Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Die Mutter als die erste Erzieherin gnügen oder der Erlernung dieser Dinge das Lernenhoher, wichtiger Wahrheiten aufzuopfern! Wie leicht kann ich durch die Fehler, die ich hier begehe, den Grund zu einer verderbten und lasterhaften Gemüths- art meines Kindes legen! Wie leicht kann ich auf diese Weise dem Stolze, dem Leichtsinne, der Un- mässigkeit, der Eitelkeit u. s. w. den Weg bahnen und ihnen den Eingang in das junge Herz erleichtern! Wie leicht kann ich dadurch der ganzen Denkungs- und Sinnesart des Kindes eine verkehrte, widerna- türliche Richtung geben und es daran gewöhnen, das Aeusserliche an dem Menschen für das wichtigste und Höflichkeit und guten Anstand für die Tugend und Rechtschaffenheit zu halten! Will ich meinen mütterlichen Beruf erfüllen, frühe-
Die Mutter als die erſte Erzieherin gnügen oder der Erlernung dieſer Dinge das Lernenhoher, wichtiger Wahrheiten aufzuopfern! Wie leicht kann ich durch die Fehler, die ich hier begehe, den Grund zu einer verderbten und laſterhaften Gemüths- art meines Kindes legen! Wie leicht kann ich auf dieſe Weiſe dem Stolze, dem Leichtſinne, der Un- mäſſigkeit, der Eitelkeit u. ſ. w. den Weg bahnen und ihnen den Eingang in das junge Herz erleichtern! Wie leicht kann ich dadurch der ganzen Denkungs- und Sinnesart des Kindes eine verkehrte, widerna- türliche Richtung geben und es daran gewöhnen, das Aeuſſerliche an dem Menſchen für das wichtigſte und Höflichkeit und guten Anſtand für die Tugend und Rechtſchaffenheit zu halten! Will ich meinen mütterlichen Beruf erfüllen, frühe-
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Die Mutter als die erſte Erzieherin
gnügen oder der Erlernung dieſer Dinge das Lernen
hoher, wichtiger Wahrheiten aufzuopfern! Wie leicht
kann ich durch die Fehler, die ich hier begehe, den
Grund zu einer verderbten und laſterhaften Gemüths-
art meines Kindes legen! Wie leicht kann ich auf
dieſe Weiſe dem Stolze, dem Leichtſinne, der Un-
mäſſigkeit, der Eitelkeit u. ſ. w. den Weg bahnen
und ihnen den Eingang in das junge Herz erleichtern!
Wie leicht kann ich dadurch der ganzen Denkungs-
und Sinnesart des Kindes eine verkehrte, widerna-
türliche Richtung geben und es daran gewöhnen, das
Aeuſſerliche an dem Menſchen für das wichtigſte und
Höflichkeit und guten Anſtand für die Tugend und
Rechtſchaffenheit zu halten!
Will ich meinen mütterlichen Beruf erfüllen,
ſo muß ich mir die Bildung des Herzen meines Kin-
des eben ſo ſehr, ja noch mehr als die Bildung des
Verſtandes deſſelben angelegen ſeyn laſſen. Was iſt
Verſtand ohne Tugend? Was nutzen die beſten Ein-
ſichten, die weitläuftigſten Kenntniſſe, wenn ſie nicht
befolgt und in Ausübung gebracht werden? Welchen
Werth kann das bloße Wiſſen der Wahrheit haben, wenn
die Wahrheit nicht lebendig und wirkſam iſt und ſich
nicht in dem Leben und den Handlungen des Menſchen
äuſſert? Nie will ich daher auf die Kennzeichen der gu-
ten Verſtandsfähigkeiten meines Kindes ſtolz werden.
Nie will ich mich damit begnügen und mich darüber als
über ein vollendetes Werk freuen, wenn ich den Verſtand
deſſelben mit vielen und großen Kenntniſſen bereichert
ſehe. Nein, ich will und muß mein Kind ſchon von den
frühe-
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