Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.Das Zehende Buch. Dasselbige gespenst ließ freudig sich im treffenForn sehen an der spitz/ und kunte Turnen äffen Sehr artig/ schoß nach ihm und fodert ihn heraus; Der Turnus setzt drauff zu mit bitterm zorn und straus/ Er/ schoß nach ihm/ und meint/ der schuß solt ihm gelücken/ Da flohe das gespenst/ und kehret ihm den rücken: Da lässet Turnus sich betriegen von dem wahn/ Er hab Eneen weg getrieben von dem plan: Macht leere hoffnung ihm und sagt vermessner weise; Wo hast du hin gesetzt/ Eneas/ deine reise? Wo fleuchst du hin? Verlauff doch deine heyrath nicht/ Die mit dir kräfftiglich ist worden auffgericht. Mit dieser faust wil ich das königreich dir geben/ Wornach du auff dem meer hast immer wollen streben/ So rieff er laut/ und folgt dem schatten bilde nach Mit blossen schwerdt/ und wolt aus üben ernste rach/ Und merckte nicht/ wie daß gantz eitel seine freude Verstäubt in leeren wind mit unmuth/ reu und leide. Es stunde da ein schiff mit einem langen seil Gebunden an dem felß/ daß man in schneller eil Auff eine leiter kunt und brücke darauff steigen: Es war den königen Osin und Clus zu eigen Die darauff kamen an: Auffs selbte schiff stürtzt sich Eneens schattenbild/ und fleucht so schnelliglich/ Als hätt es sich entsetzt und sich verbergen wolte. Der Turnus auch nicht faul/ nicht anders/ als er solte/ Setzt ihm begierlich nach/ säumt in geringsten nicht/ Springt über hin die brück und mit sich selber ficht; Die
Das Zehende Buch. Daſſelbige geſpenſt ließ freudig ſich im treffenForn ſehen an der ſpitz/ und kunte Turnen aͤffen Sehr artig/ ſchoß nach ihm und fodert ihn heraus; Der Turnus ſetzt drauff zu mit bitterm zorn und ſtraus/ Er/ ſchoß nach ihm/ und meint/ der ſchuß ſolt ihm geluͤcken/ Da flohe das geſpenſt/ und kehret ihm den ruͤcken: Da laͤſſet Turnus ſich betriegen von dem wahn/ Er hab Eneen weg getrieben von dem plan: Macht leere hoffnung ihm und ſagt vermeſſner weiſe; Wo haſt du hin geſetzt/ Eneas/ deine reiſe? Wo fleuchſt du hin? Verlauff doch deine heyrath nicht/ Die mit dir kraͤfftiglich iſt worden auffgericht. Mit dieſer fauſt wil ich das koͤnigreich dir geben/ Wornach du auff dem meer haſt immer wollen ſtreben/ So rieff er laut/ und folgt dem ſchatten bilde nach Mit bloſſen ſchwerdt/ und wolt aus uͤben ernſte rach/ Und merckte nicht/ wie daß gantz eitel ſeine freude Verſtaͤubt in leeren wind mit unmuth/ reu und leide. Es ſtunde da ein ſchiff mit einem langen ſeil Gebunden an dem felß/ daß man in ſchneller eil Auff eine leiter kunt und bruͤcke darauff ſteigen: Es war den koͤnigen Oſin und Clus zu eigen Die darauff kamen an: Auffs ſelbte ſchiff ſtuͤrtzt ſich Eneens ſchattenbild/ und fleucht ſo ſchnelliglich/ Als haͤtt es ſich entſetzt und ſich verbergen wolte. Der Turnus auch nicht faul/ nicht anders/ als er ſolte/ Setzt ihm begierlich nach/ ſaͤumt in geringſten nicht/ Springt uͤber hin die bruͤck und mit ſich ſelber ficht; Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0538" n="516"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Das Zehende Buch.