Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.der häuslichen Geschäffte. Art zu behandeln weiß! O möchte mich die Religion,das Christenthum, die Menschenliebe dieses lehren! Möchte mich der Geist der Liebe, des Wohlwollens, der Sanftmuth, nicht aber der Geist des Stolzes, der Herrschsucht, der Menschenverachtung hierbey be- seelen! Die Armen, die mir für eine Kleinigkeit die wichtigsten Dienste leisten, die die niedrigsten, ermüdend- sten, unentbehrlichsten Geschäffte an meiner Statt auf sich nehmen; die Dienstboten, die ihr edelstes Gut, ihre Frey- heit für eine geringe Belohnung dahingeben und an mich verpfänden, die sind doch alle meine Brüder, meine Schwestern, deine Kinder und Begnadigte; die ha- ben doch alle einerley menschliche Würde und Bestim- mung mit mir; die sind gleich mir durch Jesum zur Vollkommenheit und Glückseligkeit berufen; die füh- len so sehr wie ich das Bedürfnis der Erholung, der Freude, der Abspannung ihrer angestrengten Kräfte; die haben eben das Recht, für ihre Schwachheiten und unvorsätzlichen Fehler Verzeihung von mir zu hoffen, wie ich sie von dir, meinem Oberherrn hoffe; die können und sollen sich nach deiner getroffenen Ver- anstaltung durch meine Gelindigkeit und Menschenlie- be ihres Lebens freuen; die sollen es unter meiner Herrschaft erkennen und empfinden, daß du die Liebe bist und alle deine Geschöpfe beglückest. -- O möchte ich nach deinem Beyspiele in meinem, erpres-
der häuslichen Geſchäffte. Art zu behandeln weiß! O möchte mich die Religion,das Chriſtenthum, die Menſchenliebe dieſes lehren! Möchte mich der Geiſt der Liebe, des Wohlwollens, der Sanftmuth, nicht aber der Geiſt des Stolzes, der Herrſchſucht, der Menſchenverachtung hierbey be- ſeelen! Die Armen, die mir für eine Kleinigkeit die wichtigſten Dienſte leiſten, die die niedrigſten, ermüdend- ſten, unentbehrlichſten Geſchäffte an meiner Statt auf ſich nehmen; die Dienſtboten, die ihr edelſtes Gut, ihre Frey- heit für eine geringe Belohnung dahingeben und an mich verpfänden, die ſind doch alle meine Brüder, meine Schweſtern, deine Kinder und Begnadigte; die ha- ben doch alle einerley menſchliche Würde und Beſtim- mung mit mir; die ſind gleich mir durch Jeſum zur Vollkommenheit und Glückſeligkeit berufen; die füh- len ſo ſehr wie ich das Bedürfnis der Erholung, der Freude, der Abſpannung ihrer angeſtrengten Kräfte; die haben eben das Recht, für ihre Schwachheiten und unvorſätzlichen Fehler Verzeihung von mir zu hoffen, wie ich ſie von dir, meinem Oberherrn hoffe; die können und ſollen ſich nach deiner getroffenen Ver- anſtaltung durch meine Gelindigkeit und Menſchenlie- be ihres Lebens freuen; die ſollen es unter meiner Herrſchaft erkennen und empfinden, daß du die Liebe biſt und alle deine Geſchöpfe beglückeſt. — O möchte ich nach deinem Beyſpiele in meinem, erpreſ-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0201" n="189"/><fw place="top" type="header">der häuslichen Geſchäffte.</fw><lb/> Art zu behandeln weiß! O möchte mich die Religion,<lb/> das Chriſtenthum, die Menſchenliebe dieſes lehren!