Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.Die vierdte Betrachtung. und lebet von reinem Korn. Du auch/ meineSeele/ must rein seyn/ und rein Korn in dein Kröpfflein sammlen. Das reine Wort Got- tes/ das muß dein Leben seyn. Deine Flügel/ damit du auff und nieder fliehest/ ist die brünsti- ge Liebe/ die Liebe zu GOtt und den Menschen. Die Liebe zu Gott begreifft in sich ein hertzliches Verlangen/ damit erhebest du dich zu Gott hoch/ von der Erden; In der Liebe zu deinem Nächsten läst du dich herunter/ und dienest deinem Nächsten/ womit du kanst/ und durch hertzliche Erbarmung sihest du seine Noth an/ als deine Noth. Wenn du also nebenst andern Tauben herumb fliehest/ da glimmerts und schimmerts. Wie die Federn und Flügel der Tauben/ wann sie in der klaren Sonnen herum fliehen/ glimmern und schim- mern/ als wenn sie mit Silber und Gold über- zogen wären; Also gläntzen wir in den Christli- chen Tugenden und schönen Gaben deß heiligen Geistes. Diese Tauben-Flucht hat Esaias im Geist gesehen/ wenn er saget c. 60. v. 8: Wer sind die/ welche fliegen wie die Wolcken und wie die Tauben zu ihren Fenstern: Die- ser Glantz verläst uns nicht/ wenn wir schon im Rauch und in der Aschen sitzen/ ja da leuchtet un- ser schmuck erst recht herfür. Je grösser die Noth ist/ je mehr sich die Krafft deß Geistes sehen lässt. Nie- X v
Die vierdte Betrachtung. und lebet von reinem Korn. Du auch/ meineSeele/ muſt rein ſeyn/ und rein Korn in dein Kröpfflein ſammlen. Das reine Wort Got- tes/ das muß dein Leben ſeyn. Deine Flügel/ damit du auff und nieder flieheſt/ iſt die brünſti- ge Liebe/ die Liebe zu GOtt und den Menſchen. Die Liebe zu Gott begreifft in ſich ein hertzliches Verlangen/ damit erhebeſt du dich zu Gott hoch/ von der Erden; In der Liebe zu deinem Nächſten läſt du dich herunter/ uñ dieneſt deinem Nächſtẽ/ womit du kanſt/ und durch hertzliche Erbarmung ſiheſt du ſeine Noth an/ als deine Noth. Wenn du alſo nebenſt andern Tauben herumb flieheſt/ da glimmerts und ſchimmerts. Wie die Federn und Flügel der Tauben/ wann ſie in der klaren Sonnen herum fliehen/ glimmern und ſchim- mern/ als wenn ſie mit Silber und Gold über- zogen wären; Alſo gläntzen wir in den Chriſtli- chen Tugenden und ſchönen Gaben deß heiligen Geiſtes. Dieſe Tauben-Flucht hat Eſaias im Geiſt geſehen/ wenn er ſaget c. 60. v. 8: Wer ſind die/ welche fliegen wie die Wolcken und wie die Tauben zu ihren Fenſtern: Die- ſer Glantz verläſt uns nicht/ wenn wir ſchon im Rauch und in der Aſchen ſitzen/ ja da leuchtet un- ſer ſchmuck erſt recht herfür. Je gröſſer die Noth iſt/ je mehr ſich die Krafft deß Geiſtes ſehen läſſt. Nie- X v
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Die vierdte Betrachtung.
und lebet von reinem Korn. Du auch/ meine
Seele/ muſt rein ſeyn/ und rein Korn in dein
Kröpfflein ſammlen. Das reine Wort Got-
tes/ das muß dein Leben ſeyn. Deine Flügel/
damit du auff und nieder flieheſt/ iſt die brünſti-
ge Liebe/ die Liebe zu GOtt und den Menſchen.
Die Liebe zu Gott begreifft in ſich ein hertzliches
Verlangen/ damit erhebeſt du dich zu Gott hoch/
von der Erden; In der Liebe zu deinem Nächſten
läſt du dich herunter/ uñ dieneſt deinem Nächſtẽ/
womit du kanſt/ und durch hertzliche Erbarmung
ſiheſt du ſeine Noth an/ als deine Noth. Wenn du
alſo nebenſt andern Tauben herumb flieheſt/ da
glimmerts und ſchimmerts. Wie die Federn
und Flügel der Tauben/ wann ſie in der klaren
Sonnen herum fliehen/ glimmern und ſchim-
mern/ als wenn ſie mit Silber und Gold über-
zogen wären; Alſo gläntzen wir in den Chriſtli-
chen Tugenden und ſchönen Gaben deß heiligen
Geiſtes. Dieſe Tauben-Flucht hat Eſaias im
Geiſt geſehen/ wenn er ſaget c. 60. v. 8: Wer
ſind die/ welche fliegen wie die Wolcken
und wie die Tauben zu ihren Fenſtern: Die-
ſer Glantz verläſt uns nicht/ wenn wir ſchon im
Rauch und in der Aſchen ſitzen/ ja da leuchtet un-
ſer ſchmuck erſt recht herfür. Je gröſſer die Noth
iſt/ je mehr ſich die Krafft deß Geiſtes ſehen läſſt.
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