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Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855.

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wirkliche Leben gewährt höchst selten Beispiele einer reinen Ueber-
nahme von Geschäften, d. h. des für den Ausführenden voll-
ständigen Ausschlusses jeder Unsicherheit in Bezug auf Leistung
und Gegenleistung bei der Besorgung eines Geschäftes. Streng
genommen bietet schon jede Möglichkeit einer Veränderung in der
subjectiven Werthschätzung der einen wie der andern eine solche
Unsicherheit dar, und danach würde, da eine solche Möglichkeit
nur bei vollkommener Gleichzeitigkeit von Leistung und Gegen-
leistung ausgeschlossen ist, jedes Geschäft, welches zu seiner Ab-
wickelung überhaupt einiger Zeit bedarf, nicht im engsten Sinne
des Wortes übernommen werden. Halten wir uns aber auch
nur an das objective Maß der Werthschätzung, so ist das Fort-
bestehen mancher Unsicherheiten bei Geschäften, die übernommen
werden, also eine Beimischung von Unternehmung, nicht zu ver-
kennen. Wird die Gegenleistung bei Abschluß des Geschäftes
blos zugesagt, nicht unmittelbar geleistet, so bleibt immer eine
gewisse Gefahr für deren Realisirung bestehen 1); besteht sie nicht
in einem Gegenstand, den der Uebernehmer selbst nutzen, son-
dern in einem solchen, den er zur Befriedigung seiner Bedürf-
nisse erst wieder austauschen will, z. B. in Geld, so bleiben die
zahllosen Möglichkeiten einer Veränderung des Tauschwerthes
übrig. Eben so ist bei den Leistungen, welche der Uebernehmer
zusagt, theils das Maß der dafür aufzuwendenden Capitalien,
Nutzungen, Arbeitskräfte, theils dasjenige der dafür zu leisten-

Riedel's erklärt. Früher hatte man das Wesen der Unternehmung theils
in der Capitalanwendung, theils in der persönlichen Thätigkeit gesucht. So-
bald man erkannte, daß dieß falsch war, lag es am nächsten, dieses Wesen
in nichts Anderem als in der Verbindung jener beiden zu suchen.
1) Daß man z. B. beim Ausborgen von Capital selbst bei erträglicher
Vorsicht immer nach zufälligen Verlusten ausgesetzt bleibt, hebt schon Adam
Smith (I. 9) hervor.

wirkliche Leben gewaͤhrt hoͤchſt ſelten Beiſpiele einer reinen Ueber-
nahme von Geſchaͤften, d. h. des fuͤr den Ausfuͤhrenden voll-
ſtaͤndigen Ausſchluſſes jeder Unſicherheit in Bezug auf Leiſtung
und Gegenleiſtung bei der Beſorgung eines Geſchaͤftes. Streng
genommen bietet ſchon jede Moͤglichkeit einer Veraͤnderung in der
ſubjectiven Werthſchaͤtzung der einen wie der andern eine ſolche
Unſicherheit dar, und danach wuͤrde, da eine ſolche Moͤglichkeit
nur bei vollkommener Gleichzeitigkeit von Leiſtung und Gegen-
leiſtung ausgeſchloſſen iſt, jedes Geſchaͤft, welches zu ſeiner Ab-
wickelung uͤberhaupt einiger Zeit bedarf, nicht im engſten Sinne
des Wortes uͤbernommen werden. Halten wir uns aber auch
nur an das objective Maß der Werthſchaͤtzung, ſo iſt das Fort-
beſtehen mancher Unſicherheiten bei Geſchaͤften, die uͤbernommen
werden, alſo eine Beimiſchung von Unternehmung, nicht zu ver-
kennen. Wird die Gegenleiſtung bei Abſchluß des Geſchaͤftes
blos zugeſagt, nicht unmittelbar geleiſtet, ſo bleibt immer eine
gewiſſe Gefahr fuͤr deren Realiſirung beſtehen 1); beſteht ſie nicht
in einem Gegenſtand, den der Uebernehmer ſelbſt nutzen, ſon-
dern in einem ſolchen, den er zur Befriedigung ſeiner Beduͤrf-
niſſe erſt wieder austauſchen will, z. B. in Geld, ſo bleiben die
zahlloſen Moͤglichkeiten einer Veraͤnderung des Tauſchwerthes
uͤbrig. Eben ſo iſt bei den Leiſtungen, welche der Uebernehmer
zuſagt, theils das Maß der dafuͤr aufzuwendenden Capitalien,
Nutzungen, Arbeitskraͤfte, theils dasjenige der dafuͤr zu leiſten-

Riedel’s erklärt. Früher hatte man das Weſen der Unternehmung theils
in der Capitalanwendung, theils in der perſönlichen Thätigkeit geſucht. So-
bald man erkannte, daß dieß falſch war, lag es am nächſten, dieſes Weſen
in nichts Anderem als in der Verbindung jener beiden zu ſuchen.
1) Daß man z. B. beim Ausborgen von Capital ſelbſt bei erträglicher
Vorſicht immer nach zufälligen Verluſten ausgeſetzt bleibt, hebt ſchon Adam
Smith (I. 9) hervor.
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[37/0049] wirkliche Leben gewaͤhrt hoͤchſt ſelten Beiſpiele einer reinen Ueber- nahme von Geſchaͤften, d. h. des fuͤr den Ausfuͤhrenden voll- ſtaͤndigen Ausſchluſſes jeder Unſicherheit in Bezug auf Leiſtung und Gegenleiſtung bei der Beſorgung eines Geſchaͤftes. Streng genommen bietet ſchon jede Moͤglichkeit einer Veraͤnderung in der ſubjectiven Werthſchaͤtzung der einen wie der andern eine ſolche Unſicherheit dar, und danach wuͤrde, da eine ſolche Moͤglichkeit nur bei vollkommener Gleichzeitigkeit von Leiſtung und Gegen- leiſtung ausgeſchloſſen iſt, jedes Geſchaͤft, welches zu ſeiner Ab- wickelung uͤberhaupt einiger Zeit bedarf, nicht im engſten Sinne des Wortes uͤbernommen werden. Halten wir uns aber auch nur an das objective Maß der Werthſchaͤtzung, ſo iſt das Fort- beſtehen mancher Unſicherheiten bei Geſchaͤften, die uͤbernommen werden, alſo eine Beimiſchung von Unternehmung, nicht zu ver- kennen. Wird die Gegenleiſtung bei Abſchluß des Geſchaͤftes blos zugeſagt, nicht unmittelbar geleiſtet, ſo bleibt immer eine gewiſſe Gefahr fuͤr deren Realiſirung beſtehen 1); beſteht ſie nicht in einem Gegenſtand, den der Uebernehmer ſelbſt nutzen, ſon- dern in einem ſolchen, den er zur Befriedigung ſeiner Beduͤrf- niſſe erſt wieder austauſchen will, z. B. in Geld, ſo bleiben die zahlloſen Moͤglichkeiten einer Veraͤnderung des Tauſchwerthes uͤbrig. Eben ſo iſt bei den Leiſtungen, welche der Uebernehmer zuſagt, theils das Maß der dafuͤr aufzuwendenden Capitalien, Nutzungen, Arbeitskraͤfte, theils dasjenige der dafuͤr zu leiſten- 1) 1) Daß man z. B. beim Ausborgen von Capital ſelbſt bei erträglicher Vorſicht immer nach zufälligen Verluſten ausgeſetzt bleibt, hebt ſchon Adam Smith (I. 9) hervor. 1) Riedel’s erklärt. Früher hatte man das Weſen der Unternehmung theils in der Capitalanwendung, theils in der perſönlichen Thätigkeit geſucht. So- bald man erkannte, daß dieß falſch war, lag es am nächſten, dieſes Weſen in nichts Anderem als in der Verbindung jener beiden zu ſuchen.

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Zitationshilfe: Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/49>, abgerufen am 23.11.2024.