"Ueber die Anfänge der Cultur" das Zauberwesen, den Aberglauben und Wunderglauben, der sich bei allen wilden Völkern findet, studirt, und mit den Meinungen des Mittelalters über Hexerei verglichen. Die Aehn- lichkeit ist in der That auffallend. Und was im 16. und 17. Jahrhundert in Europa so häufig war, das Hexenverbrennen, das wird heute noch in Centralafrika fleissig betrieben. Auch bei uns finden sich noch, wie Tylor nachweist, Spuren dieser Zustände in einer Un- zahl von Gebräuchen, deren Verständniss uns mit dem veränderten Standpunkt verloren gegangen ist.
8. Die Naturwissenschaft ist diese Vorstellungen nur sehr langsam los geworden. Noch in dem berühmten Buche von Porta ("Magia naturalis"), welches im 16. Jahrhundert erschien, und wichtige physikalische Ent- deckungen enthält, finden sich Zaubereien und Teufeleien aller Art, welche jenen des indianischen "Medicin- mannes" wenig nachgeben. Erst durch Gilbert's Schrift "De magnete" (1600) wurde diesem Spuk eine ge- wisse Grenze gesetzt. Wenn noch Luther persönliche Begegnungen mit dem Teufel gehabt haben soll, wenn Kepler, dessen Muhme als Hexe verbrannt worden war, und dessen Mutter beinahe dasselbe Schicksal ereilt hätte, sagt, die Hexerei lasse sich nicht leugnen, und wenn er nicht wagt, sich frei über die Astrologie aus- zusprechen, so kann man sich die Denkweise der weniger Aufgeklärten lebhaft vorstellen.
Auch die heutige Naturwissenschaft weist in ihren "Kräften" noch Spuren des Fetischismus auf, wie Tylor richtig bemerkt. Und dass die heidnischen An- schauungen von der gebildeten Gesellschaft nicht über- wunden sind, können wir an dem albernen abgeschmack- ten Spiritistenspuk sehen, welcher jetzt die Welt erfüllt.
Es hat einen triftigen Grund, dass diese Vorstellungen sich so hartnäckig behaupten. Von den Trieben, welche den Menschen mit so dämonischer Gewalt beherrschen, die ihn nähren, erhalten und fortpflanzen, ohne sein Wissen und seine Einsicht, von diesen Trieben, deren
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Die formelle Entwickelung der Mechanik.
„Ueber die Anfänge der Cultur‟ das Zauberwesen, den Aberglauben und Wunderglauben, der sich bei allen wilden Völkern findet, studirt, und mit den Meinungen des Mittelalters über Hexerei verglichen. Die Aehn- lichkeit ist in der That auffallend. Und was im 16. und 17. Jahrhundert in Europa so häufig war, das Hexenverbrennen, das wird heute noch in Centralafrika fleissig betrieben. Auch bei uns finden sich noch, wie Tylor nachweist, Spuren dieser Zustände in einer Un- zahl von Gebräuchen, deren Verständniss uns mit dem veränderten Standpunkt verloren gegangen ist.
8. Die Naturwissenschaft ist diese Vorstellungen nur sehr langsam los geworden. Noch in dem berühmten Buche von Porta („Magia naturalis‟), welches im 16. Jahrhundert erschien, und wichtige physikalische Ent- deckungen enthält, finden sich Zaubereien und Teufeleien aller Art, welche jenen des indianischen „Medicin- mannes‟ wenig nachgeben. Erst durch Gilbert’s Schrift „De magnete‟ (1600) wurde diesem Spuk eine ge- wisse Grenze gesetzt. Wenn noch Luther persönliche Begegnungen mit dem Teufel gehabt haben soll, wenn Kepler, dessen Muhme als Hexe verbrannt worden war, und dessen Mutter beinahe dasselbe Schicksal ereilt hätte, sagt, die Hexerei lasse sich nicht leugnen, und wenn er nicht wagt, sich frei über die Astrologie aus- zusprechen, so kann man sich die Denkweise der weniger Aufgeklärten lebhaft vorstellen.
Auch die heutige Naturwissenschaft weist in ihren „Kräften‟ noch Spuren des Fetischismus auf, wie Tylor richtig bemerkt. Und dass die heidnischen An- schauungen von der gebildeten Gesellschaft nicht über- wunden sind, können wir an dem albernen abgeschmack- ten Spiritistenspuk sehen, welcher jetzt die Welt erfüllt.
Es hat einen triftigen Grund, dass diese Vorstellungen sich so hartnäckig behaupten. Von den Trieben, welche den Menschen mit so dämonischer Gewalt beherrschen, die ihn nähren, erhalten und fortpflanzen, ohne sein Wissen und seine Einsicht, von diesen Trieben, deren
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Die formelle Entwickelung der Mechanik.
„Ueber die Anfänge der Cultur‟ das Zauberwesen, den
Aberglauben und Wunderglauben, der sich bei allen
wilden Völkern findet, studirt, und mit den Meinungen
des Mittelalters über Hexerei verglichen. Die Aehn-
lichkeit ist in der That auffallend. Und was im 16.
und 17. Jahrhundert in Europa so häufig war, das
Hexenverbrennen, das wird heute noch in Centralafrika
fleissig betrieben. Auch bei uns finden sich noch, wie
Tylor nachweist, Spuren dieser Zustände in einer Un-
zahl von Gebräuchen, deren Verständniss uns mit dem
veränderten Standpunkt verloren gegangen ist.
8. Die Naturwissenschaft ist diese Vorstellungen nur
sehr langsam los geworden. Noch in dem berühmten
Buche von Porta („Magia naturalis‟), welches im 16.
Jahrhundert erschien, und wichtige physikalische Ent-
deckungen enthält, finden sich Zaubereien und Teufeleien
aller Art, welche jenen des indianischen „Medicin-
mannes‟ wenig nachgeben. Erst durch Gilbert’s Schrift
„De magnete‟ (1600) wurde diesem Spuk eine ge-
wisse Grenze gesetzt. Wenn noch Luther persönliche
Begegnungen mit dem Teufel gehabt haben soll, wenn
Kepler, dessen Muhme als Hexe verbrannt worden war,
und dessen Mutter beinahe dasselbe Schicksal ereilt
hätte, sagt, die Hexerei lasse sich nicht leugnen, und
wenn er nicht wagt, sich frei über die Astrologie aus-
zusprechen, so kann man sich die Denkweise der weniger
Aufgeklärten lebhaft vorstellen.
Auch die heutige Naturwissenschaft weist in ihren
„Kräften‟ noch Spuren des Fetischismus auf, wie Tylor
richtig bemerkt. Und dass die heidnischen An-
schauungen von der gebildeten Gesellschaft nicht über-
wunden sind, können wir an dem albernen abgeschmack-
ten Spiritistenspuk sehen, welcher jetzt die Welt erfüllt.
Es hat einen triftigen Grund, dass diese Vorstellungen
sich so hartnäckig behaupten. Von den Trieben, welche
den Menschen mit so dämonischer Gewalt beherrschen,
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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/447>, abgerufen am 21.06.2024.
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