1. Wenn wir die Entwickelungsperiode der Dynamik überblicken, welche durch Galilei eingeleitet, durch Huyghens weiter geführt, durch Newton abgeschlossen wurde, so stellt sich als Hauptergebniss die Erkennt- niss dar, dass die Körper gegenseitig aneinander von räumlichen und materiellen Umständen abhängige Be- schleunigungen bestimmen, und dass es Massen gibt. Dass die Erkenntniss dieser Thatsachen sich in so vielen Sätzen darstellt, hat lediglich einen histori- schen Grund; sie wurde nicht auf einmal, sondern schrittweise gewonnen. Es ist eigentlich nur eine grosse Thatsache, die festgestellt worden ist. Ver- schiedene Körperpaare bestimmen unabhängig vonein- ander an sich selbst Beschleunigungspaare, deren Glieder das für jedes Körperpaar charakteristische unveränder- liche Verhältniss darbieten. Selbst so bedeutende Men- schen wie Galilei, Huyghens und Newton konnten diese Thatsache nicht auf einmal erschauen, sondern nur stückweise erkennen, wie sich dies in dem Fallgesetze, dem besondern Trägheitsgesetze, dem Princip des Kräftenparallelogramms, dem Massenbegriff u. s. w. aus- spricht. Heute hat es keine Schwierigkeit mehr, die Einheit der ganzen Thatsache zu durchblicken. Nur das praktische Bedürfniss der Mittheilung kann die stückweise Darstellung durch mehrere Sätze (deren Zahl eigentlich nur durch den wissenschaftlichen Geschmack bestimmt wird) rechtfertigen. Die Erinnerung an die über die Begriffe Zeit, Trägheit u. s. w. gegebenen Ausführungen befestigt übrigens gewiss die Ueber- zeugung, dass genau genommen selbst heute die ganze fragliche Thatsache noch nicht nach allen Seiten voll- ständig erkannt ist.
Mit den "unbekannten Ursachen" der Naturvorgänge hat der gewonnene Standpunkt (wie Newton ausdrück- lich hervorhebt) nichts zu schaffen. Was wir heute in der Mechanik Kraft nennen, ist nicht etwas in den Vor-
Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
8. Rückblick auf die Entwickelung der Dynamik.
1. Wenn wir die Entwickelungsperiode der Dynamik überblicken, welche durch Galilei eingeleitet, durch Huyghens weiter geführt, durch Newton abgeschlossen wurde, so stellt sich als Hauptergebniss die Erkennt- niss dar, dass die Körper gegenseitig aneinander von räumlichen und materiellen Umständen abhängige Be- schleunigungen bestimmen, und dass es Massen gibt. Dass die Erkenntniss dieser Thatsachen sich in so vielen Sätzen darstellt, hat lediglich einen histori- schen Grund; sie wurde nicht auf einmal, sondern schrittweise gewonnen. Es ist eigentlich nur eine grosse Thatsache, die festgestellt worden ist. Ver- schiedene Körperpaare bestimmen unabhängig vonein- ander an sich selbst Beschleunigungspaare, deren Glieder das für jedes Körperpaar charakteristische unveränder- liche Verhältniss darbieten. Selbst so bedeutende Men- schen wie Galilei, Huyghens und Newton konnten diese Thatsache nicht auf einmal erschauen, sondern nur stückweise erkennen, wie sich dies in dem Fallgesetze, dem besondern Trägheitsgesetze, dem Princip des Kräftenparallelogramms, dem Massenbegriff u. s. w. aus- spricht. Heute hat es keine Schwierigkeit mehr, die Einheit der ganzen Thatsache zu durchblicken. Nur das praktische Bedürfniss der Mittheilung kann die stückweise Darstellung durch mehrere Sätze (deren Zahl eigentlich nur durch den wissenschaftlichen Geschmack bestimmt wird) rechtfertigen. Die Erinnerung an die über die Begriffe Zeit, Trägheit u. s. w. gegebenen Ausführungen befestigt übrigens gewiss die Ueber- zeugung, dass genau genommen selbst heute die ganze fragliche Thatsache noch nicht nach allen Seiten voll- ständig erkannt ist.
Mit den „unbekannten Ursachen‟ der Naturvorgänge hat der gewonnene Standpunkt (wie Newton ausdrück- lich hervorhebt) nichts zu schaffen. Was wir heute in der Mechanik Kraft nennen, ist nicht etwas in den Vor-
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Die Entwickelung der Principien der Dynamik.
8. Rückblick auf die Entwickelung der Dynamik.
1. Wenn wir die Entwickelungsperiode der Dynamik
überblicken, welche durch Galilei eingeleitet, durch
Huyghens weiter geführt, durch Newton abgeschlossen
wurde, so stellt sich als Hauptergebniss die Erkennt-
niss dar, dass die Körper gegenseitig aneinander von
räumlichen und materiellen Umständen abhängige Be-
schleunigungen bestimmen, und dass es Massen
gibt. Dass die Erkenntniss dieser Thatsachen sich in
so vielen Sätzen darstellt, hat lediglich einen histori-
schen Grund; sie wurde nicht auf einmal, sondern
schrittweise gewonnen. Es ist eigentlich nur eine
grosse Thatsache, die festgestellt worden ist. Ver-
schiedene Körperpaare bestimmen unabhängig vonein-
ander an sich selbst Beschleunigungspaare, deren Glieder
das für jedes Körperpaar charakteristische unveränder-
liche Verhältniss darbieten. Selbst so bedeutende Men-
schen wie Galilei, Huyghens und Newton konnten diese
Thatsache nicht auf einmal erschauen, sondern nur
stückweise erkennen, wie sich dies in dem Fallgesetze,
dem besondern Trägheitsgesetze, dem Princip des
Kräftenparallelogramms, dem Massenbegriff u. s. w. aus-
spricht. Heute hat es keine Schwierigkeit mehr, die
Einheit der ganzen Thatsache zu durchblicken. Nur
das praktische Bedürfniss der Mittheilung kann die
stückweise Darstellung durch mehrere Sätze (deren Zahl
eigentlich nur durch den wissenschaftlichen Geschmack
bestimmt wird) rechtfertigen. Die Erinnerung an die
über die Begriffe Zeit, Trägheit u. s. w. gegebenen
Ausführungen befestigt übrigens gewiss die Ueber-
zeugung, dass genau genommen selbst heute die ganze
fragliche Thatsache noch nicht nach allen Seiten voll-
ständig erkannt ist.
Mit den „unbekannten Ursachen‟ der Naturvorgänge
hat der gewonnene Standpunkt (wie Newton ausdrück-
lich hervorhebt) nichts zu schaffen. Was wir heute in
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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/241>, abgerufen am 23.11.2024.
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