<lb/> Möchte mich der Geiſt der Liebe, des Wohlwollens,<lb/> der Sanftmuth, nicht aber der Geiſt des Stolzes,<lb/> der Herrſchſucht, der Menſchenverachtung hierbey be-<lb/> ſeelen! Die Armen, die mir für eine Kleinigkeit die<lb/> wichtigſten Dienſte leiſten, die die niedrigſten, ermüdend-<lb/> ſten, unentbehrlichſten Geſchäffte an meiner Statt auf ſich<lb/> nehmen; die Dienſtboten, die ihr edelſtes Gut, ihre Frey-<lb/> heit für eine geringe Belohnung dahingeben und an mich<lb/> verpfänden, die ſind doch alle meine Brüder, meine<lb/> Schweſtern, deine Kinder und Begnadigte; die ha-<lb/> ben doch alle einerley menſchliche Würde und Beſtim-<lb/> mung mit mir; die ſind gleich mir durch Jeſum zur<lb/> Vollkommenheit und Glückſeligkeit berufen; die füh-<lb/> len ſo ſehr wie ich das Bedürfnis der Erholung, der<lb/> Freude, der Abſpannung ihrer angeſtrengten Kräfte;<lb/> die haben eben das Recht, für ihre Schwachheiten<lb/> und unvorſätzlichen Fehler Verzeihung von mir zu<lb/> hoffen, wie ich ſie von dir, meinem Oberherrn hoffe;<lb/> die können und ſollen ſich nach deiner getroffenen Ver-<lb/> anſtaltung durch meine Gelindigkeit und Menſchenlie-<lb/> be ihres Lebens freuen; die ſollen es unter meiner<lb/> Herrſchaft erkennen und empfinden, daß du die Liebe<lb/> biſt und alle deine Geſchöpfe beglückeſt. —</p><lb/> <p>O möchte ich nach deinem Beyſpiele in meinem,<lb/> größern oder geringern, Wirkungskreiſe alles gern und<lb/> willig dazu beytragen, daß arme und von andern ab-<lb/> hängige Menſchen zufrieden und glücklich ſind! Möchte<lb/> ich in meinem Hauſe keinen Seufzer und keine Thräne<lb/> <fw place="bottom" type="catch">erpreſ-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [189/0201]
der häuslichen Geſchäffte.
Art zu behandeln weiß! O möchte mich die Religion,
das Chriſtenthum, die Menſchenliebe dieſes lehren!
Möchte mich der Geiſt der Liebe, des Wohlwollens,
der Sanftmuth, nicht aber der Geiſt des Stolzes,
der Herrſchſucht, der Menſchenverachtung hierbey be-
ſeelen! Die Armen, die mir für eine Kleinigkeit die
wichtigſten Dienſte leiſten, die die niedrigſten, ermüdend-
ſten, unentbehrlichſten Geſchäffte an meiner Statt auf ſich
nehmen; die Dienſtboten, die ihr edelſtes Gut, ihre Frey-
heit für eine geringe Belohnung dahingeben und an mich
verpfänden, die ſind doch alle meine Brüder, meine
Schweſtern, deine Kinder und Begnadigte; die ha-
ben doch alle einerley menſchliche Würde und Beſtim-
mung mit mir; die ſind gleich mir durch Jeſum zur
Vollkommenheit und Glückſeligkeit berufen; die füh-
len ſo ſehr wie ich das Bedürfnis der Erholung, der
Freude, der Abſpannung ihrer angeſtrengten Kräfte;
die haben eben das Recht, für ihre Schwachheiten
und unvorſätzlichen Fehler Verzeihung von mir zu
hoffen, wie ich ſie von dir, meinem Oberherrn hoffe;
die können und ſollen ſich nach deiner getroffenen Ver-
anſtaltung durch meine Gelindigkeit und Menſchenlie-
be ihres Lebens freuen; die ſollen es unter meiner
Herrſchaft erkennen und empfinden, daß du die Liebe
biſt und alle deine Geſchöpfe beglückeſt. —
O möchte ich nach deinem Beyſpiele in meinem,
größern oder geringern, Wirkungskreiſe alles gern und
willig dazu beytragen, daß arme und von andern ab-
hängige Menſchen zufrieden und glücklich ſind! Möchte
ich in meinem Hauſe keinen Seufzer und keine Thräne
erpreſ-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |