Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

oder der Mutter.
dungen, in dem Uebel den Keim des zuerwachsen-
den Guten, in der Traurigkeit deiner Geschöpfe den
Saamen zukünftiger Zufriedenheit. Das Auge des
Menschen hingegen siehet nur auf das, was vor ihm
liegt. Die Zukunft ist ihm verborgen, und der scharf-
sinnigste Verstand begreift es nicht, wie das Kommen-
de in dem Vergangenen und Gegenwärtigen gegrün-
det ist. Und ich, o Gott, ich vermag es am aller-
wenigsten, in deinen weisen Plan einzudringen und
die wunderbaren Wege zu erforschen, auf welchen du
mich zu meiner Glückseligkeit führen willst. Aber daß
alle deine Wege gut und heilsam sind, so rauh und
unangenehm sie mir auch immer vorkommen mögen;
daß du deines Endzwecks nie verfehlen kannst, weil
du der Allweise bist; daß du alle deine Geschöpfe als
ein Vater liebest und glückselig machen willst und
wirst; daß du auch mich kennest und für mich
sorgest; daß ich unter deiner Aufsicht und Regierung
ohne meine eigene Schuld nicht elend werden und
meine Bestimmung nicht verfehlen kann: das weiß
und glaube ich zuversichtlich; daran will ich mich hal-
ten; dadurch will ich mich itzt zu trösten und aufzu-
richten suchen, wenn es dir gefallen sollte, das Leiden,
welches mir droht, wirklich über mich zu verhängen.

Ja, ich weiß auch, daß mein Gebet deinen
einmal gemachten Plan nicht abändern kann und wird,
daß alle, größere und kleinere, Begebenheiten in der
Welt schon in diesem deinem ewigen Plane enthalten
sind, daß alles, was geschieht, ein Glied in der lan-
gen Kette der Weltbegebenheiten ist, das mit den

vorher-
C 3

oder der Mutter.
dungen, in dem Uebel den Keim des zuerwachſen-
den Guten, in der Traurigkeit deiner Geſchöpfe den
Saamen zukünftiger Zufriedenheit. Das Auge des
Menſchen hingegen ſiehet nur auf das, was vor ihm
liegt. Die Zukunft iſt ihm verborgen, und der ſcharf-
ſinnigſte Verſtand begreift es nicht, wie das Kommen-
de in dem Vergangenen und Gegenwärtigen gegrün-
det iſt. Und ich, o Gott, ich vermag es am aller-
wenigſten, in deinen weiſen Plan einzudringen und
die wunderbaren Wege zu erforſchen, auf welchen du
mich zu meiner Glückſeligkeit führen willſt. Aber daß
alle deine Wege gut und heilſam ſind, ſo rauh und
unangenehm ſie mir auch immer vorkommen mögen;
daß du deines Endzwecks nie verfehlen kannſt, weil
du der Allweiſe biſt; daß du alle deine Geſchöpfe als
ein Vater liebeſt und glückſelig machen willſt und
wirſt; daß du auch mich kenneſt und für mich
ſorgeſt; daß ich unter deiner Aufſicht und Regierung
ohne meine eigene Schuld nicht elend werden und
meine Beſtimmung nicht verfehlen kann: das weiß
und glaube ich zuverſichtlich; daran will ich mich hal-
ten; dadurch will ich mich itzt zu tröſten und aufzu-
richten ſuchen, wenn es dir gefallen ſollte, das Leiden,
welches mir droht, wirklich über mich zu verhängen.

Ja, ich weiß auch, daß mein Gebet deinen
einmal gemachten Plan nicht abändern kann und wird,
daß alle, größere und kleinere, Begebenheiten in der
Welt ſchon in dieſem deinem ewigen Plane enthalten
ſind, daß alles, was geſchieht, ein Glied in der lan-
gen Kette der Weltbegebenheiten iſt, das mit den

vorher-
C 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0049" n="37"/><fw place="top" type="header">oder der Mutter.</fw><lb/>
dungen, in dem Uebel den Keim des zuerwach&#x017F;en-<lb/>
den Guten, in der Traurigkeit deiner Ge&#x017F;chöpfe den<lb/>
Saamen zukünftiger Zufriedenheit. Das Auge des<lb/>
Men&#x017F;chen hingegen &#x017F;iehet nur auf das, was vor ihm<lb/>
liegt. Die Zukunft i&#x017F;t ihm verborgen, und der &#x017F;charf-<lb/>
&#x017F;innig&#x017F;te Ver&#x017F;tand begreift es nicht, wie das Kommen-<lb/>
de in dem Vergangenen und Gegenwärtigen gegrün-<lb/>
det i&#x017F;t. Und ich, o Gott, ich vermag es am aller-<lb/>
wenig&#x017F;ten, in deinen wei&#x017F;en Plan einzudringen und<lb/>
die wunderbaren Wege zu erfor&#x017F;chen, auf welchen du<lb/>
mich zu meiner Glück&#x017F;eligkeit führen will&#x017F;t. Aber daß<lb/>
alle deine Wege gut und heil&#x017F;am &#x017F;ind, &#x017F;o rauh und<lb/>
unangenehm &#x017F;ie mir auch immer vorkommen mögen;<lb/>
daß du deines Endzwecks nie verfehlen kann&#x017F;t, weil<lb/>
du der Allwei&#x017F;e bi&#x017F;t; daß du alle deine Ge&#x017F;chöpfe als<lb/>
ein Vater liebe&#x017F;t und glück&#x017F;elig machen will&#x017F;t und<lb/>
wir&#x017F;t; daß du auch mich kenne&#x017F;t und für mich<lb/>
&#x017F;orge&#x017F;t; daß ich unter deiner Auf&#x017F;icht und Regierung<lb/>
ohne meine eigene Schuld nicht elend werden und<lb/>
meine Be&#x017F;timmung nicht verfehlen kann: das weiß<lb/>
und glaube ich zuver&#x017F;ichtlich; daran will ich mich hal-<lb/>
ten; dadurch will ich mich itzt zu trö&#x017F;ten und aufzu-<lb/>
richten &#x017F;uchen, wenn es dir gefallen &#x017F;ollte, das Leiden,<lb/>
welches mir droht, wirklich über mich zu verhängen.</p><lb/>
        <p>Ja, ich weiß auch, daß mein Gebet deinen<lb/>
einmal gemachten Plan nicht abändern kann und wird,<lb/>
daß alle, größere und kleinere, Begebenheiten in der<lb/>
Welt &#x017F;chon in die&#x017F;em deinem ewigen Plane enthalten<lb/>
&#x017F;ind, daß alles, was ge&#x017F;chieht, ein Glied in der lan-<lb/>
gen Kette der Weltbegebenheiten i&#x017F;t, das mit den<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 3</fw><fw place="bottom" type="catch">vorher-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0049] oder der Mutter. dungen, in dem Uebel den Keim des zuerwachſen- den Guten, in der Traurigkeit deiner Geſchöpfe den Saamen zukünftiger Zufriedenheit. Das Auge des Menſchen hingegen ſiehet nur auf das, was vor ihm liegt. Die Zukunft iſt ihm verborgen, und der ſcharf- ſinnigſte Verſtand begreift es nicht, wie das Kommen- de in dem Vergangenen und Gegenwärtigen gegrün- det iſt. Und ich, o Gott, ich vermag es am aller- wenigſten, in deinen weiſen Plan einzudringen und die wunderbaren Wege zu erforſchen, auf welchen du mich zu meiner Glückſeligkeit führen willſt. Aber daß alle deine Wege gut und heilſam ſind, ſo rauh und unangenehm ſie mir auch immer vorkommen mögen; daß du deines Endzwecks nie verfehlen kannſt, weil du der Allweiſe biſt; daß du alle deine Geſchöpfe als ein Vater liebeſt und glückſelig machen willſt und wirſt; daß du auch mich kenneſt und für mich ſorgeſt; daß ich unter deiner Aufſicht und Regierung ohne meine eigene Schuld nicht elend werden und meine Beſtimmung nicht verfehlen kann: das weiß und glaube ich zuverſichtlich; daran will ich mich hal- ten; dadurch will ich mich itzt zu tröſten und aufzu- richten ſuchen, wenn es dir gefallen ſollte, das Leiden, welches mir droht, wirklich über mich zu verhängen. Ja, ich weiß auch, daß mein Gebet deinen einmal gemachten Plan nicht abändern kann und wird, daß alle, größere und kleinere, Begebenheiten in der Welt ſchon in dieſem deinem ewigen Plane enthalten ſind, daß alles, was geſchieht, ein Glied in der lan- gen Kette der Weltbegebenheiten iſt, das mit den vorher- C 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/49
Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/49>, abgerufen am 21.11.2024.