Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.Erstes Kapitel. in Vorstellungen und Begriffen nachzubilden sucht, umdies Bild als Ersatz stets zur Hand zu haben, wo die fragliche Thatsache ganz oder theilweise unzugänglich ist. Wirklich sind die Umstände, auf welche man zu achten hat, von so vielen andern Nebenumständen be- gleitet, dass es oft schwer wird, die für den Zweck wesentlichen auszuwählen und zu beachten. Man denke z. B. an die Reibung, Steifigkeit der Schnüre u. s. w. bei Maschinen, welche das reine Verhältniss der untersuchten Umstände trüben und verwischen. Kein Wunder also, wenn der Entdecker oder Prüfer einer neuen Regel, vom Mistrauen gegen sich selbst getrieben, nach einem Beweis der Regel sucht, deren Gültigkeit er bemerkt zu haben glaubt. Der Entdecker oder Prüfer vertraut der Regel nicht sofort, oder er traut nur einem Theil derselben. So zweifelt z. B. Archimedes, dass die Ge- wichte proportional mit ihren Hebelarmen wirken, er lässt aber ohne Bedenken den Einfluss der Hebel- arme überhaupt gelten. Daniel Bernoulli bezweifelt nicht den Einfluss der Kraftrichtung überhaupt, sondern nur die Art ihres Einflusses u. s. w. In der That ist es weit leichter zu beobachten, dass ein Umstand in einem gegebenen Falle überhaupt Einfluss habe, als zu ermitteln, welchen Einfluss er hat. Man ist bei letzterer Untersuchung viel mehr dem Irrthum ausge- setzt. Das Verhalten der Forscher ist also vollkommen natürlich und berechtigt. Der Beweis der Richtigkeit einer neuen Regel kann Erstes Kapitel. in Vorstellungen und Begriffen nachzubilden sucht, umdies Bild als Ersatz stets zur Hand zu haben, wo die fragliche Thatsache ganz oder theilweise unzugänglich ist. Wirklich sind die Umstände, auf welche man zu achten hat, von so vielen andern Nebenumständen be- gleitet, dass es oft schwer wird, die für den Zweck wesentlichen auszuwählen und zu beachten. Man denke z. B. an die Reibung, Steifigkeit der Schnüre u. s. w. bei Maschinen, welche das reine Verhältniss der untersuchten Umstände trüben und verwischen. Kein Wunder also, wenn der Entdecker oder Prüfer einer neuen Regel, vom Mistrauen gegen sich selbst getrieben, nach einem Beweis der Regel sucht, deren Gültigkeit er bemerkt zu haben glaubt. Der Entdecker oder Prüfer vertraut der Regel nicht sofort, oder er traut nur einem Theil derselben. So zweifelt z. B. Archimedes, dass die Ge- wichte proportional mit ihren Hebelarmen wirken, er lässt aber ohne Bedenken den Einfluss der Hebel- arme überhaupt gelten. Daniel Bernoulli bezweifelt nicht den Einfluss der Kraftrichtung überhaupt, sondern nur die Art ihres Einflusses u. s. w. In der That ist es weit leichter zu beobachten, dass ein Umstand in einem gegebenen Falle überhaupt Einfluss habe, als zu ermitteln, welchen Einfluss er hat. Man ist bei letzterer Untersuchung viel mehr dem Irrthum ausge- setzt. Das Verhalten der Forscher ist also vollkommen natürlich und berechtigt. Der Beweis der Richtigkeit einer neuen Regel kann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0086" n="74"/><fw place="top" type="header">Erstes Kapitel.</fw><lb/> in Vorstellungen und Begriffen <hi rendition="#g">nachzubilden</hi> sucht, um<lb/> dies Bild als Ersatz stets zur Hand zu haben, wo die<lb/> fragliche Thatsache ganz oder theilweise unzugänglich<lb/> ist. Wirklich sind die Umstände, auf welche man zu<lb/> achten hat, von so vielen andern Nebenumständen be-<lb/> gleitet, dass es oft schwer wird, die für den Zweck<lb/> wesentlichen auszuwählen und zu beachten. Man denke<lb/> z. B. an die Reibung, Steifigkeit der Schnüre u. s. w. bei<lb/> Maschinen, welche das reine Verhältniss der untersuchten<lb/> Umstände trüben und verwischen. 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Erstes Kapitel.
in Vorstellungen und Begriffen nachzubilden sucht, um
dies Bild als Ersatz stets zur Hand zu haben, wo die
fragliche Thatsache ganz oder theilweise unzugänglich
ist. Wirklich sind die Umstände, auf welche man zu
achten hat, von so vielen andern Nebenumständen be-
gleitet, dass es oft schwer wird, die für den Zweck
wesentlichen auszuwählen und zu beachten. Man denke
z. B. an die Reibung, Steifigkeit der Schnüre u. s. w. bei
Maschinen, welche das reine Verhältniss der untersuchten
Umstände trüben und verwischen. Kein Wunder also,
wenn der Entdecker oder Prüfer einer neuen Regel,
vom Mistrauen gegen sich selbst getrieben, nach einem
Beweis der Regel sucht, deren Gültigkeit er bemerkt
zu haben glaubt. Der Entdecker oder Prüfer vertraut
der Regel nicht sofort, oder er traut nur einem Theil
derselben. So zweifelt z. B. Archimedes, dass die Ge-
wichte proportional mit ihren Hebelarmen wirken,
er lässt aber ohne Bedenken den Einfluss der Hebel-
arme überhaupt gelten. Daniel Bernoulli bezweifelt
nicht den Einfluss der Kraftrichtung überhaupt, sondern
nur die Art ihres Einflusses u. s. w. In der That ist
es weit leichter zu beobachten, dass ein Umstand in
einem gegebenen Falle überhaupt Einfluss habe, als
zu ermitteln, welchen Einfluss er hat. Man ist bei
letzterer Untersuchung viel mehr dem Irrthum ausge-
setzt. Das Verhalten der Forscher ist also vollkommen
natürlich und berechtigt.
Der Beweis der Richtigkeit einer neuen Regel kann
dadurch erbracht werden, dass diese Regel oft ange-
wandt, mit der Erfahrung verglichen und unter den
verschiedensten Umständen erprobt wird. Dieser
Process vollzieht sich im Laufe der Zeit von selbst.
Der Entdecker wünscht aber rascher zum Ziel zu kom-
men. Er vergleicht das Ergebniss seiner Regel mit
allen ihm geläufigen Erfahrungen, mit allen ältern
bereits vielfach erprobten Regeln, und sieht nach, ob er
auf keinen Widerspruch stösst. Die grösste Autorität
wird hierbei wie billig den ältesten geläufigsten Er-
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