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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Bey der Wiedergenesung.
ren. Diese Empfindungen des Schmerzes, der
Furcht, der Bangigkeit will ich mir oft wieder zurück-
rufen, die während dieser Krankheit mein Herz zer-
rissen. Ich will mich stets an dieselben erinnern, wenn
mich mein jugendlicher Leichtsinn etwas wollen oder
unternehmen heißt, was mit der Liebe zu meinen Ael-
tern nicht bestehen kann. Die Zärtlichkeit und die
Gesinnungen, die ich am Krankenbette äusserte, die
sollen mich hinführo stets beleben, denen will ich nie
mit Vorsatz entgegen handeln.

Nun will ich mich desto lieber der Führung und
Leitung dieses Vaters (dieser Mutter) überlassen,
weil ich itzt deutlich einsehe, wie viel an einem so gu-
ten Führer gelegen ist. Die Belehrungen, die War-
nungen, die Ermahnungen, die Zurechtweisungen,
welche ich nun von ihm (ihr) erhalte, die sollen tief
in meine Seele eindringen, denen will ich meine gan-
ze Aufmerksamkeit schenken, die will ich nie frucht-
los bey mir seyn lassen. Ich will jeden bedeutungs-
vollen Wink, jedes mir gesagte Wort wohl benutzen,
und mich jeder Gelegenheit freuen, wo ich meine
Einsichten vermehren und meine Gesinnungen verbes-
sern kann. Ich will nichts beschließen und unterneh-
men, ohne zuvor den Rath und Willen meiner Aeltern
gehört zu haben. Ich will mich für glücklich halten,
daß ich in ihnen stets Freunde und Vertraute finde, de-
nen ich mein ganzes Herz aufschließen, meine geheim-
sten Wünsche entdecken, alle meine Gesinnungen und
Absichten mittheilen, und an deren Seite es mir nie
an Hülfe und Beystand fehlen kann.

Nun
C 5

Bey der Wiedergeneſung.
ren. Dieſe Empfindungen des Schmerzes, der
Furcht, der Bangigkeit will ich mir oft wieder zurück-
rufen, die während dieſer Krankheit mein Herz zer-
riſſen. Ich will mich ſtets an dieſelben erinnern, wenn
mich mein jugendlicher Leichtſinn etwas wollen oder
unternehmen heißt, was mit der Liebe zu meinen Ael-
tern nicht beſtehen kann. Die Zärtlichkeit und die
Geſinnungen, die ich am Krankenbette äuſſerte, die
ſollen mich hinführo ſtets beleben, denen will ich nie
mit Vorſatz entgegen handeln.

Nun will ich mich deſto lieber der Führung und
Leitung dieſes Vaters (dieſer Mutter) überlaſſen,
weil ich itzt deutlich einſehe, wie viel an einem ſo gu-
ten Führer gelegen iſt. Die Belehrungen, die War-
nungen, die Ermahnungen, die Zurechtweiſungen,
welche ich nun von ihm (ihr) erhalte, die ſollen tief
in meine Seele eindringen, denen will ich meine gan-
ze Aufmerkſamkeit ſchenken, die will ich nie frucht-
los bey mir ſeyn laſſen. Ich will jeden bedeutungs-
vollen Wink, jedes mir geſagte Wort wohl benutzen,
und mich jeder Gelegenheit freuen, wo ich meine
Einſichten vermehren und meine Geſinnungen verbeſ-
ſern kann. Ich will nichts beſchließen und unterneh-
men, ohne zuvor den Rath und Willen meiner Aeltern
gehört zu haben. Ich will mich für glücklich halten,
daß ich in ihnen ſtets Freunde und Vertraute finde, de-
nen ich mein ganzes Herz aufſchließen, meine geheim-
ſten Wünſche entdecken, alle meine Geſinnungen und
Abſichten mittheilen, und an deren Seite es mir nie
an Hülfe und Beyſtand fehlen kann.

Nun
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[41/0053] Bey der Wiedergeneſung. ren. Dieſe Empfindungen des Schmerzes, der Furcht, der Bangigkeit will ich mir oft wieder zurück- rufen, die während dieſer Krankheit mein Herz zer- riſſen. Ich will mich ſtets an dieſelben erinnern, wenn mich mein jugendlicher Leichtſinn etwas wollen oder unternehmen heißt, was mit der Liebe zu meinen Ael- tern nicht beſtehen kann. Die Zärtlichkeit und die Geſinnungen, die ich am Krankenbette äuſſerte, die ſollen mich hinführo ſtets beleben, denen will ich nie mit Vorſatz entgegen handeln. Nun will ich mich deſto lieber der Führung und Leitung dieſes Vaters (dieſer Mutter) überlaſſen, weil ich itzt deutlich einſehe, wie viel an einem ſo gu- ten Führer gelegen iſt. Die Belehrungen, die War- nungen, die Ermahnungen, die Zurechtweiſungen, welche ich nun von ihm (ihr) erhalte, die ſollen tief in meine Seele eindringen, denen will ich meine gan- ze Aufmerkſamkeit ſchenken, die will ich nie frucht- los bey mir ſeyn laſſen. Ich will jeden bedeutungs- vollen Wink, jedes mir geſagte Wort wohl benutzen, und mich jeder Gelegenheit freuen, wo ich meine Einſichten vermehren und meine Geſinnungen verbeſ- ſern kann. Ich will nichts beſchließen und unterneh- men, ohne zuvor den Rath und Willen meiner Aeltern gehört zu haben. Ich will mich für glücklich halten, daß ich in ihnen ſtets Freunde und Vertraute finde, de- nen ich mein ganzes Herz aufſchließen, meine geheim- ſten Wünſche entdecken, alle meine Geſinnungen und Abſichten mittheilen, und an deren Seite es mir nie an Hülfe und Beyſtand fehlen kann. Nun C 5

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/53>, abgerufen am 28.11.2024.