyn / wie die Glieder an jhrem Haupt. Das Band / das die Glaubigen vnter sich verbindet / ist die Liebe. Die Liebe hält die Hertzen zusammen / daß sie eines Muthes seyn. Die Liebe macht gleiche Hertzen vnter hohe vnd niedrige / reich vnd arm / daß ein jeglicher deß Nechsten Noth auffnimpt / als seine eigne. Da keine Liebe ist / gehen die Glieder von einander / vnd kehret sich keiner an den andern. Diese Meynung ist zwar gut / obs aber die eigentliche einfältige Meynung sey an diesem ort / dar an zweifel ich. Denn Vollkommenheit heisst dem Buchstaben nach nicht ein geistlicher Leib Christi / so wird auch hier deß geistlichen Leibes vnd dessen Glieder nicht gedacht. Eigentlich bedeut Vollkommenheit einen Begriff aller Christlichen Tugenden. Wenn denn Paulus die Liebe nennet ein Band der Vollkommenheit / ist die einfältige Meynung / daß die Liebe alle Christliche Tugenden in sich begreiffe / vnd alle Tugenden in der Liebe verfasset seyn / also daß durch die Liebe ein Christ in den Tugenden vollkommen gemacht wird. Ist derowegen diß eben / was zun Römern am 13. geschrieben: Die Liebe ist deß Gesetzes Erfüllung. Wie gehet das zu? wie kan die Liebe einen Menschen in allen Tugenden vollkommen machen? Die auß dem Gesetz die Gerechtigkeit für GOtt suchen / verstehen durch die Liebe ein geneigtes Gemüth / vnd sagen: Wenn schon der Mensch in der That nicht alle Werck der Liebe erfüllen kan / so sey es genug / wann er nur einen geneigten Willen habe. Aber die Liebe heisset nicht nur allein ein geneigtes Gemüth / sondern Gemüth vnd That zugleich. So lässt sich auch das Gesetz nicht durch gute Gewogenheit erfüllen / es muß die That ohn allen Mangel dabey seyn. Rom. 13, 10.

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Zitationshilfe: Lütkemann, Joachim: Apostolische Auffmu[n]terung zum Lebendigen Glauben in Christo Jesu. Frankfurt (Main) u. a., 1652, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luetkemann_auffmunterung_1652/329>, abgerufen am 24.11.2024.