Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Beziehungen der Mechanik zu andern Wissensgebieten.
periodischen und nicht von fortdauernden und
bleibenden Aenderungen einer andern Gruppe
von Umständen werden können
. Die Sätze, "die
Wirkung ist der Ursache äquivalent", "Arbeit kann
nicht aus Nichts erzeugt werden", "ein Perpetuum
mobile ist unmöglich", sind specielle weniger be-
stimmte und klare Formen dieser Einsicht, welche
an sich nichts mit Mechanik allein zu schaffen hat,
sondern dem naturwissenschaftlichen Denken überhaupt
angehört. Hiermit entfällt jede metaphysische Mystik,
welche dem Satze der Erhaltung der Energie noch an-
haften könnte.1

Die Erhaltungsideen haben wie der Substanzbegriff
ihren triftigen Grund in der Oekonomie des Denkens.
Eine blosse zusammenhangslose Veränderung ohne festen
Anhaltspunkt ist nicht fassbar und nachbildbar. Man
fragt also, welche Vorstellung kann bei der Veränderung
als bleibend festgehalten werden, welches Gesetz be-
steht, welche Gleichung bleibt erfüllt, welche Werthe
bleiben constant? Wenn man sagt, bei allen Brechungen
bleibt der Exponent constant, bei allen Bewegungen
schwerer Körper bleibt g=9·810m, in jedem abge-
schlossenen System bleibt die Energie constant, so haben
alle diese Sätze dieselbe ökonomische Function, die
Nachbildung der Thatsachzn in Gedanken zu erleichtern.

2. Beziehungen der Mechanik zur Physiologie.

1. Alle Wissenschaft geht ursprünglich aus dem Be-
dürfniss des Lebens hervor. Mag sich dieselbe durch
den besondern Beruf, die einseitige Neigung und Fähig-
keit ihrer Pfleger in noch so feine Zweige theilen,
seine volle frische Lebenskraft kann jeder Zweig nur
im Zusammenhange mit dem Ganzen erhalten. Nur

1 Auch entfallen die monströsen Anwendungen des Satzes
auf das ganze Weltall, wenn man bedenkt, dass jeder natur-
wissenschaftliche Satz ein Abstractum ist, welches die
Wiederholung gleichartiger Fälle zur Voraussetzung hat.

Beziehungen der Mechanik zu andern Wissensgebieten.
periodischen und nicht von fortdauernden und
bleibenden Aenderungen einer andern Gruppe
von Umständen werden können
. Die Sätze, „die
Wirkung ist der Ursache äquivalent‟, „Arbeit kann
nicht aus Nichts erzeugt werden‟, „ein Perpetuum
mobile ist unmöglich‟, sind specielle weniger be-
stimmte und klare Formen dieser Einsicht, welche
an sich nichts mit Mechanik allein zu schaffen hat,
sondern dem naturwissenschaftlichen Denken überhaupt
angehört. Hiermit entfällt jede metaphysische Mystik,
welche dem Satze der Erhaltung der Energie noch an-
haften könnte.1

Die Erhaltungsideen haben wie der Substanzbegriff
ihren triftigen Grund in der Oekonomie des Denkens.
Eine blosse zusammenhangslose Veränderung ohne festen
Anhaltspunkt ist nicht fassbar und nachbildbar. Man
fragt also, welche Vorstellung kann bei der Veränderung
als bleibend festgehalten werden, welches Gesetz be-
steht, welche Gleichung bleibt erfüllt, welche Werthe
bleiben constant? Wenn man sagt, bei allen Brechungen
bleibt der Exponent constant, bei allen Bewegungen
schwerer Körper bleibt g=9·810m, in jedem abge-
schlossenen System bleibt die Energie constant, so haben
alle diese Sätze dieselbe ökonomische Function, die
Nachbildung der Thatsachzn in Gedanken zu erleichtern.

2. Beziehungen der Mechanik zur Physiologie.

1. Alle Wissenschaft geht ursprünglich aus dem Be-
dürfniss des Lebens hervor. Mag sich dieselbe durch
den besondern Beruf, die einseitige Neigung und Fähig-
keit ihrer Pfleger in noch so feine Zweige theilen,
seine volle frische Lebenskraft kann jeder Zweig nur
im Zusammenhange mit dem Ganzen erhalten. Nur

