Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Ermunterung zur Lernbegierde. itzt mich selbst und den Menschen überhaupt! Wieviel richtiger kann ich itzt über tausend Gegenstände ur- theilen als ehemals, wo ich noch ganz Kind war! Kenne ich doch schon die Ursachen von vielen Begeben- heiten, sehe die Folgen, die aus gewissen Hand un- gen entstehen und nothwendig entstehen müssen, kann mir manches erklären, was mir zuvor unerklärbar war, und bin nach dem Zeugnisse meiner Aeltern schon weit einsichtsvoller und vernünftiger geworden. Und sollte ich dieß nicht immer mehr zu werden suchen? Ich sollte meinen Verstand nicht täglich mehr anbauen wollen? Ich könnte auf dem halben Wege stehen blei- ben und in meinem Laufe nach dem glänzenden Ziele, welches ich vor mir sehe, ermüden? Nein, je weiter ich hier vorwärts schreite; je und B
Ermunterung zur Lernbegierde. itzt mich ſelbſt und den Menſchen überhaupt! Wieviel richtiger kann ich itzt über tauſend Gegenſtände ur- theilen als ehemals, wo ich noch ganz Kind war! Kenne ich doch ſchon die Urſachen von vielen Begeben- heiten, ſehe die Folgen, die aus gewiſſen Hand un- gen entſtehen und nothwendig entſtehen müſſen, kann mir manches erklären, was mir zuvor unerklärbar war, und bin nach dem Zeugniſſe meiner Aeltern ſchon weit einſichtsvoller und vernünftiger geworden. Und ſollte ich dieß nicht immer mehr zu werden ſuchen? Ich ſollte meinen Verſtand nicht täglich mehr anbauen wollen? Ich könnte auf dem halben Wege ſtehen blei- ben und in meinem Laufe nach dem glänzenden Ziele, welches ich vor mir ſehe, ermüden? Nein, je weiter ich hier vorwärts ſchreite; je und B
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0029" n="17"/><fw place="top" type="header">Ermunterung zur Lernbegierde.</fw><lb/> itzt mich ſelbſt und den Menſchen überhaupt! Wie<lb/> viel richtiger kann ich itzt über tauſend Gegenſtände ur-<lb/> theilen als ehemals, wo ich noch ganz Kind war!<lb/> Kenne ich doch ſchon die Urſachen von vielen Begeben-<lb/> heiten, ſehe die Folgen, die aus gewiſſen Hand un-<lb/> gen entſtehen und nothwendig entſtehen müſſen, kann<lb/> mir manches erklären, was mir zuvor unerklärbar<lb/> war, und bin nach dem Zeugniſſe meiner Aeltern<lb/> ſchon weit einſichtsvoller und vernünftiger geworden.<lb/> Und ſollte ich dieß nicht immer mehr zu werden ſuchen?<lb/> Ich ſollte meinen Verſtand nicht täglich mehr anbauen<lb/> wollen? Ich könnte auf dem halben Wege ſtehen blei-<lb/> ben und in meinem Laufe nach dem glänzenden Ziele,<lb/> welches ich vor mir ſehe, ermüden?</p><lb/> <p>Nein, je weiter ich hier vorwärts ſchreite; je<lb/> mehrere Kenntniſſe ich erlange: deſto mehr muß mein<lb/> Eifer und meine Lernbegierde zunehmen. Je mehr<lb/> ſich meine Einſichten vervielfältigen und berichtigen,<lb/> deſto deutlicher leuchtet mir ihr Werth und Nutzen in<lb/> die Augen. Alles, was ich itzt lerne, hat Einfluß<lb/> auf mein Leben, auf meine Denkungsart, auf meine<lb/> Geſinnungen, auf meine Zufriedenheit und Glückſe-<lb/> ligkeit. Je beſſer ich dich, meinen Schöpfer und<lb/> Vater, kenne; je deutlicher und vollſtändiger ich von<lb/> deinem Willen unterrichtet bin; je länger ich über<lb/> meine Pflichten nachdenke; mit je mehr Ueberzeugung<lb/> ich es einſehe, wozu du mich beſtimmt haſt, was ich<lb/> künftig in den Umſtänden, in welche ich kommen wer-<lb/> de, ſeyn und verrichten ſoll, und welche Anſprüche die<lb/> Welt auf meine Dienſte hat; je mehrere deiner Werke<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0029]
Ermunterung zur Lernbegierde.
itzt mich ſelbſt und den Menſchen überhaupt! Wie
viel richtiger kann ich itzt über tauſend Gegenſtände ur-
theilen als ehemals, wo ich noch ganz Kind war!
Kenne ich doch ſchon die Urſachen von vielen Begeben-
heiten, ſehe die Folgen, die aus gewiſſen Hand un-
gen entſtehen und nothwendig entſtehen müſſen, kann
mir manches erklären, was mir zuvor unerklärbar
war, und bin nach dem Zeugniſſe meiner Aeltern
ſchon weit einſichtsvoller und vernünftiger geworden.
Und ſollte ich dieß nicht immer mehr zu werden ſuchen?
Ich ſollte meinen Verſtand nicht täglich mehr anbauen
wollen? Ich könnte auf dem halben Wege ſtehen blei-
ben und in meinem Laufe nach dem glänzenden Ziele,
welches ich vor mir ſehe, ermüden?
Nein, je weiter ich hier vorwärts ſchreite; je
mehrere Kenntniſſe ich erlange: deſto mehr muß mein
Eifer und meine Lernbegierde zunehmen. Je mehr
ſich meine Einſichten vervielfältigen und berichtigen,
deſto deutlicher leuchtet mir ihr Werth und Nutzen in
die Augen. Alles, was ich itzt lerne, hat Einfluß
auf mein Leben, auf meine Denkungsart, auf meine
Geſinnungen, auf meine Zufriedenheit und Glückſe-
ligkeit. Je beſſer ich dich, meinen Schöpfer und
Vater, kenne; je deutlicher und vollſtändiger ich von
deinem Willen unterrichtet bin; je länger ich über
meine Pflichten nachdenke; mit je mehr Ueberzeugung
ich es einſehe, wozu du mich beſtimmt haſt, was ich
künftig in den Umſtänden, in welche ich kommen wer-
de, ſeyn und verrichten ſoll, und welche Anſprüche die
Welt auf meine Dienſte hat; je mehrere deiner Werke
und
B
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |