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Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.

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Die andere Betrachtung.
HErr höret mich/ und tröstet mich; oder viel-
mehr/ der HErr erhöret mich/ daß ich kam
auff weitem Raum
/ v. 5.

Wenn David saget von Angst/ gibt er so
viel zu verstehen/ daß Christen nicht allezeit
werden auff Rosen tantzen. Wenn man einen
Christen suchen wil/ muß man ihn nicht suchen
in offenbahrlicher Freude vor der Welt/ man
wird ihn wohl finden in der Presse/ darunter das
Hertze gedrückt und so geängstiget wird/ daß es
kaum Odem schöpffen kan. Das Christen-
thum bringet nicht mit sich ohn Angst leben/
sondern in der Angst nicht bestecken bleiben.
Was muß man aber thun? Sich mit dem Ge-
dancken beissen und plagen/ thuts ihm nicht/
Klagen/ Murren und Fluchen vielweniger/ da-
durch machen wir uns das Unglück nur grösser.
Der Christen Kunst ist ruffen. In der Angst
rieff ich. Fast alle Thierlein ruffen/ wann sie
in der Angst seyn/ auch dieselbe/ die sonsten ihr
lebenlang keine Stimme von sich geben/ und
eben das ist auch die Kunst der Christen/ wenn
ich in der Angst bin/ ruffe ich/ doch aber zum
Herrn. Unser Glaube kennet Gott/ und weiß/
was er an Gott hat/ daher kommt das gute Ver-
trauen. In solchem Vertrauen ruffen wir/ so
offt wir in der Angst seyn. Wenn das geschicht/

so

Die andere Betrachtung.
HErr höret mich/ und tröſtet mich; oder viel-
mehr/ der HErr erhöret mich/ daß ich kam
auff weitem Raum
/ v. 5.

Wenn David ſaget von Angſt/ gibt er ſo
viel zu verſtehen/ daß Chriſten nicht allezeit
werden auff Roſen tantzen. Wenn man einen
Chriſten ſuchen wil/ muß man ihn nicht ſuchen
in offenbahrlicher Freude vor der Welt/ man
wird ihn wohl finden in der Preſſe/ darunter das
Hertze gedrückt und ſo geängſtiget wird/ daß es
kaum Odem ſchöpffen kan. Das Chriſten-
thum bringet nicht mit ſich ohn Angſt leben/
ſondern in der Angſt nicht beſtecken bleiben.
Was muß man aber thun? Sich mit dem Ge-
dancken beiſſen und plagen/ thuts ihm nicht/
Klagen/ Murren und Fluchen vielweniger/ da-
durch machen wir uns das Unglück nur gröſſer.
Der Chriſten Kunſt iſt ruffen. In der Angſt
rieff ich. Faſt alle Thierlein ruffen/ wann ſie
in der Angſt ſeyn/ auch dieſelbe/ die ſonſten ihr
lebenlang keine Stimme von ſich geben/ und
eben das iſt auch die Kunſt der Chriſten/ wenn
ich in der Angſt bin/ ruffe ich/ doch aber zum
Herrn. Unſer Glaube kennet Gott/ und weiß/
was er an Gott hat/ daher kommt das gute Ver-
trauen. In ſolchem Vertrauen ruffen wir/ ſo
offt wir in der Angſt ſeyn. Wenn das geſchicht/

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[685/0708] Die andere Betrachtung. HErr höret mich/ und tröſtet mich; oder viel- mehr/ der HErr erhöret mich/ daß ich kam auff weitem Raum/ v. 5. Wenn David ſaget von Angſt/ gibt er ſo viel zu verſtehen/ daß Chriſten nicht allezeit werden auff Roſen tantzen. Wenn man einen Chriſten ſuchen wil/ muß man ihn nicht ſuchen in offenbahrlicher Freude vor der Welt/ man wird ihn wohl finden in der Preſſe/ darunter das Hertze gedrückt und ſo geängſtiget wird/ daß es kaum Odem ſchöpffen kan. Das Chriſten- thum bringet nicht mit ſich ohn Angſt leben/ ſondern in der Angſt nicht beſtecken bleiben. Was muß man aber thun? Sich mit dem Ge- dancken beiſſen und plagen/ thuts ihm nicht/ Klagen/ Murren und Fluchen vielweniger/ da- durch machen wir uns das Unglück nur gröſſer. Der Chriſten Kunſt iſt ruffen. In der Angſt rieff ich. Faſt alle Thierlein ruffen/ wann ſie in der Angſt ſeyn/ auch dieſelbe/ die ſonſten ihr lebenlang keine Stimme von ſich geben/ und eben das iſt auch die Kunſt der Chriſten/ wenn ich in der Angſt bin/ ruffe ich/ doch aber zum Herrn. Unſer Glaube kennet Gott/ und weiß/ was er an Gott hat/ daher kommt das gute Ver- trauen. In ſolchem Vertrauen ruffen wir/ ſo offt wir in der Angſt ſeyn. Wenn das geſchicht/ ſo

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Zitationshilfe: Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/708>, abgerufen am 22.11.2024.