1 Auch entfallen die monströsen Anwendungen des Satzes
auf das ganze Weltall, wenn man bedenkt, dass jeder natur-
wissenschaftliche Satz ein Abstractum ist, welches die
Wiederholung gleichartiger Fälle zur Voraussetzung hat.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0487" n="475"/><fw place="top" type="header">Beziehungen der Mechanik zu andern Wissensgebieten.</fw><lb/><hi rendition="#g">periodischen und nicht von fortdauernden und<lb/>
bleibenden Aenderungen einer andern Gruppe<lb/>
von Umständen werden können</hi>. Die Sätze, &#x201E;die<lb/>
Wirkung ist der Ursache äquivalent&#x201F;, &#x201E;Arbeit kann<lb/>
nicht aus Nichts erzeugt werden&#x201F;, &#x201E;ein Perpetuum<lb/>
mobile ist unmöglich&#x201F;, sind specielle weniger be-<lb/>
stimmte und klare Formen dieser Einsicht, welche<lb/>
an sich nichts mit Mechanik allein zu schaffen hat,<lb/>
sondern dem naturwissenschaftlichen Denken überhaupt<lb/>
angehört. Hiermit entfällt jede metaphysische Mystik,<lb/>
welche dem Satze der Erhaltung der Energie noch an-<lb/>
haften könnte.<note place="foot" n="1">Auch entfallen die monströsen Anwendungen des Satzes<lb/>
auf das ganze Weltall, wenn man bedenkt, dass jeder natur-<lb/>
wissenschaftliche Satz ein Abstractum ist, welches die<lb/>
Wiederholung <hi rendition="#g">gleichartiger</hi> Fälle zur Voraussetzung hat.</note></p><lb/>
          <p>Die Erhaltungsideen haben wie der Substanzbegriff<lb/>
ihren triftigen Grund in der Oekonomie des Denkens.<lb/>
Eine blosse zusammenhangslose Veränderung ohne festen<lb/>
Anhaltspunkt ist nicht fassbar und nachbildbar. Man<lb/>
fragt also, welche Vorstellung kann bei der Veränderung<lb/>
als <hi rendition="#g">bleibend</hi> festgehalten werden, welches <hi rendition="#g">Gesetz</hi> be-<lb/>
steht, welche <hi rendition="#g">Gleichung</hi> bleibt erfüllt, welche <hi rendition="#g">Werthe</hi><lb/>
bleiben constant? Wenn man sagt, bei allen Brechungen<lb/>
bleibt der Exponent constant, bei allen Bewegungen<lb/>
schwerer Körper bleibt <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">g</hi>=9·810</hi><hi rendition="#sup">m</hi>, in jedem abge-<lb/>
schlossenen System bleibt die Energie constant, so haben<lb/>
alle diese Sätze dieselbe ökonomische Function, die<lb/>
Nachbildung der Thatsachzn in Gedanken zu erleichtern.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#i">2. Beziehungen der Mechanik zur Physiologie.</hi> </head><lb/>
          <p>1. Alle Wissenschaft geht ursprünglich aus dem Be-<lb/>
dürfniss des Lebens hervor. Mag sich dieselbe durch<lb/>
den besondern Beruf, die einseitige Neigung und Fähig-<lb/>
keit ihrer Pfleger in noch so feine Zweige theilen,<lb/>
seine volle frische Lebenskraft kann jeder Zweig nur<lb/>
im Zusammenhange mit dem <hi rendition="#g">Ganzen</hi> erhalten. Nur<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[475/0487] Beziehungen der Mechanik zu andern Wissensgebieten. periodischen und nicht von fortdauernden und bleibenden Aenderungen einer andern Gruppe von Umständen werden können. Die Sätze, „die Wirkung ist der Ursache äquivalent‟, „Arbeit kann nicht aus Nichts erzeugt werden‟, „ein Perpetuum mobile ist unmöglich‟, sind specielle weniger be- stimmte und klare Formen dieser Einsicht, welche an sich nichts mit Mechanik allein zu schaffen hat, sondern dem naturwissenschaftlichen Denken überhaupt angehört. Hiermit entfällt jede metaphysische Mystik, welche dem Satze der Erhaltung der Energie noch an- haften könnte. 1 Die Erhaltungsideen haben wie der Substanzbegriff ihren triftigen Grund in der Oekonomie des Denkens. Eine blosse zusammenhangslose Veränderung ohne festen Anhaltspunkt ist nicht fassbar und nachbildbar. Man fragt also, welche Vorstellung kann bei der Veränderung als bleibend festgehalten werden, welches Gesetz be- steht, welche Gleichung bleibt erfüllt, welche Werthe bleiben constant? Wenn man sagt, bei allen Brechungen bleibt der Exponent constant, bei allen Bewegungen schwerer Körper bleibt g=9·810m, in jedem abge- schlossenen System bleibt die Energie constant, so haben alle diese Sätze dieselbe ökonomische Function, die Nachbildung der Thatsachzn in Gedanken zu erleichtern. 2. Beziehungen der Mechanik zur Physiologie. 1. Alle Wissenschaft geht ursprünglich aus dem Be- dürfniss des Lebens hervor. Mag sich dieselbe durch den besondern Beruf, die einseitige Neigung und Fähig- keit ihrer Pfleger in noch so feine Zweige theilen, seine volle frische Lebenskraft kann jeder Zweig nur im Zusammenhange mit dem Ganzen erhalten. Nur 1 Auch entfallen die monströsen Anwendungen des Satzes auf das ganze Weltall, wenn man bedenkt, dass jeder natur- wissenschaftliche Satz ein Abstractum ist, welches die Wiederholung gleichartiger Fälle zur Voraussetzung hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/487
Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/487>, abgerufen am 23.11.2024.