Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

über den 33. Psalm

dem Herrn/ und er misset gleich alle ihre
Gänge. Das menschliche Gemüth ist wie ein
Weg/ und wie eine Reise. In einer Reise fol-
get ein Schrit auff den andern; Also folget in
unserm Gemüth ein Gedancke auff dem an-
dern/ da weiß der Mensch selbst nicht wie ein
Gedancke auff den andern folget/ er kan es selbst
nicht mercken/ er kommt offt auff Gedancken/
und weiß nicht wie er darauff kömmt/ und ob er
ihm schon nachsinnet/ kan ers doch kaum finden;
Gott aber merckt gar genau darauff. Er siehet
nicht allein auff unsern Weg/ sondern misset auch
alle unsere Gänge. So einen genauen Auff-
mercker haben wir. Im 90. Psalm v. 9. beken-
nen wir/ daß Gott unser unerkannte Sünde
ins Liecht stelle vor seinem Angesichte/ ist
eben/ als wann ich im finstern etwas finde/ und
solches beym Licht beschaue. Wir gedencken
und thun viel gleichsam im finstern und im Ver-
borgen/ aber GOtt nimmt es und beleucht es
und besiehet es beym Licht durch und durch.

Zum dritten lencket GOtt allen Menschen
das Hertz. Die heilige Schrifft nennet GOtt
einen Töpffer/ und die Menschen Thon/ als
beym Esaia am 64. v. 8. HErr/ du bist unser
Vater/ wir sind Thon/ du bist unser Töpf-
fer/ und wir alle sind deiner Hände Werck.

Nun

über den 33. Pſalm

dem Herrn/ und er miſſet gleich alle ihre
Gänge. Das menſchliche Gemüth iſt wie ein
Weg/ und wie eine Reiſe. In einer Reiſe fol-
get ein Schrit auff den andern; Alſo folget in
unſerm Gemüth ein Gedancke auff dem an-
dern/ da weiß der Menſch ſelbſt nicht wie ein
Gedancke auff den andern folget/ er kan es ſelbſt
nicht mercken/ er kommt offt auff Gedancken/
und weiß nicht wie er darauff kömmt/ und ob er
ihm ſchon nachſinnet/ kan ers doch kaum finden;
Gott aber merckt gar genau darauff. Er ſiehet
nicht allein auff unſern Weg/ ſondern miſſet auch
alle unſere Gänge. So einen genauen Auff-
mercker haben wir. Im 90. Pſalm v. 9. beken-
nen wir/ daß Gott unſer unerkannte Sünde
ins Liecht ſtelle vor ſeinem Angeſichte/ iſt
eben/ als wann ich im finſtern etwas finde/ und
ſolches beym Licht beſchaue. Wir gedencken
und thun viel gleichſam im finſtern und im Ver-
borgen/ aber GOtt nimmt es und beleucht es
und beſiehet es beym Licht durch und durch.

Zum dritten lencket GOtt allen Menſchen
das Hertz. Die heilige Schrifft nennet GOtt
einen Töpffer/ und die Menſchen Thon/ als
beym Eſaia am 64. v. 8. HErr/ du biſt unſer
Vater/ wir ſind Thon/ du biſt unſer Töpf-
fer/ und wir alle ſind deiner Hände Werck.

Nun
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0081" n="58"/><fw place="top" type="header">über den 33. P&#x017F;alm</fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#fr">dem Herrn/ und er mi&#x017F;&#x017F;et gleich alle ihre<lb/>
Gänge.</hi> Das men&#x017F;chliche Gemüth i&#x017F;t wie ein<lb/>
Weg/ und wie eine Rei&#x017F;e. In einer Rei&#x017F;e fol-<lb/>
get ein Schrit auff den andern; Al&#x017F;o folget in<lb/>
un&#x017F;erm Gemüth ein Gedancke auff dem an-<lb/>
dern/ da weiß der Men&#x017F;ch &#x017F;elb&#x017F;t nicht wie ein<lb/>
Gedancke auff den andern folget/ er kan es &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nicht mercken/ er kommt offt auff Gedancken/<lb/>
und weiß nicht wie er darauff kömmt/ und ob er<lb/>
ihm &#x017F;chon nach&#x017F;innet/ kan ers doch kaum finden;<lb/>
Gott aber merckt gar genau darauff. Er &#x017F;iehet<lb/>
nicht allein auff un&#x017F;ern Weg/ &#x017F;ondern mi&#x017F;&#x017F;et auch<lb/>
alle un&#x017F;ere Gänge. So einen genauen Auff-<lb/>
mercker haben wir. Im 90. P&#x017F;alm v. 9. beken-<lb/>
nen wir/ <hi rendition="#fr">daß Gott un&#x017F;er unerkannte Sünde<lb/>
ins Liecht &#x017F;telle vor &#x017F;einem Ange&#x017F;ichte</hi>/ i&#x017F;t<lb/>
eben/ als wann ich im fin&#x017F;tern etwas finde/ und<lb/>
&#x017F;olches beym Licht be&#x017F;chaue. Wir gedencken<lb/>
und thun viel gleich&#x017F;am im fin&#x017F;tern und im Ver-<lb/>
borgen/ aber GOtt nimmt es und beleucht es<lb/>
und be&#x017F;iehet es beym Licht durch und durch.</p><lb/>
          <p>Zum dritten <hi rendition="#fr">lencket</hi> GOtt allen Men&#x017F;chen<lb/>
das Hertz. Die heilige Schrifft nennet GOtt<lb/>
einen Töpffer/ und die Men&#x017F;chen Thon/ als<lb/>
beym E&#x017F;aia am 64. v. 8. <hi rendition="#fr">HErr/ du bi&#x017F;t un&#x017F;er<lb/>
Vater/ wir &#x017F;ind Thon/ du bi&#x017F;t un&#x017F;er Töpf-<lb/>
fer/ und wir alle &#x017F;ind deiner Hände Werck.</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Nun</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0081] über den 33. Pſalm dem Herrn/ und er miſſet gleich alle ihre Gänge. Das menſchliche Gemüth iſt wie ein Weg/ und wie eine Reiſe. In einer Reiſe fol- get ein Schrit auff den andern; Alſo folget in unſerm Gemüth ein Gedancke auff dem an- dern/ da weiß der Menſch ſelbſt nicht wie ein Gedancke auff den andern folget/ er kan es ſelbſt nicht mercken/ er kommt offt auff Gedancken/ und weiß nicht wie er darauff kömmt/ und ob er ihm ſchon nachſinnet/ kan ers doch kaum finden; Gott aber merckt gar genau darauff. Er ſiehet nicht allein auff unſern Weg/ ſondern miſſet auch alle unſere Gänge. So einen genauen Auff- mercker haben wir. Im 90. Pſalm v. 9. beken- nen wir/ daß Gott unſer unerkannte Sünde ins Liecht ſtelle vor ſeinem Angeſichte/ iſt eben/ als wann ich im finſtern etwas finde/ und ſolches beym Licht beſchaue. Wir gedencken und thun viel gleichſam im finſtern und im Ver- borgen/ aber GOtt nimmt es und beleucht es und beſiehet es beym Licht durch und durch. Zum dritten lencket GOtt allen Menſchen das Hertz. Die heilige Schrifft nennet GOtt einen Töpffer/ und die Menſchen Thon/ als beym Eſaia am 64. v. 8. HErr/ du biſt unſer Vater/ wir ſind Thon/ du biſt unſer Töpf- fer/ und wir alle ſind deiner Hände Werck. Nun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/81
Zitationshilfe: Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/81>, abgerufen am 24.11.2024.