spräche frey und ungezwungen und natürlich und mit Scherz und Heiterkeit und Unschuld gewürzt. Da wechselt dieser ruhige Selbstgenuß nur dann und wann mit größern Gesellschaften ab, und wird auch durch diese Abwechslung erhöhet. Da sind wir, alle Glieder der Familie, einander weniger fremd, und leben und wirken mehr gemeinschaftlich, und werden immer fe- ster und genauer mit einander verbunden.
Es ist ein Vorzug, ein großer, wünschens- werther Vorzug meiner mittelmäßigen Vermögens- umstände, daß ich da in einer glücklichen Unabhän- gigkeit lebe und nicht gezwungen bin, an den herr- schenden Thorheiten der sogenannten großen Welt An- theil zu nehmen. Besäße ich mehr Reichthum und An- sehen, spielte ich eine größere und glänzendere Rolle, so hätte auch die Mode mehr Macht und Gewalt über mich, so würde ich vielleicht oft wider meinen Willen in Zerstreuungen und Lustbarkeiten verwickelt, so würde ich nicht selten aus diesen und jenen Ursachen der Uep- pigkeit und Verschwendung ein Opfer bringen müssen. Und durch dieses alles wird doch ganz gewiß die Eitelkeit genährt, der Hang zur Sinnlichkeit verstärkt, der Leicht- sinn erzeugt und unterhalten. Wohl mir also, daß ich diese Versuchungen nicht zu bekämpfen und diese Gefahren nicht zu befürchten habe! Wohl mir, daß ich in meiner Lage ungleich seltener in die Verlegen- heiten komme, die bey großem Ueberflusse und pracht- vollem Schimmer beynahe unvermeidlich sind! Wohl mir, daß ich nicht durch eine Menge solcher äußerer Gegenstände und Veranlassungen zu den Fehlern ver-
leitet
Die Hausfrau, die ſich in
ſpräche frey und ungezwungen und natürlich und mit Scherz und Heiterkeit und Unſchuld gewürzt. Da wechſelt dieſer ruhige Selbſtgenuß nur dann und wann mit größern Geſellſchaften ab, und wird auch durch dieſe Abwechslung erhöhet. Da ſind wir, alle Glieder der Familie, einander weniger fremd, und leben und wirken mehr gemeinſchaftlich, und werden immer fe- ſter und genauer mit einander verbunden.
Es iſt ein Vorzug, ein großer, wünſchens- werther Vorzug meiner mittelmäßigen Vermögens- umſtände, daß ich da in einer glücklichen Unabhän- gigkeit lebe und nicht gezwungen bin, an den herr- ſchenden Thorheiten der ſogenannten großen Welt An- theil zu nehmen. Beſäße ich mehr Reichthum und An- ſehen, ſpielte ich eine größere und glänzendere Rolle, ſo hätte auch die Mode mehr Macht und Gewalt über mich, ſo würde ich vielleicht oft wider meinen Willen in Zerſtreuungen und Luſtbarkeiten verwickelt, ſo würde ich nicht ſelten aus dieſen und jenen Urſachen der Uep- pigkeit und Verſchwendung ein Opfer bringen müſſen. Und durch dieſes alles wird doch ganz gewiß die Eitelkeit genährt, der Hang zur Sinnlichkeit verſtärkt, der Leicht- ſinn erzeugt und unterhalten. Wohl mir alſo, daß ich dieſe Verſuchungen nicht zu bekämpfen und dieſe Gefahren nicht zu befürchten habe! Wohl mir, daß ich in meiner Lage ungleich ſeltener in die Verlegen- heiten komme, die bey großem Ueberfluſſe und pracht- vollem Schimmer beynahe unvermeidlich ſind! Wohl mir, daß ich nicht durch eine Menge ſolcher äußerer Gegenſtände und Veranlaſſungen zu den Fehlern ver-
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[198/0210]
Die Hausfrau, die ſich in
ſpräche frey und ungezwungen und natürlich und mit
Scherz und Heiterkeit und Unſchuld gewürzt. Da
wechſelt dieſer ruhige Selbſtgenuß nur dann und wann
mit größern Geſellſchaften ab, und wird auch durch
dieſe Abwechslung erhöhet. Da ſind wir, alle Glieder
der Familie, einander weniger fremd, und leben und
wirken mehr gemeinſchaftlich, und werden immer fe-
ſter und genauer mit einander verbunden.
Es iſt ein Vorzug, ein großer, wünſchens-
werther Vorzug meiner mittelmäßigen Vermögens-
umſtände, daß ich da in einer glücklichen Unabhän-
gigkeit lebe und nicht gezwungen bin, an den herr-
ſchenden Thorheiten der ſogenannten großen Welt An-
theil zu nehmen. Beſäße ich mehr Reichthum und An-
ſehen, ſpielte ich eine größere und glänzendere Rolle,
ſo hätte auch die Mode mehr Macht und Gewalt über
mich, ſo würde ich vielleicht oft wider meinen Willen
in Zerſtreuungen und Luſtbarkeiten verwickelt, ſo würde
ich nicht ſelten aus dieſen und jenen Urſachen der Uep-
pigkeit und Verſchwendung ein Opfer bringen müſſen.
Und durch dieſes alles wird doch ganz gewiß die Eitelkeit
genährt, der Hang zur Sinnlichkeit verſtärkt, der Leicht-
ſinn erzeugt und unterhalten. Wohl mir alſo, daß
ich dieſe Verſuchungen nicht zu bekämpfen und dieſe
Gefahren nicht zu befürchten habe! Wohl mir, daß
ich in meiner Lage ungleich ſeltener in die Verlegen-
heiten komme, die bey großem Ueberfluſſe und pracht-
vollem Schimmer beynahe unvermeidlich ſind! Wohl
mir, daß ich nicht durch eine Menge ſolcher äußerer
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/210>, abgerufen am 16.02.2025.
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