Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Abendgebet allgemeinen Inhalts. Frömmigkeit bestimmt hast, davon habe ich schon inmir selbst einen deutlichen Beweis. Mein Gewissen, dieser gerechte, unbestechliche Richter alles dessen, was ich will und thue, bezeugt mir deine Aufsicht auf mein moralisches Verhalten. Es vertritt gleichsam deine Stel- le; und seine Belohnungen sind so angenehm und er- freuend, als seine Strafen fühlbar und schmerzhaft sind. Ich kann keinen Tag beschließen, ohne entweder durch den Beyfall dieses meines innern Richters belohnt oder durch seine Vorwürfe beunruhiget zu werden; und wenn ich auf seine Stimme und auf seine Aus- sprüche höre, so kann ich es mit der größten Zuver- lässigkeit wissen, wie du, o Gott, von mir urtheilest, ob ich dein Wohlgefallen zu hoffen, oder dein Mis- fallen zu fürchten habe. Wenn ich nun in dieser Abendstunde auf den Ge-
Abendgebet allgemeinen Inhalts. Frömmigkeit beſtimmt haſt, davon habe ich ſchon inmir ſelbſt einen deutlichen Beweis. Mein Gewiſſen, dieſer gerechte, unbeſtechliche Richter alles deſſen, was ich will und thue, bezeugt mir deine Aufſicht auf mein moraliſches Verhalten. Es vertritt gleichſam deine Stel- le; und ſeine Belohnungen ſind ſo angenehm und er- freuend, als ſeine Strafen fühlbar und ſchmerzhaft ſind. Ich kann keinen Tag beſchließen, ohne entweder durch den Beyfall dieſes meines innern Richters belohnt oder durch ſeine Vorwürfe beunruhiget zu werden; und wenn ich auf ſeine Stimme und auf ſeine Aus- ſprüche höre, ſo kann ich es mit der größten Zuver- läſſigkeit wiſſen, wie du, o Gott, von mir urtheileſt, ob ich dein Wohlgefallen zu hoffen, oder dein Mis- fallen zu fürchten habe. Wenn ich nun in dieſer Abendſtunde auf den Ge-
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Abendgebet allgemeinen Inhalts.
Frömmigkeit beſtimmt haſt, davon habe ich ſchon in
mir ſelbſt einen deutlichen Beweis. Mein Gewiſſen,
dieſer gerechte, unbeſtechliche Richter alles deſſen, was
ich will und thue, bezeugt mir deine Aufſicht auf mein
moraliſches Verhalten. Es vertritt gleichſam deine Stel-
le; und ſeine Belohnungen ſind ſo angenehm und er-
freuend, als ſeine Strafen fühlbar und ſchmerzhaft ſind.
Ich kann keinen Tag beſchließen, ohne entweder durch
den Beyfall dieſes meines innern Richters belohnt
oder durch ſeine Vorwürfe beunruhiget zu werden;
und wenn ich auf ſeine Stimme und auf ſeine Aus-
ſprüche höre, ſo kann ich es mit der größten Zuver-
läſſigkeit wiſſen, wie du, o Gott, von mir urtheileſt,
ob ich dein Wohlgefallen zu hoffen, oder dein Mis-
fallen zu fürchten habe.
Wenn ich nun in dieſer Abendſtunde auf den
heutigen Tag zurückſehe, wenn ich meine Geſinnun-
gen, meine Wünſche, meine Reden, meine Hand-
lungen überdenke, welcher Empfindungen bin ich da
fähig? Sind es Freude, Ruhe, Zufriedenheit mit
mir ſelbſt, die ich fühle, oder herrſchen Unruhe und
Misvergnügen in meinem Herzen? Kann ich wohl
mit Ueberzeugung ſagen, daß der Weg, auf welchem
ich mich heute befand, der rechte war und daß ich
auch künftig auf demſelben fortgehen darf? Oder
muß ich es mit Schaam und Reue bekennen, daß
ich mich auf falſche Wege verirret habe und von der
Bahn der Rechtſchaffenheit und Tugend abgewichen
bin? Ja, nur dann kann ich mit getroſtem Muthe
und mit Freudigkeit an dich denken, wenn mir mein
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