wirklich, dass die Zeiten blos einfach | wuchsen, wäh- rend die Fallräume quadratisch fortschritten. Damit war also die Folgerung aus Galilei's Annahme und sonach auch die Annahme selbst durch das Experiment bestätigt.
5. Um sich eine Vorstellung über das Verhältniss der Bewegungen auf der schiefen Ebene und im freien Falle zu bilden, macht Galilei die Annahme, dass ein Körper, der durch die Höhe der schiefen Ebene fällt, dieselbe Endgeschwindigkeit erreicht, wie ein Körper, der ihre Länge durchfällt. Das ist eine Annahme, die uns etwas gewagt erscheint; in der Weise aber, wie sie Galilei aufgestellt und durchgeführt hat, ist sie ganz na- türlich. Wir wollen versuchen, den Weg, auf dem er dazu geführt wurde, einfach auseinanderzusetzen. Er sagt: Wenn ein Körper frei herabfällt, so nimmt dessen Geschwindigkeit proportional der Fallzeit zu. Wenn nun der Körper unten angekommen ist, so denken wir uns die Geschwindigkeit umgekehrt und aufwärts ge- richtet, wir sehen dann, dass der Körper aufwärts steigt. Wir machen die Wahrnehmung, dass seine jetzige Be- wegung sozusagen ein Spiegelbild der frühern ist. Wie die Geschwindigkeit vorher proportional der Fallzeit zugenommen hat, so wird sie jetzt umgekehrt abnehmen. Wenn der Körper ebenso lange steigt, als er gefallen ist, und wenn er die ursprüngliche Höhe wieder erreicht hat, so ist seine Geschwindigkeit auf Null reducirt. Wir erkennen also, dass ein Körper vermöge der er- langten Fallgeschwindigkeit gerade so hoch steigt, als er herabgefallen ist. Wenn nun ein Körper auf der schiefen Ebene fallend eine Geschwindigkeit erlangen könnte, mit welcher er, auf eine anders geneigte Ebene gesetzt, höher zu steigen vermöchte, als er herabge- fallen ist, so könnte man durch die Schwere selbst eine Erhebung der Körper hervorbringen. Es liegt also in dieser Annahme, dass die erlangte Fallgeschwindig- keit lediglich von der verticalen Fallhöhe abhängt und von der Neigung der Bahn unabhängig ist, nichts wei- ter als die widerspruchslose Auffassung und Anerkennung
Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
wirklich, dass die Zeiten blos einfach | wuchsen, wäh- rend die Fallräume quadratisch fortschritten. Damit war also die Folgerung aus Galilei’s Annahme und sonach auch die Annahme selbst durch das Experiment bestätigt.
5. Um sich eine Vorstellung über das Verhältniss der Bewegungen auf der schiefen Ebene und im freien Falle zu bilden, macht Galilei die Annahme, dass ein Körper, der durch die Höhe der schiefen Ebene fällt, dieselbe Endgeschwindigkeit erreicht, wie ein Körper, der ihre Länge durchfällt. Das ist eine Annahme, die uns etwas gewagt erscheint; in der Weise aber, wie sie Galilei aufgestellt und durchgeführt hat, ist sie ganz na- türlich. Wir wollen versuchen, den Weg, auf dem er dazu geführt wurde, einfach auseinanderzusetzen. Er sagt: Wenn ein Körper frei herabfällt, so nimmt dessen Geschwindigkeit proportional der Fallzeit zu. Wenn nun der Körper unten angekommen ist, so denken wir uns die Geschwindigkeit umgekehrt und aufwärts ge- richtet, wir sehen dann, dass der Körper aufwärts steigt. Wir machen die Wahrnehmung, dass seine jetzige Be- wegung sozusagen ein Spiegelbild der frühern ist. Wie die Geschwindigkeit vorher proportional der Fallzeit zugenommen hat, so wird sie jetzt umgekehrt abnehmen. Wenn der Körper ebenso lange steigt, als er gefallen ist, und wenn er die ursprüngliche Höhe wieder erreicht hat, so ist seine Geschwindigkeit auf Null reducirt. Wir erkennen also, dass ein Körper vermöge der er- langten Fallgeschwindigkeit gerade so hoch steigt, als er herabgefallen ist. Wenn nun ein Körper auf der schiefen Ebene fallend eine Geschwindigkeit erlangen könnte, mit welcher er, auf eine anders geneigte Ebene gesetzt, höher zu steigen vermöchte, als er herabge- fallen ist, so könnte man durch die Schwere selbst eine Erhebung der Körper hervorbringen. Es liegt also in dieser Annahme, dass die erlangte Fallgeschwindig- keit lediglich von der verticalen Fallhöhe abhängt und von der Neigung der Bahn unabhängig ist, nichts wei- ter als die widerspruchslose Auffassung und Anerkennung
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Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
wirklich, dass die Zeiten blos einfach | wuchsen, wäh-
rend die Fallräume quadratisch fortschritten. Damit
war also die Folgerung aus Galilei’s Annahme und sonach
auch die Annahme selbst durch das Experiment bestätigt.
5. Um sich eine Vorstellung über das Verhältniss
der Bewegungen auf der schiefen Ebene und im freien
Falle zu bilden, macht Galilei die Annahme, dass ein
Körper, der durch die Höhe der schiefen Ebene fällt,
dieselbe Endgeschwindigkeit erreicht, wie ein Körper,
der ihre Länge durchfällt. Das ist eine Annahme, die
uns etwas gewagt erscheint; in der Weise aber, wie sie
Galilei aufgestellt und durchgeführt hat, ist sie ganz na-
türlich. Wir wollen versuchen, den Weg, auf dem er
dazu geführt wurde, einfach auseinanderzusetzen. Er
sagt: Wenn ein Körper frei herabfällt, so nimmt dessen
Geschwindigkeit proportional der Fallzeit zu. Wenn
nun der Körper unten angekommen ist, so denken wir
uns die Geschwindigkeit umgekehrt und aufwärts ge-
richtet, wir sehen dann, dass der Körper aufwärts steigt.
Wir machen die Wahrnehmung, dass seine jetzige Be-
wegung sozusagen ein Spiegelbild der frühern ist. Wie
die Geschwindigkeit vorher proportional der Fallzeit
zugenommen hat, so wird sie jetzt umgekehrt abnehmen.
Wenn der Körper ebenso lange steigt, als er gefallen
ist, und wenn er die ursprüngliche Höhe wieder erreicht
hat, so ist seine Geschwindigkeit auf Null reducirt.
Wir erkennen also, dass ein Körper vermöge der er-
langten Fallgeschwindigkeit gerade so hoch steigt, als
er herabgefallen ist. Wenn nun ein Körper auf der
schiefen Ebene fallend eine Geschwindigkeit erlangen
könnte, mit welcher er, auf eine anders geneigte Ebene
gesetzt, höher zu steigen vermöchte, als er herabge-
fallen ist, so könnte man durch die Schwere selbst
eine Erhebung der Körper hervorbringen. Es liegt also
in dieser Annahme, dass die erlangte Fallgeschwindig-
keit lediglich von der verticalen Fallhöhe abhängt und
von der Neigung der Bahn unabhängig ist, nichts wei-
ter als die widerspruchslose Auffassung und Anerkennung
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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/135>, abgerufen am 24.11.2024.
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