Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Abendgebet allgemeinen Inhalts.
die einzige und vorzüglichste Quelle der Zufriedenheit
und Ruhe finde. Da fließet mein Leben sanft und
sich immer gleich in stillem Entzücken dahin, weil sich
nicht unersättliche Wünsche und Begierden in meiner
Brust durchkreuzen, weil mich nicht bald kindische
Furcht und bald kühne Hoffnung von einem entgegen
gesetzten Ende zum andern herumtreiben. Da ist
die Religion meine unzertrennliche Freundin, an de-
ren Hand mich alles an dich, meinen Vater und
Schöpfer, an meine Bestimmung, an meine Würde
und Glückseligkeit erinnert. Da empfinde ich meinen
ganzen Werth und freue mich, daß ich das bin, wo-
zu mich deine Güte berufen hat. Da fühle ich mich
an meiner Stelle gros und zufrieden, weil ich sie
würdig behaupte und das an derselben thue und leiste,
was ich thun und leisten soll. Da beseelen mich im-
mer neuer Muth und Eifer, auf dem Wege zum
Guten vorwärts zu schreiten und mich täglich mehr zu
vervollkommnen, weil ich Kraft zur Tugend in mir
fühle, ihre Schönheit empsinde und schon so oft und
ganz durch sie glücklich geworden bin. Da schlägt
mich kein noch so großes Hinderniß nieder, da macht
mich keine Schwierigkeit, keine Gefahr verzagt, weil
ich aus Erfahrung weiß, daß standhafte Liebe zum
Guten und redlicher Tugendeifer alle Hindernisse über-
winden, alle Schwierigkeiten besiegen und allen Ge-
fahren Trotz bieten können.

Ja, wenn ich ein gutes Gewissen habe, wenn
ich mir meiner Unschuld und Tugend bewußt bin, so
kann ich jedes Leiden, jede Widerwärtigkeit des Le-

bens

Abendgebet allgemeinen Inhalts.
die einzige und vorzüglichſte Quelle der Zufriedenheit
und Ruhe finde. Da fließet mein Leben ſanft und
ſich immer gleich in ſtillem Entzücken dahin, weil ſich
nicht unerſättliche Wünſche und Begierden in meiner
Bruſt durchkreuzen, weil mich nicht bald kindiſche
Furcht und bald kühne Hoffnung von einem entgegen
geſetzten Ende zum andern herumtreiben. Da iſt
die Religion meine unzertrennliche Freundin, an de-
ren Hand mich alles an dich, meinen Vater und
Schöpfer, an meine Beſtimmung, an meine Würde
und Glückſeligkeit erinnert. Da empfinde ich meinen
ganzen Werth und freue mich, daß ich das bin, wo-
zu mich deine Güte berufen hat. Da fühle ich mich
an meiner Stelle gros und zufrieden, weil ich ſie
würdig behaupte und das an derſelben thue und leiſte,
was ich thun und leiſten ſoll. Da beſeelen mich im-
mer neuer Muth und Eifer, auf dem Wege zum
Guten vorwärts zu ſchreiten und mich täglich mehr zu
vervollkommnen, weil ich Kraft zur Tugend in mir
fühle, ihre Schönheit empſinde und ſchon ſo oft und
ganz durch ſie glücklich geworden bin. Da ſchlägt
mich kein noch ſo großes Hinderniß nieder, da macht
mich keine Schwierigkeit, keine Gefahr verzagt, weil
ich aus Erfahrung weiß, daß ſtandhafte Liebe zum
Guten und redlicher Tugendeifer alle Hinderniſſe über-
winden, alle Schwierigkeiten beſiegen und allen Ge-
fahren Trotz bieten können.

Ja, wenn ich ein gutes Gewiſſen habe, wenn
ich mir meiner Unſchuld und Tugend bewußt bin, ſo
kann ich jedes Leiden, jede Widerwärtigkeit des Le-

bens
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0172" n="160"/><fw place="top" type="header">Abendgebet allgemeinen Inhalts.</fw><lb/>
die einzige und vorzüglich&#x017F;te Quelle der Zufriedenheit<lb/>
und Ruhe finde. Da fließet mein Leben &#x017F;anft und<lb/>
&#x017F;ich immer gleich in &#x017F;tillem Entzücken dahin, weil &#x017F;ich<lb/>
nicht uner&#x017F;ättliche Wün&#x017F;che und Begierden in meiner<lb/>
Bru&#x017F;t durchkreuzen, weil mich nicht bald kindi&#x017F;che<lb/>
Furcht und bald kühne Hoffnung von einem entgegen<lb/>
ge&#x017F;etzten Ende zum andern herumtreiben. Da i&#x017F;t<lb/>
die Religion meine unzertrennliche Freundin, an de-<lb/>
ren Hand mich alles an dich, meinen Vater und<lb/>
Schöpfer, an meine Be&#x017F;timmung, an meine Würde<lb/>
und Glück&#x017F;eligkeit erinnert. Da empfinde ich meinen<lb/>
ganzen Werth und freue mich, daß ich das bin, wo-<lb/>
zu mich deine Güte berufen hat. Da fühle ich mich<lb/>
an meiner Stelle gros und zufrieden, weil ich &#x017F;ie<lb/>
würdig behaupte und das an der&#x017F;elben thue und lei&#x017F;te,<lb/>
was ich thun und lei&#x017F;ten &#x017F;oll. Da be&#x017F;eelen mich im-<lb/>
mer neuer Muth und Eifer, auf dem Wege zum<lb/>
Guten vorwärts zu &#x017F;chreiten und mich täglich mehr zu<lb/>
vervollkommnen, weil ich Kraft zur Tugend in mir<lb/>
fühle, ihre Schönheit emp&#x017F;inde und &#x017F;chon &#x017F;o oft und<lb/>
ganz durch &#x017F;ie glücklich geworden bin. Da &#x017F;chlägt<lb/>
mich kein noch &#x017F;o großes Hinderniß nieder, da macht<lb/>
mich keine Schwierigkeit, keine Gefahr verzagt, weil<lb/>
ich aus Erfahrung weiß, daß &#x017F;tandhafte Liebe zum<lb/>
Guten und redlicher Tugendeifer alle Hinderni&#x017F;&#x017F;e über-<lb/>
winden, alle Schwierigkeiten be&#x017F;iegen und allen Ge-<lb/>
fahren Trotz bieten können.</p><lb/>
          <p>Ja, wenn ich ein gutes Gewi&#x017F;&#x017F;en habe, wenn<lb/>
ich mir meiner Un&#x017F;chuld und Tugend bewußt bin, &#x017F;o<lb/>
kann ich jedes Leiden, jede Widerwärtigkeit des Le-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bens</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0172] Abendgebet allgemeinen Inhalts. die einzige und vorzüglichſte Quelle der Zufriedenheit und Ruhe finde. Da fließet mein Leben ſanft und ſich immer gleich in ſtillem Entzücken dahin, weil ſich nicht unerſättliche Wünſche und Begierden in meiner Bruſt durchkreuzen, weil mich nicht bald kindiſche Furcht und bald kühne Hoffnung von einem entgegen geſetzten Ende zum andern herumtreiben. Da iſt die Religion meine unzertrennliche Freundin, an de- ren Hand mich alles an dich, meinen Vater und Schöpfer, an meine Beſtimmung, an meine Würde und Glückſeligkeit erinnert. Da empfinde ich meinen ganzen Werth und freue mich, daß ich das bin, wo- zu mich deine Güte berufen hat. Da fühle ich mich an meiner Stelle gros und zufrieden, weil ich ſie würdig behaupte und das an derſelben thue und leiſte, was ich thun und leiſten ſoll. Da beſeelen mich im- mer neuer Muth und Eifer, auf dem Wege zum Guten vorwärts zu ſchreiten und mich täglich mehr zu vervollkommnen, weil ich Kraft zur Tugend in mir fühle, ihre Schönheit empſinde und ſchon ſo oft und ganz durch ſie glücklich geworden bin. Da ſchlägt mich kein noch ſo großes Hinderniß nieder, da macht mich keine Schwierigkeit, keine Gefahr verzagt, weil ich aus Erfahrung weiß, daß ſtandhafte Liebe zum Guten und redlicher Tugendeifer alle Hinderniſſe über- winden, alle Schwierigkeiten beſiegen und allen Ge- fahren Trotz bieten können. Ja, wenn ich ein gutes Gewiſſen habe, wenn ich mir meiner Unſchuld und Tugend bewußt bin, ſo kann ich jedes Leiden, jede Widerwärtigkeit des Le- bens

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/172
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/172>, abgerufen am 26.11.2024.