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Marperger, Paul Jacob: Das Wohl-eingerichtete Seminarium Militare. Dresden, 1724.

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herumlauffen, damit sie Hitz und Kälte so viel besser ertragen lernen, in diesen
Zustand wachsen sie recht verwunderlich mit starcken Gliedmaßen, und einen
langen geraden Leib auf, auch säuget NB. eine jede Mutter ihr Kind selbst, und
giebt solche keinen Mägden noch Ammen über, wie man denn auch keinen Unter-
schied zwischen eines Herrn und Dieners Kind siehet, sie werden gleich erzogen,
biß sie endlich das Alter von einander unterscheidet, die um den Rhein wohnende
Teutschen pflegten gar ihre neugebohrne Kinder, so bald sie aus Mutter Leib ka-
men, in diesen Fluß hinein zu tragen, und daselbst unter das kalte Wasser zu tau-
chen, damit sie durch diese Extremität von der einen zu der andern, gleich als ein
glüendes ins Wasser gestecktes Eisen so viel mehr gehärtet werden möchten, worü-
ber sich Galenus Lib. 1. de tuenda Sanitate höchlich verwundert, wann er
schreibet: Quis quaeso sustineat infantem modo editam, & ab Utero adhue ca-
lentem ad Flumen deferre, ut apud Germanos fieri ajunt, ceu eandens ferrum,
in frigidam aquam immergendo, fimul de naturae vigore periculum facere, fimul-
que corpus ipsum roborare.

Wann sie ein wenig erwachsen, so war ihre Speise wildes Obst, dicke
Milch, und zuweilen bekamen sie auch etwas von Wildpret, das ihre Väter
mit ihren Pfeil und Bogen gefället hatten, man besehe hiervon unsern Planta-
gen-Tractat,
ingleichen was wir in dem Küch- und Keller-Dictionario von der
alten Teutschen ihren Speiß-Arten gemeldet.

Wie nun solchergestalt die Speisen gantz simples waren, also gieng es
auch mit der Kleidung her, davon abermahls Tacitus Cap. 17. schreibet, daß
sie sich mit einem groben Rock, der glat an den Leib anlag, und vorn mit einen
spitzigen Dorn, bey denen Reichen aber mit einer Spange zugesteckt gewesen,
ingleichen mit wilder Thiere Häuten, die sie selbst auff der Jagt erleget, be-
kleidet hätten.

Nun auff ihre Exercitia zu kommen, so wusten sie zwar von denen Kriegs-
Ubungen, die damahls bey denen Römern gebräuchlich waren, nicht viel, je-
doch war die harte Letzens-Art, die ihre Jugend-sich angewöhnen muste, schon
ein guter Anfang darzu, sonderlich da man sie bey Zeiten mit auff die Jagt nahm,
da sie sich dann über Berg und Thal das Wild zu verfolgen, auch offt in lan-
ger Zeit unter kein Ob-Dach zu kommen angewöhnen musten, wiewohl auch
Tacitus Cap. 6. schon meldet, daß man die junge Mannschafft mit in die
Schlacht genommen, und solche zwischen die Reuterey postiret habe.

Weil sie auch sehr im Gebrauch hatten, ihre junge Noblesse bey Zeiten
zur Auffwartung an Fürstliche Höfe (wie etwan heutigs Tags mit denen Pa-
gen geschiehet,) zu bringen, so rühmet hiervon abermahl Tacitus Cap. 13. &
14. daß sie sich alsdann ihrem Herrn durch tapffere Thaten gefällig und beliebt

zu

herumlauffen, damit ſie Hitz und Kaͤlte ſo viel beſſer ertragen lernen, in dieſen
Zuſtand wachſen ſie recht verwunderlich mit ſtarcken Gliedmaßen, und einen
langen geraden Leib auf, auch ſaͤuget NB. eine jede Mutter ihr Kind ſelbſt, und
giebt ſolche keinen Maͤgden noch Ammen uͤber, wie man denn auch keinen Unter-
ſchied zwiſchen eines Herrn und Dieners Kind ſiehet, ſie werden gleich erzogen,
biß ſie endlich das Alter von einander unterſcheidet, die um den Rhein wohnende
Teutſchen pflegten gar ihre neugebohrne Kinder, ſo bald ſie aus Mutter Leib ka-
men, in dieſen Fluß hinein zu tragen, und daſelbſt unter das kalte Waſſer zu tau-
chen, damit ſie durch dieſe Extremitaͤt von der einen zu der andern, gleich als ein
gluͤendes ins Waſſer geſtecktes Eiſen ſo viel mehr gehaͤrtet werden moͤchten, woruͤ-
ber ſich Galenus Lib. 1. de tuenda Sanitate hoͤchlich verwundert, wann er
ſchreibet: Quis quæſo ſuſtineat infantem modo editam, & ab Utero adhue ca-
lentem ad Flumen deferre, ut apud Germanos fieri ajunt, ceu eandens ferrum,
in frigidam aquam immergendo, fimul de naturæ vigore periculum facere, fimul-
que corpus ipſum roborare.

Wann ſie ein wenig erwachſen, ſo war ihre Speiſe wildes Obſt, dicke
Milch, und zuweilen bekamen ſie auch etwas von Wildpret, das ihre Vaͤter
mit ihren Pfeil und Bogen gefaͤllet hatten, man beſehe hiervon unſern Planta-
gen-Tractat,
ingleichen was wir in dem Kuͤch- und Keller-Dictionario von der
alten Teutſchen ihren Speiß-Arten gemeldet.

