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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Die weitere Verwendung der Principien u. s. w.
sche Satz ist nun von der Art, dass er sowol dyna-
mische als statische Fälle umfasst; er entspricht also
in dieser Richtung der Forderung der wissenschaftlichen
und logischen Aesthetik. Es wurde schon bemerkt,
dass dies eigentlich auch beim D'Alembert'schen Satz
in der Lagrange'schen Form und bei der angeführten
Ausdrucksweise zutrifft. Ein wesentlich neues Prin-
cip der Mechanik, bemerkt Gauss, könne nicht mehr auf-
gestellt werden, was aber die Auffindung neuer Gesichts-
punkte, von welchen aus die mechanischen Vorgänge
betrachtet werden können, nicht ausschliesst. Ein solcher
neuer Gesichtspunkt wird nun durch den Gauss'-
schen Satz angegeben.

2. Es seien mm' .... Massen, die sich in irgend-
welchen Verbindungen befinden. Wären die Massen
frei, so würden sie durch die angreifenden Kräfte in
einem sehr kleinen Zeitelement die Wege ab, a'b' ....
zurücklegen, während sie in-
folge der Verbindungen
in demselben Zeitelement
die Wege ac, a'c' .... be-
schreiben. Die Bewegung
der verbundenen Punkte
findet nun nach dem Gauss'-
schen Satz so statt, dass bei
der wirklichen Bewegung

[Abbildung] Fig. 177 b.
die Summe [Formel 1]
ein Minimum wird, d. h. kleiner ausfällt als bei jeder an-
dern bei denselben Verbindungen denkbaren Bewegung.
Wenn jede Bewegung eine grössere Summe [S]m(bc)2
darbietet als die Ruhe, so besteht Gleichgewicht. Der
Satz schliesst also statische und dynamische Fälle in
gleicher Weise ein.

Wir können die Summe [S]m(bc)2 kurz die Ab-
weichungssumme
oder die Abweichung von der un-
gehinderten Bewegung nennen. Dass bei Bildung
der Abweichungssumme die im System vorhandenen Ge-
schwindigkeiten aus der Betrachtung fallen, weil durch

Die weitere Verwendung der Principien u. s. w.
sche Satz ist nun von der Art, dass er sowol dyna-
mische als statische Fälle umfasst; er entspricht also
in dieser Richtung der Forderung der wissenschaftlichen
und logischen Aesthetik. Es wurde schon bemerkt,
dass dies eigentlich auch beim D’Alembert’schen Satz
in der Lagrange’schen Form und bei der angeführten
Ausdrucksweise zutrifft. Ein wesentlich neues Prin-
cip der Mechanik, bemerkt Gauss, könne nicht mehr auf-
gestellt werden, was aber die Auffindung neuer Gesichts-
punkte, von welchen aus die mechanischen Vorgänge
betrachtet werden können, nicht ausschliesst. Ein solcher
neuer Gesichtspunkt wird nun durch den Gauss’-
schen Satz angegeben.

2. Es seien mm .... Massen, die sich in irgend-
welchen Verbindungen befinden. Wären die Massen
frei, so würden sie durch die angreifenden Kräfte in
einem sehr kleinen Zeitelement die Wege ab, ab ....
zurücklegen, während sie in-
folge der Verbindungen
in demselben Zeitelement
die Wege ac, ac .... be-
schreiben. Die Bewegung
der verbundenen Punkte
findet nun nach dem Gauss’-
schen Satz so statt, dass bei
der wirklichen Bewegung

[Abbildung] Fig. 177 b.
die Summe [Formel 1]
ein Minimum wird, d. h. kleiner ausfällt als bei jeder an-
dern bei denselben Verbindungen denkbaren Bewegung.
Wenn jede Bewegung eine grössere Summe [Σ]m(bc)2
darbietet als die Ruhe, so besteht Gleichgewicht. Der
Satz schliesst also statische und dynamische Fälle in
gleicher Weise ein.

Wir können die Summe [Σ]m(bc)2 kurz die Ab-
weichungssumme
oder die Abweichung von der un-
gehinderten Bewegung nennen. Dass bei Bildung
der Abweichungssumme die im System vorhandenen Ge-
schwindigkeiten aus der Betrachtung fallen, weil durch

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[327/0339] Die weitere Verwendung der Principien u. s. w. sche Satz ist nun von der Art, dass er sowol dyna- mische als statische Fälle umfasst; er entspricht also in dieser Richtung der Forderung der wissenschaftlichen und logischen Aesthetik. Es wurde schon bemerkt, dass dies eigentlich auch beim D’Alembert’schen Satz in der Lagrange’schen Form und bei der angeführten Ausdrucksweise zutrifft. Ein wesentlich neues Prin- cip der Mechanik, bemerkt Gauss, könne nicht mehr auf- gestellt werden, was aber die Auffindung neuer Gesichts- punkte, von welchen aus die mechanischen Vorgänge betrachtet werden können, nicht ausschliesst. Ein solcher neuer Gesichtspunkt wird nun durch den Gauss’- schen Satz angegeben. 2. Es seien mm′ .... Massen, die sich in irgend- welchen Verbindungen befinden. Wären die Massen frei, so würden sie durch die angreifenden Kräfte in einem sehr kleinen Zeitelement die Wege ab, a′b′ .... zurücklegen, während sie in- folge der Verbindungen in demselben Zeitelement die Wege ac, a′c′ .... be- schreiben. Die Bewegung der verbundenen Punkte findet nun nach dem Gauss’- schen Satz so statt, dass bei der wirklichen Bewegung [Abbildung Fig. 177 b.] die Summe [FORMEL] ein Minimum wird, d. h. kleiner ausfällt als bei jeder an- dern bei denselben Verbindungen denkbaren Bewegung. Wenn jede Bewegung eine grössere Summe Σm(bc)2 darbietet als die Ruhe, so besteht Gleichgewicht. Der Satz schliesst also statische und dynamische Fälle in gleicher Weise ein. Wir können die Summe Σm(bc)2 kurz die Ab- weichungssumme oder die Abweichung von der un- gehinderten Bewegung nennen. Dass bei Bildung der Abweichungssumme die im System vorhandenen Ge- schwindigkeiten aus der Betrachtung fallen, weil durch

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/339>, abgerufen am 24.11.2024.