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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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Neunzehnter Abschnitt.
Von der geometrischen Construction einer
gleichschwebenden Temperatur.


§. 173.

Durch die geometrische Construction erhält man die gleich-
schwebende Temperatur in Linien, so wie durch den
Calcul in Zahlen. Die Operation beruhet auf folgenden zwey
Problemen:

1) Zwischen zwey gegebnen Linien eine geometri-
sche Mittelproportionale, und 2) zwischen zwey
gegebnen Linien zwey geometrische Mittelpro-
portionale zu finden.

Die beyden gegebnen Linien verhalten sich allhier wie
2:1 = C:c, und man erhält durch das erste Problem das
geometrische Mittel fis oder ges der Octave C:c, und durch
das zweyte, wodurch die Octave in drey geometrisch gleiche
Theile zerfället wird, die Töne E und Gis, und es wird c:e =
e:gis = as:c
werden. Aus den Linien für die Töne fis, e
und gis werden hernach, durch Hülfe des ersten Problems,
alle übrige Töne gefunden, so wie im §. 158. bey der dritten
Art von Berechnung einer gleichschwebenden Temperatur ge-
zeiget worden ist.

§. 174.

Für das erste Problem findet man in allen Anleitungen zur
Geometrie eine längst erwiesene Regel. Allein wie man zwi-
schen zwey gegebnen Linien zwey geometrische Mittelpropor-
tionale erfinden soll, ohne die krummen Linien der höhern Geo-
metrie zu Hülfe zu nehmen, ist noch nirgends gezeiget worden,
und die Solutionen, die davon gegeben werden, sind mehr
mechanisch als geometrisch. Da diese Solutionen indessen eben
dasjenige leisten, was eine vollkommne geometrische Opera-
tion leisten würde: so kann dieser Umstand dem Musiker gleich-
gültig seyn, und es hat derselbe nur zwischen den verschiednen

Auflö-
K 3


Neunzehnter Abſchnitt.
Von der geometriſchen Conſtruction einer
gleichſchwebenden Temperatur.


§. 173.

Durch die geometriſche Conſtruction erhaͤlt man die gleich-
ſchwebende Temperatur in Linien, ſo wie durch den
Calcul in Zahlen. Die Operation beruhet auf folgenden zwey
Problemen:

1) Zwiſchen zwey gegebnen Linien eine geometri-
ſche Mittelproportionale, und 2) zwiſchen zwey
gegebnen Linien zwey geometriſche Mittelpro-
portionale zu finden.

Die beyden gegebnen Linien verhalten ſich allhier wie
2:1 = C:c, und man erhaͤlt durch das erſte Problem das
geometriſche Mittel fis oder ges der Octave C:c, und durch
das zweyte, wodurch die Octave in drey geometriſch gleiche
Theile zerfaͤllet wird, die Toͤne E und Gis, und es wird c:e =
e:gis = as:c
werden. Aus den Linien fuͤr die Toͤne fis, e
und gis werden hernach, durch Huͤlfe des erſten Problems,
alle uͤbrige Toͤne gefunden, ſo wie im §. 158. bey der dritten
Art von Berechnung einer gleichſchwebenden Temperatur ge-
zeiget worden iſt.

§. 174.

Fuͤr das erſte Problem findet man in allen Anleitungen zur
Geometrie eine laͤngſt erwieſene Regel. Allein wie man zwi-
ſchen zwey gegebnen Linien zwey geometriſche Mittelpropor-
tionale erfinden ſoll, ohne die krummen Linien der hoͤhern Geo-
metrie zu Huͤlfe zu nehmen, iſt noch nirgends gezeiget worden,
und die Solutionen, die davon gegeben werden, ſind mehr
mechaniſch als geometriſch. Da dieſe Solutionen indeſſen eben
dasjenige leiſten, was eine vollkommne geometriſche Opera-
tion leiſten wuͤrde: ſo kann dieſer Umſtand dem Muſiker gleich-
guͤltig ſeyn, und es hat derſelbe nur zwiſchen den verſchiednen

Aufloͤ-
K 3
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[149/0169] Neunzehnter Abſchnitt. Von der geometriſchen Conſtruction einer gleichſchwebenden Temperatur. §. 173. Durch die geometriſche Conſtruction erhaͤlt man die gleich- ſchwebende Temperatur in Linien, ſo wie durch den Calcul in Zahlen. Die Operation beruhet auf folgenden zwey Problemen: 1) Zwiſchen zwey gegebnen Linien eine geometri- ſche Mittelproportionale, und 2) zwiſchen zwey gegebnen Linien zwey geometriſche Mittelpro- portionale zu finden. Die beyden gegebnen Linien verhalten ſich allhier wie 2:1 = C:c, und man erhaͤlt durch das erſte Problem das geometriſche Mittel fis oder ges der Octave C:c, und durch das zweyte, wodurch die Octave in drey geometriſch gleiche Theile zerfaͤllet wird, die Toͤne E und Gis, und es wird c:e = e:gis = as:c werden. Aus den Linien fuͤr die Toͤne fis, e und gis werden hernach, durch Huͤlfe des erſten Problems, alle uͤbrige Toͤne gefunden, ſo wie im §. 158. bey der dritten Art von Berechnung einer gleichſchwebenden Temperatur ge- zeiget worden iſt. §. 174. Fuͤr das erſte Problem findet man in allen Anleitungen zur Geometrie eine laͤngſt erwieſene Regel. Allein wie man zwi- ſchen zwey gegebnen Linien zwey geometriſche Mittelpropor- tionale erfinden ſoll, ohne die krummen Linien der hoͤhern Geo- metrie zu Huͤlfe zu nehmen, iſt noch nirgends gezeiget worden, und die Solutionen, die davon gegeben werden, ſind mehr mechaniſch als geometriſch. Da dieſe Solutionen indeſſen eben dasjenige leiſten, was eine vollkommne geometriſche Opera- tion leiſten wuͤrde: ſo kann dieſer Umſtand dem Muſiker gleich- guͤltig ſeyn, und es hat derſelbe nur zwiſchen den verſchiednen Aufloͤ- K 3

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/169>, abgerufen am 24.11.2024.