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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Die formelle Entwickelung der Mechanik.
hunderts. Euler in seinen "Briefen an eine deutsche
Prinzessin" behandelt mitten unter naturwissenschaft-
lichen Fragen auch theologisch-philosophische. Er be-
spricht die Schwierigkeit, bei der gänzlichen Verschieden-
heit von Körper und Geist, die für ihn feststeht, die
Wechselbeziehung beider zu begreifen. Zwar will ihm
das von Descartes und seinen Nachfolgern entwickelte
System des Occasionalismus nicht recht gefallen, wonach
Gott zu jeder Absicht der Seele die entsprechende Be-
wegung des Körpers ausführt, weil die Seele selbst
dies nicht im Stande ist. Er verspottet auch nicht
ohne Witz die prästabilirte Harmonie, nach welcher von
Ewigkeit her Einklang zwischen den Bewegungen des
Körpers und den Absichten der Seele hergestellt ist,
obgleich beide einander gar nichts angehen, gerade so
wie zwischen zwei verschiedenen, aber genau gleich-
gehenden Uhren. Er bemerkt, dass nach dieser An-
sicht sein eigener Leib ihm eigentlich so fremd sei,
wie der eines Rhinoceros mitten in Afrika, welcher
ebensowol in prästabilirter Harmonie mit seiner Seele
sein könnte. Hören wir ihn selbst. Man schrieb da-
mals fast nur lateinisch. Wollte ein deutscher Gelehrter
einmal besonders herablassend sein, und deutsch schrei-
ben, so schrieb er französisch: "Si dans le cas d'un
dereglement de mon corps Dieu ajustait celui d'un
Rhinoceros, ensorte, que ses mouvements fussent telle-
ment d'accord avec les ordres de mon ame, qu'il levat
la patte au moment que je voudrais lever la main, et
ainsi des autres operations, ce serait alors mon corps.
Je me trouverais subitement dans la forme d'un Rhi-
noceros au milieu de l'Afrique, mais non obstant cela
mon ame continuerait les memes operations. J'aurais
egalement l'honneur d'ecrire a V. A., mais je ne sais
pas comment elle recevrait mes lettres." Fast möchte
man glauben, Eulern hätte die Lust angewandelt, einmal
Voltaire zu spielen. Und doch, so sehr er mit seiner
Kritik den Nagel auf den Kopf trifft, ist ihm die Wechsel-
wirkung von Leib und Seele ein Wunder. Und doch

Die formelle Entwickelung der Mechanik.
hunderts. Euler in seinen „Briefen an eine deutsche
Prinzessin‟ behandelt mitten unter naturwissenschaft-
lichen Fragen auch theologisch-philosophische. Er be-
spricht die Schwierigkeit, bei der gänzlichen Verschieden-
heit von Körper und Geist, die für ihn feststeht, die
Wechselbeziehung beider zu begreifen. Zwar will ihm
das von Descartes und seinen Nachfolgern entwickelte
System des Occasionalismus nicht recht gefallen, wonach
Gott zu jeder Absicht der Seele die entsprechende Be-
wegung des Körpers ausführt, weil die Seele selbst
dies nicht im Stande ist. Er verspottet auch nicht
ohne Witz die prästabilirte Harmonie, nach welcher von
Ewigkeit her Einklang zwischen den Bewegungen des
Körpers und den Absichten der Seele hergestellt ist,
obgleich beide einander gar nichts angehen, gerade so
wie zwischen zwei verschiedenen, aber genau gleich-
gehenden Uhren. Er bemerkt, dass nach dieser An-
sicht sein eigener Leib ihm eigentlich so fremd sei,
wie der eines Rhinoceros mitten in Afrika, welcher
ebensowol in prästabilirter Harmonie mit seiner Seele
sein könnte. Hören wir ihn selbst. Man schrieb da-
mals fast nur lateinisch. Wollte ein deutscher Gelehrter
einmal besonders herablassend sein, und deutsch schrei-
ben, so schrieb er französisch: „Si dans le cas d’un
dérèglement de mon corps Dieu ajustait celui d’un
Rhinoceros, ensorte, que ses mouvements fussent telle-
ment d’accord avec les ordres de mon âme, qu’il levât
la patte au moment que je voudrais lever la main, et
ainsi des autres opérations, ce serait alors mon corps.
Je me trouverais subitement dans la forme d’un Rhi-
noceros au milieu de l’Afrique, mais non obstant cela
mon âme continuerait les mêmes opérations. J’aurais
également l’honneur d’écrire à V. A., mais je ne sais
pas comment elle recevrait mes lettres.‟ Fast möchte
man glauben, Eulern hätte die Lust angewandelt, einmal
Voltaire zu spielen. Und doch, so sehr er mit seiner
Kritik den Nagel auf den Kopf trifft, ist ihm die Wechsel-
wirkung von Leib und Seele ein Wunder. Und doch

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[423/0435] Die formelle Entwickelung der Mechanik. hunderts. Euler in seinen „Briefen an eine deutsche Prinzessin‟ behandelt mitten unter naturwissenschaft- lichen Fragen auch theologisch-philosophische. Er be- spricht die Schwierigkeit, bei der gänzlichen Verschieden- heit von Körper und Geist, die für ihn feststeht, die Wechselbeziehung beider zu begreifen. Zwar will ihm das von Descartes und seinen Nachfolgern entwickelte System des Occasionalismus nicht recht gefallen, wonach Gott zu jeder Absicht der Seele die entsprechende Be- wegung des Körpers ausführt, weil die Seele selbst dies nicht im Stande ist. Er verspottet auch nicht ohne Witz die prästabilirte Harmonie, nach welcher von Ewigkeit her Einklang zwischen den Bewegungen des Körpers und den Absichten der Seele hergestellt ist, obgleich beide einander gar nichts angehen, gerade so wie zwischen zwei verschiedenen, aber genau gleich- gehenden Uhren. Er bemerkt, dass nach dieser An- sicht sein eigener Leib ihm eigentlich so fremd sei, wie der eines Rhinoceros mitten in Afrika, welcher ebensowol in prästabilirter Harmonie mit seiner Seele sein könnte. Hören wir ihn selbst. Man schrieb da- mals fast nur lateinisch. Wollte ein deutscher Gelehrter einmal besonders herablassend sein, und deutsch schrei- ben, so schrieb er französisch: „Si dans le cas d’un dérèglement de mon corps Dieu ajustait celui d’un Rhinoceros, ensorte, que ses mouvements fussent telle- ment d’accord avec les ordres de mon âme, qu’il levât la patte au moment que je voudrais lever la main, et ainsi des autres opérations, ce serait alors mon corps. Je me trouverais subitement dans la forme d’un Rhi- noceros au milieu de l’Afrique, mais non obstant cela mon âme continuerait les mêmes opérations. J’aurais également l’honneur d’écrire à V. A., mais je ne sais pas comment elle recevrait mes lettres.‟ Fast möchte man glauben, Eulern hätte die Lust angewandelt, einmal Voltaire zu spielen. Und doch, so sehr er mit seiner Kritik den Nagel auf den Kopf trifft, ist ihm die Wechsel- wirkung von Leib und Seele ein Wunder. Und doch

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/435>, abgerufen am 23.11.2024.