Wie nun ſolchergeſtalt die Speiſen gantz ſimples waren, alſo gieng es
auch mit der Kleidung her, davon abermahls Tacitus Cap. 17. ſchreibet, daß
ſie ſich mit einem groben Rock, der glat an den Leib anlag, und vorn mit einen
ſpitzigen Dorn, bey denen Reichen aber mit einer Spange zugeſteckt geweſen,
ingleichen mit wilder Thiere Haͤuten, die ſie ſelbſt auff der Jagt erleget, be-
kleidet haͤtten.

Nun auff ihre Exercitia zu kommen, ſo wuſten ſie zwar von denen Kriegs-
Ubungen, die damahls bey denen Roͤmern gebraͤuchlich waren, nicht viel, je-
doch war die harte Letzens-Art, die ihre Jugend-ſich angewoͤhnen muſte, ſchon
ein guter Anfang darzu, ſonderlich da man ſie bey Zeiten mit auff die Jagt nahm,
da ſie ſich dann uͤber Berg und Thal das Wild zu verfolgen, auch offt in lan-
ger Zeit unter kein Ob-Dach zu kommen angewoͤhnen muſten, wiewohl auch
Tacitus Cap. 6. ſchon meldet, daß man die junge Mannſchafft mit in die
Schlacht genommen, und ſolche zwiſchen die Reuterey poſtiret habe.

Weil ſie auch ſehr im Gebrauch hatten, ihre junge Nobleſſe bey Zeiten
zur Auffwartung an Fuͤrſtliche Hoͤfe (wie etwan heutigs Tags mit denen Pa-
gen geſchiehet,) zu bringen, ſo ruͤhmet hiervon abermahl Tacitus Cap. 13. &
14. daß ſie ſich alsdann ihrem Herrn durch tapffere Thaten gefaͤllig und beliebt

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[10/0010] herumlauffen, damit ſie Hitz und Kaͤlte ſo viel beſſer ertragen lernen, in dieſen Zuſtand wachſen ſie recht verwunderlich mit ſtarcken Gliedmaßen, und einen langen geraden Leib auf, auch ſaͤuget NB. eine jede Mutter ihr Kind ſelbſt, und giebt ſolche keinen Maͤgden noch Ammen uͤber, wie man denn auch keinen Unter- ſchied zwiſchen eines Herrn und Dieners Kind ſiehet, ſie werden gleich erzogen, biß ſie endlich das Alter von einander unterſcheidet, die um den Rhein wohnende Teutſchen pflegten gar ihre neugebohrne Kinder, ſo bald ſie aus Mutter Leib ka- men, in dieſen Fluß hinein zu tragen, und daſelbſt unter das kalte Waſſer zu tau- chen, damit ſie durch dieſe Extremitaͤt von der einen zu der andern, gleich als ein gluͤendes ins Waſſer geſtecktes Eiſen ſo viel mehr gehaͤrtet werden moͤchten, woruͤ- ber ſich Galenus Lib. 1. de tuenda Sanitate hoͤchlich verwundert, wann er ſchreibet: Quis quæſo ſuſtineat infantem modo editam, & ab Utero adhue ca- lentem ad Flumen deferre, ut apud Germanos fieri ajunt, ceu eandens ferrum, in frigidam aquam immergendo, fimul de naturæ vigore periculum facere, fimul- que corpus ipſum roborare. Wann ſie ein wenig erwachſen, ſo war ihre Speiſe wildes Obſt, dicke Milch, und zuweilen bekamen ſie auch etwas von Wildpret, das ihre Vaͤter mit ihren Pfeil und Bogen gefaͤllet hatten, man beſehe hiervon unſern Planta- gen-Tractat, ingleichen was wir in dem Kuͤch- und Keller-Dictionario von der alten Teutſchen ihren Speiß-Arten gemeldet. Wie nun ſolchergeſtalt die Speiſen gantz ſimples waren, alſo gieng es auch mit der Kleidung her, davon abermahls Tacitus Cap. 17. ſchreibet, daß ſie ſich mit einem groben Rock, der glat an den Leib anlag, und vorn mit einen ſpitzigen Dorn, bey denen Reichen aber mit einer Spange zugeſteckt geweſen, ingleichen mit wilder Thiere Haͤuten, die ſie ſelbſt auff der Jagt erleget, be- kleidet haͤtten. Nun auff ihre Exercitia zu kommen, ſo wuſten ſie zwar von denen Kriegs- Ubungen, die damahls bey denen Roͤmern gebraͤuchlich waren, nicht viel, je- doch war die harte Letzens-Art, die ihre Jugend-ſich angewoͤhnen muſte, ſchon ein guter Anfang darzu, ſonderlich da man ſie bey Zeiten mit auff die Jagt nahm, da ſie ſich dann uͤber Berg und Thal das Wild zu verfolgen, auch offt in lan- ger Zeit unter kein Ob-Dach zu kommen angewoͤhnen muſten, wiewohl auch Tacitus Cap. 6. ſchon meldet, daß man die junge Mannſchafft mit in die Schlacht genommen, und ſolche zwiſchen die Reuterey poſtiret habe. Weil ſie auch ſehr im Gebrauch hatten, ihre junge Nobleſſe bey Zeiten zur Auffwartung an Fuͤrſtliche Hoͤfe (wie etwan heutigs Tags mit denen Pa- gen geſchiehet,) zu bringen, ſo ruͤhmet hiervon abermahl Tacitus Cap. 13. & 14. daß ſie ſich alsdann ihrem Herrn durch tapffere Thaten gefaͤllig und beliebt zu

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Zitationshilfe: Marperger, Paul Jacob: Das Wohl-eingerichtete Seminarium Militare. Dresden, 1724, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marperger_militare_1724/10>, abgerufen am 26.04.2024.