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Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.

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Das Sechste Buch.
Da hebt er beyde händ empor mit frohen sinnen/
Und lässet mildiglich die feuchten zähren rinnen
Und bricht in diese wort: So bist du endlich dann/
O viel geliebter sohn/ zu uns gekommen an;
Und deine lieb und treu/ zu der ich mich vorsehen
Als vater habe stets/ hat alles überstehen
Was mühsam ist/ vermocht: Kein sturm/ kein ungelück/
Noch einige gefahr hat deinen fuß zurück
Gezogen: Ich kan nun mein hertze wieder laben
An deinem augenschein und meine freude haben
An unserem gespräch: So stunde mir mein sinn/
Daß ich gerichtet war auff die gedancken hin/
Du würdest kommen noch: Ich zehlte zeit und stunden/
Und gleichwol hab ich mich gar nicht betrogen funden
In meiner sorg und wahn. Durch was für land und meer
Vernehm ich/ o mein sohn/ daß du bist mit beschwer
Getrieben hin und her? Was furcht hab ich getragen/
Du möchtst durch Libyen dich mit grossem schaden wagen?
Eneas saget drauff: Dein schatten/ vater/ der
Bey nacht mir offt kam für und sah betrübet sehr/
Hat mich genöthiget an diesen ort zu kommen/
Mein schiffzeug aber bleibt im meer mir unbenommen
O vater/ reiche mir doch deine liebeshand
Und laß ümfangen dich. Nimm an diß treue pfand/
Entzeuch dich meiner nicht. Darauff ließ er viel thränen
Von wangen fliessen ab mit liebes vollem sehnen:
Er wolte dreymal ihn umbfangen; Doch umbsonst/
Dieweil sein geist floh weg/ wie eine leichte dunst.
Da
Das Sechſte Buch.
Da hebt er beyde haͤnd empor mit frohen ſinnen/
Und laͤſſet mildiglich die feuchten zaͤhren rinnen
Und bricht in dieſe wort: So biſt du endlich dann/
O viel geliebter ſohn/ zu uns gekommen an;
Und deine lieb und treu/ zu der ich mich vorſehen
Als vater habe ſtets/ hat alles uͤberſtehen
Was muͤhſam iſt/ vermocht: Kein ſturm/ kein ungeluͤck/
Noch einige gefahr hat deinen fuß zuruͤck
Gezogen: Ich kan nun mein hertze wieder laben
An deinem augenſchein und meine freude haben
An unſerem geſpraͤch: So ſtunde mir mein ſinn/
Daß ich gerichtet war auff die gedancken hin/
Du wuͤrdeſt kommen noch: Ich zehlte zeit und ſtunden/
Und gleichwol hab ich mich gar nicht betrogen funden
In meiner ſorg und wahn. Durch was fuͤr land und meer
Vernehm ich/ o mein ſohn/ daß du biſt mit beſchwer
Getrieben hin und her? Was furcht hab ich getragen/
Du moͤchtſt durch Libyen dich mit groſſem ſchadẽ wagẽ?
Eneas ſaget drauff: Dein ſchatten/ vater/ der
Bey nacht mir offt kam fuͤr und ſah betruͤbet ſehr/
Hat mich genoͤthiget an dieſen ort zu kommen/
Mein ſchiffzeug aber bleibt im meer mir unbenommen
O vater/ reiche mir doch deine liebeshand
Und laß uͤmfangen dich. Nimm an diß treue pfand/
Entzeuch dich meiner nicht. Darauff ließ er viel thraͤnen
Von wangen flieſſen ab mit liebes vollem ſehnen:
Er wolte dreymal ihn umbfangen; Doch umbſonſt/
Dieweil ſein geiſt floh weg/ wie eine leichte dunſt.
Da
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[303/0325] Das Sechſte Buch. Da hebt er beyde haͤnd empor mit frohen ſinnen/ Und laͤſſet mildiglich die feuchten zaͤhren rinnen Und bricht in dieſe wort: So biſt du endlich dann/ O viel geliebter ſohn/ zu uns gekommen an; Und deine lieb und treu/ zu der ich mich vorſehen Als vater habe ſtets/ hat alles uͤberſtehen Was muͤhſam iſt/ vermocht: Kein ſturm/ kein ungeluͤck/ Noch einige gefahr hat deinen fuß zuruͤck Gezogen: Ich kan nun mein hertze wieder laben An deinem augenſchein und meine freude haben An unſerem geſpraͤch: So ſtunde mir mein ſinn/ Daß ich gerichtet war auff die gedancken hin/ Du wuͤrdeſt kommen noch: Ich zehlte zeit und ſtunden/ Und gleichwol hab ich mich gar nicht betrogen funden In meiner ſorg und wahn. Durch was fuͤr land und meer Vernehm ich/ o mein ſohn/ daß du biſt mit beſchwer Getrieben hin und her? Was furcht hab ich getragen/ Du moͤchtſt durch Libyen dich mit groſſem ſchadẽ wagẽ? Eneas ſaget drauff: Dein ſchatten/ vater/ der Bey nacht mir offt kam fuͤr und ſah betruͤbet ſehr/ Hat mich genoͤthiget an dieſen ort zu kommen/ Mein ſchiffzeug aber bleibt im meer mir unbenommen O vater/ reiche mir doch deine liebeshand Und laß uͤmfangen dich. Nimm an diß treue pfand/ Entzeuch dich meiner nicht. Darauff ließ er viel thraͤnen Von wangen flieſſen ab mit liebes vollem ſehnen: Er wolte dreymal ihn umbfangen; Doch umbſonſt/ Dieweil ſein geiſt floh weg/ wie eine leichte dunſt. Da

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Zitationshilfe: Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/325>, abgerufen am 22.11.2024.