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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Wider den Geiz.

O verleihe, gütigster Gott und Vater, daß ich
alles sorgfältig von mir entferne und mir nichts erlau-
be, was mich an der gemeinnützigen und weisen Füh-
rung meiner Berufsgeschäffte verhindern kann. Ver-
leihe, daß ich insbesondere das Laster des Geizes fliehe
und verabscheue, das mir und den Meinigen so viele
Quellen der Freude verschließt und uns so weit von dem
Genusse des häuslichen Glücks entfernt. Je mehr
Veranlassung und Gelegenheit und Scheingründe ich
in meinem Stande und bey meinen Geschäfften dazu
finde, desto öfter und lebhafter will und muß ich mir
die wahren Gründe dawider vergegenwärtigen, die du
mich in meiner Vernunft und in den Lehren des Chri-
stenthums finden lässest.

Der Geiz ist ein höchst unvernünftiges und thö-
richtes Laster. Er ist allen Grundsätzen zuwider, nach
welchen verständige Menschen zu handeln pflegen.
Oder ist es wohl vernünftig, wenn ich blos deßwegen
nach Geld und Reichthum strebe, um Geld und Reich-
thum zu besitzen; wenn ich nur sammle und nie
genieße; wenn ich die Ordnung der Dinge um-
kehre und das Mittel zum Endzweck mache? Jst
es wohl vernünftig, wenn ich meine Bestimmung so
sehr verkenne und meine Würde so sehr erniedrige,
wenn ich in der Absicht zu leben glaube, um reich zu
werden, um Vorrath aufzuhäufen, um mehr zu be-
sitzen, als ich je zu verbrauchen vermag? Heißt dieß
nicht ohne Endzweck, ohne Ueberlegung und blos nach
blinden, unwiderstehlichen Trieben handeln? Jst wohl
das Vergnügen über Gold und Silber ein des Men-
schen und des Christen würdiges Vergnügen? Nein, wer

klug
Wider den Geiz.

O verleihe, gütigſter Gott und Vater, daß ich
alles ſorgfältig von mir entferne und mir nichts erlau-
be, was mich an der gemeinnützigen und weiſen Füh-
rung meiner Berufsgeſchäffte verhindern kann. Ver-
leihe, daß ich insbeſondere das Laſter des Geizes fliehe
und verabſcheue, das mir und den Meinigen ſo viele
Quellen der Freude verſchließt und uns ſo weit von dem
Genuſſe des häuslichen Glücks entfernt. Je mehr
Veranlaſſung und Gelegenheit und Scheingründe ich
in meinem Stande und bey meinen Geſchäfften dazu
finde, deſto öfter und lebhafter will und muß ich mir
die wahren Gründe dawider vergegenwärtigen, die du
mich in meiner Vernunft und in den Lehren des Chri-
ſtenthums finden läſſeſt.

Der Geiz iſt ein höchſt unvernünftiges und thö-
richtes Laſter. Er iſt allen Grundſätzen zuwider, nach
welchen verſtändige Menſchen zu handeln pflegen.
Oder iſt es wohl vernünftig, wenn ich blos deßwegen
nach Geld und Reichthum ſtrebe, um Geld und Reich-
thum zu beſitzen; wenn ich nur ſammle und nie
genieße; wenn ich die Ordnung der Dinge um-
kehre und das Mittel zum Endzweck mache? Jſt
es wohl vernünftig, wenn ich meine Beſtimmung ſo
ſehr verkenne und meine Würde ſo ſehr erniedrige,
wenn ich in der Abſicht zu leben glaube, um reich zu
werden, um Vorrath aufzuhäufen, um mehr zu be-
ſitzen, als ich je zu verbrauchen vermag? Heißt dieß
nicht ohne Endzweck, ohne Ueberlegung und blos nach
blinden, unwiderſtehlichen Trieben handeln? Jſt wohl
das Vergnügen über Gold und Silber ein des Men-
ſchen und des Chriſten würdiges Vergnügen? Nein, wer

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[207/0219] Wider den Geiz. O verleihe, gütigſter Gott und Vater, daß ich alles ſorgfältig von mir entferne und mir nichts erlau- be, was mich an der gemeinnützigen und weiſen Füh- rung meiner Berufsgeſchäffte verhindern kann. Ver- leihe, daß ich insbeſondere das Laſter des Geizes fliehe und verabſcheue, das mir und den Meinigen ſo viele Quellen der Freude verſchließt und uns ſo weit von dem Genuſſe des häuslichen Glücks entfernt. Je mehr Veranlaſſung und Gelegenheit und Scheingründe ich in meinem Stande und bey meinen Geſchäfften dazu finde, deſto öfter und lebhafter will und muß ich mir die wahren Gründe dawider vergegenwärtigen, die du mich in meiner Vernunft und in den Lehren des Chri- ſtenthums finden läſſeſt. Der Geiz iſt ein höchſt unvernünftiges und thö- richtes Laſter. Er iſt allen Grundſätzen zuwider, nach welchen verſtändige Menſchen zu handeln pflegen. Oder iſt es wohl vernünftig, wenn ich blos deßwegen nach Geld und Reichthum ſtrebe, um Geld und Reich- thum zu beſitzen; wenn ich nur ſammle und nie genieße; wenn ich die Ordnung der Dinge um- kehre und das Mittel zum Endzweck mache? Jſt es wohl vernünftig, wenn ich meine Beſtimmung ſo ſehr verkenne und meine Würde ſo ſehr erniedrige, wenn ich in der Abſicht zu leben glaube, um reich zu werden, um Vorrath aufzuhäufen, um mehr zu be- ſitzen, als ich je zu verbrauchen vermag? Heißt dieß nicht ohne Endzweck, ohne Ueberlegung und blos nach blinden, unwiderſtehlichen Trieben handeln? Jſt wohl das Vergnügen über Gold und Silber ein des Men- ſchen und des Chriſten würdiges Vergnügen? Nein, wer klug

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/219>, abgerufen am 21.11.2024.