Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Die mit Leibesfrucht gesegnete Gattin. des vernünftigen, eingeschränkten Genusses aller sinn-lichen Vergnügungen. O schenke mir Lust und Kraft und Eifer, das zu thun, was ich für recht und gut halte. Bewahre mich vor allem Leichtsinne, vor al- ler Eitelkeit, vor allem, was meine Leidenschaften er- regen und meine Begierden in Unordnung bringen kann. Hilf mir jede Gefahr vermeiden und schütze mich vor allen nicht in meiner Gewalt stehenden Zu- fällen, die meinem Kinde Schaden und Verletzung drohen. Und so kann, so will ich im Vertrauen auf dich erschwe-
Die mit Leibesfrucht geſegnete Gattin. des vernünftigen, eingeſchränkten Genuſſes aller ſinn-lichen Vergnügungen. O ſchenke mir Luſt und Kraft und Eifer, das zu thun, was ich für recht und gut halte. Bewahre mich vor allem Leichtſinne, vor al- ler Eitelkeit, vor allem, was meine Leidenſchaften er- regen und meine Begierden in Unordnung bringen kann. Hilf mir jede Gefahr vermeiden und ſchütze mich vor allen nicht in meiner Gewalt ſtehenden Zu- fällen, die meinem Kinde Schaden und Verletzung drohen. Und ſo kann, ſo will ich im Vertrauen auf dich erſchwe-
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Die mit Leibesfrucht geſegnete Gattin.
des vernünftigen, eingeſchränkten Genuſſes aller ſinn-
lichen Vergnügungen. O ſchenke mir Luſt und Kraft
und Eifer, das zu thun, was ich für recht und gut
halte. Bewahre mich vor allem Leichtſinne, vor al-
ler Eitelkeit, vor allem, was meine Leidenſchaften er-
regen und meine Begierden in Unordnung bringen
kann. Hilf mir jede Gefahr vermeiden und ſchütze
mich vor allen nicht in meiner Gewalt ſtehenden Zu-
fällen, die meinem Kinde Schaden und Verletzung
drohen.
Und ſo kann, ſo will ich im Vertrauen auf dich
und deine Hülfe der Stunde meiner Entbindung ent-
gegenſehen; der Stunde, deren Andenken mein Herz
mit Freude und Traurigkeit, mit Furcht und Hoff-
nung erfüllt. Jſt es doch meine Beſtimmung und
die Beſtimmung meines ganzen Geſchlechts, daß ich
mich dieſer Gefahr unterziehen ſoll. Kann und darf
ich doch auf deinen Schutz und Beyſtand dabey rech-
nen. Wird mir doch die Angſt und Furcht, die ich
vorher empfinde, durch die größte und ſüſſeſte Freude
erſetzt; durch die Freude, Mutter geworden zu ſeyn,
die alle Traurigkeit und alle erduldete Schmerzen weit
aufwiegt. Ja, o Gott, ich erwarte das getroſt und
ſtandhaft, was du mir Gutes oder Böſes zuſchicken
wirſt. Jch übergebe mich ganz deiner väterlichen und
gnädigen Fürſorge, mit welcher du ſchon ſo lange über
mich gewaltet haſt. Jch hoffe alles gewiß und unge-
zweifelt von dir, was mein wahres Glück und das
Glück meines Kindes befördern kann. Jch will mir
die entſcheidende Stunde nicht durch Furcht und Angſt
erſchwe-
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