</hi> </fw><lb/> <l>Daſſelbige geſpenſt ließ freudig ſich im treffen</l><lb/> <l>Forn ſehen an der ſpitz/ und kunte Turnen aͤffen</l><lb/> <l>Sehr artig/ ſchoß nach ihm und fodert ihn heraus;</l><lb/> <l>Der Turnus ſetzt drauff zu mit bitterm zorn und ſtraus/</l><lb/> <l>Er/ ſchoß nach ihm/ und meint/ der ſchuß ſolt ihm geluͤcken/</l><lb/> <l><hi rendition="#fr">D</hi>a flohe das geſpenſt/ und kehret ihm den ruͤcken:</l><lb/> <l>Da laͤſſet Turnus ſich betriegen von dem wahn/</l><lb/> <l>Er hab Eneen weg getrieben von dem plan:</l><lb/> <l>Macht leere hoffnung ihm und ſagt vermeſſner weiſe;</l><lb/> <l>Wo haſt du hin geſetzt/ <hi rendition="#fr">E</hi>neas/ deine reiſe<hi rendition="#i">?</hi></l><lb/> <l>Wo fleuchſt du hin<hi rendition="#i">?</hi> Verlauff doch deine heyrath nicht/</l><lb/> <l>Die mit dir kraͤfftiglich iſt worden auffgericht.</l><lb/> <l>Mit dieſer fauſt wil ich das koͤnigreich dir geben/</l><lb/> <l>Wornach du auff dem meer haſt immer wollen ſtreben/</l><lb/> <l>So rieff er laut/ und folgt dem ſchatten bilde nach</l><lb/> <l>Mit bloſſen ſchwerdt/ und wolt aus uͤben ernſte rach/</l><lb/> <l>Und merckte nicht/ wie daß gantz eitel ſeine freude</l><lb/> <l>Verſtaͤubt in leeren wind mit unmuth/ reu und leide.</l><lb/> <l>Es ſtunde da ein ſchiff mit einem langen ſeil</l><lb/> <l>Gebunden an dem felß/ daß man in ſchneller eil</l><lb/> <l>Auff eine leiter kunt und bruͤcke darauff ſteigen:</l><lb/> <l>Es war den koͤnigen Oſin und Clus zu eigen</l><lb/> <l>Die darauff kamen an: Auffs ſelbte ſchiff ſtuͤrtzt ſich</l><lb/> <l>Eneens ſchattenbild/ und fleucht ſo ſchnelliglich/</l><lb/> <l>Als haͤtt es ſich entſetzt und ſich verbergen wolte.</l><lb/> <l>Der Turnus auch nicht faul/ nicht anders/ als er ſolte/</l><lb/> <l>Setzt ihm begierlich nach/ ſaͤumt in geringſten nicht/</l><lb/> <l>Springt uͤber hin die bruͤck und mit ſich ſelber ficht;</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [516/0538]
Das Zehende Buch.
Daſſelbige geſpenſt ließ freudig ſich im treffen
Forn ſehen an der ſpitz/ und kunte Turnen aͤffen
Sehr artig/ ſchoß nach ihm und fodert ihn heraus;
Der Turnus ſetzt drauff zu mit bitterm zorn und ſtraus/
Er/ ſchoß nach ihm/ und meint/ der ſchuß ſolt ihm geluͤcken/
Da flohe das geſpenſt/ und kehret ihm den ruͤcken:
Da laͤſſet Turnus ſich betriegen von dem wahn/
Er hab Eneen weg getrieben von dem plan:
Macht leere hoffnung ihm und ſagt vermeſſner weiſe;
Wo haſt du hin geſetzt/ Eneas/ deine reiſe?
Wo fleuchſt du hin? Verlauff doch deine heyrath nicht/
Die mit dir kraͤfftiglich iſt worden auffgericht.
Mit dieſer fauſt wil ich das koͤnigreich dir geben/
Wornach du auff dem meer haſt immer wollen ſtreben/
So rieff er laut/ und folgt dem ſchatten bilde nach
Mit bloſſen ſchwerdt/ und wolt aus uͤben ernſte rach/
Und merckte nicht/ wie daß gantz eitel ſeine freude
Verſtaͤubt in leeren wind mit unmuth/ reu und leide.
Es ſtunde da ein ſchiff mit einem langen ſeil
Gebunden an dem felß/ daß man in ſchneller eil
Auff eine leiter kunt und bruͤcke darauff ſteigen:
Es war den koͤnigen Oſin und Clus zu eigen
Die darauff kamen an: Auffs ſelbte ſchiff ſtuͤrtzt ſich
Eneens ſchattenbild/ und fleucht ſo ſchnelliglich/
Als haͤtt es ſich entſetzt und ſich verbergen wolte.
Der Turnus auch nicht faul/ nicht anders/ als er ſolte/
Setzt ihm begierlich nach/ ſaͤumt in geringſten nicht/
Springt uͤber hin die bruͤck und mit ſich ſelber ficht;
Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |