Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.Anhang etc. Erster Abschnitt. geworden, und diese haben wir den gelehrten Untersuchungeneines französischen Tonkünstlers, *) des Herrn Rameau und zwar dem von ihm erfundnen Grundbaß, zu danken. Jch sage nur eine einzige Art, weil die verunglückten Versuche verschiedner andern Musiker nicht den Nahmen der Auflösung verdienen, und solche auch bereits in der Geburt vergessen worden sind; die größte Ehre, welche ihnen widerfahren konnte. -- Es fehlet nichts mehr, als daß die Practiker in An- sehung der wesentlichen Dissonanzen über folgende Artikel un- ter sich einig werden: 1) was für einfache und zusammengesetzte Accorde in bey- derley Tonarten, mit Benennung der Tonseyten wohin sie gehören, gebraucht und welche nicht gebrauchet wer- den können; 2) welche Umkehrungen, sowohl der einfachen als zusam- mengesetzten Accorde statt finden, und welche nicht statt finden können. Denn die Bestimmung der Accorde ist nicht ein Werk des §. 259. Ob die Ordnung und succeßive Erzeugung der dissoniren- von *) Es ist wohl nichts daran gelegen, ob irgend eine Aufgabe von einem
Bergschotten oder Jsländer aufgelöset wird, wenn die Auflösung nur vernünftig ist. Die Academien der Wissenschaften pflegen bey Aus- theilung ihrer Prämien niemals auf das Vaterland oder die Religion der Concurrenten Bedacht zu nehmen. Sollten die Musiker mehr Ur- sache haben, es zu thun? Nicht Schottland oder Jsland, sondern die Welt ist das Vaterland der Wahrheit und des Verdienstes. -- Scha- de, daß nicht alle praktische Musiker über die Grundsätze ihrer Kunst vernünftig zu denken im Stande, und daß die Gelehrten insgemein von der Kunst der Töne nicht hinlänglich unterrichtet sind, um sich vor falschen Nachrichten genugsam verwahren zu können. -- Anhang ꝛc. Erſter Abſchnitt. geworden, und dieſe haben wir den gelehrten Unterſuchungeneines franzoͤſiſchen Tonkuͤnſtlers, *) des Herrn Rameau und zwar dem von ihm erfundnen Grundbaß, zu danken. Jch ſage nur eine einzige Art, weil die verungluͤckten Verſuche verſchiedner andern Muſiker nicht den Nahmen der Aufloͤſung verdienen, und ſolche auch bereits in der Geburt vergeſſen worden ſind; die groͤßte Ehre, welche ihnen widerfahren konnte. — Es fehlet nichts mehr, als daß die Practiker in An- ſehung der weſentlichen Diſſonanzen uͤber folgende Artikel un- ter ſich einig werden: 1) was fuͤr einfache und zuſammengeſetzte Accorde in bey- derley Tonarten, mit Benennung der Tonſeyten wohin ſie gehoͤren, gebraucht und welche nicht gebrauchet wer- den koͤnnen; 2) welche Umkehrungen, ſowohl der einfachen als zuſam- mengeſetzten Accorde ſtatt finden, und welche nicht ſtatt finden koͤnnen. Denn die Beſtimmung der Accorde iſt nicht ein Werk des §. 259. Ob die Ordnung und ſucceßive Erzeugung der diſſoniren- von *) Es iſt wohl nichts daran gelegen, ob irgend eine Aufgabe von einem
Bergſchotten oder Jslaͤnder aufgeloͤſet wird, wenn die Aufloͤſung nur vernuͤnftig iſt. Die Academien der Wiſſenſchaften pflegen bey Aus- theilung ihrer Praͤmien niemals auf das Vaterland oder die Religion der Concurrenten Bedacht zu nehmen. Sollten die Muſiker mehr Ur- ſache haben, es zu thun? Nicht Schottland oder Jsland, ſondern die Welt iſt das Vaterland der Wahrheit und des Verdienſtes. — Scha- de, daß nicht alle praktiſche Muſiker uͤber die Grundſaͤtze ihrer Kunſt vernuͤnftig zu denken im Stande, und daß die Gelehrten insgemein von der Kunſt der Toͤne nicht hinlaͤnglich unterrichtet ſind, um ſich vor falſchen Nachrichten genugſam verwahren zu koͤnnen. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0262" n="242"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anhang ꝛc. Erſter Abſchnitt.</hi></fw><lb/> geworden, und dieſe haben wir den gelehrten Unterſuchungen<lb/> eines franzoͤſiſchen Tonkuͤnſtlers, <note place="foot" n="*)">Es iſt wohl nichts daran gelegen, ob irgend eine Aufgabe von einem<lb/> Bergſchotten oder Jslaͤnder aufgeloͤſet wird, wenn die Aufloͤſung nur<lb/> vernuͤnftig iſt. Die Academien der Wiſſenſchaften pflegen bey Aus-<lb/> theilung ihrer Praͤmien niemals auf das Vaterland oder die Religion<lb/> der Concurrenten Bedacht zu nehmen. Sollten die Muſiker mehr Ur-<lb/> ſache haben, es zu thun? Nicht Schottland oder Jsland, ſondern die<lb/> Welt iſt das Vaterland der Wahrheit und des Verdienſtes. — Scha-<lb/> de, daß nicht alle praktiſche Muſiker uͤber die Grundſaͤtze ihrer Kunſt<lb/> vernuͤnftig zu denken im Stande, und daß die Gelehrten insgemein<lb/> von der Kunſt der Toͤne nicht hinlaͤnglich unterrichtet ſind, um ſich<lb/> vor falſchen Nachrichten genugſam verwahren zu koͤnnen. —</note> des Herrn <hi rendition="#fr">Rameau</hi> und<lb/> zwar dem von ihm erfundnen <hi rendition="#fr">Grundbaß,</hi> zu danken. Jch<lb/> ſage <hi rendition="#fr">nur eine einzige Art,</hi> weil die verungluͤckten Verſuche<lb/> verſchiedner andern Muſiker nicht den Nahmen der Aufloͤſung<lb/> verdienen, und ſolche auch bereits in der Geburt vergeſſen<lb/> worden ſind; die groͤßte Ehre, welche ihnen widerfahren<lb/> konnte. — Es fehlet nichts mehr, als daß die Practiker in An-<lb/> ſehung der weſentlichen Diſſonanzen uͤber folgende Artikel un-<lb/> ter ſich einig werden:</p><lb/> <list> <item>1) was fuͤr einfache und zuſammengeſetzte Accorde in bey-<lb/> derley Tonarten, mit Benennung der Tonſeyten wohin<lb/> ſie gehoͤren, gebraucht und welche nicht gebrauchet wer-<lb/> den koͤnnen;</item><lb/> <item>2) welche Umkehrungen, ſowohl der einfachen als zuſam-<lb/> mengeſetzten Accorde ſtatt finden, und welche nicht ſtatt<lb/> finden koͤnnen.</item> </list><lb/> <p>Denn die Beſtimmung der Accorde iſt nicht ein Werk des<lb/> Grundbaßes. Vermittelſt deſſelben ſoll nur gezeiget werden,<lb/> wie dieſe Accorde in einen methodiſchen Zuſammenhang ge-<lb/> bracht werden koͤnnen; wie die Accorde nach und nach einer aus<lb/> dem andern entſtehen, und wie ſich ihre Behandlung zur<lb/> Bequemlichkeit des Lehrenden und Lernenden, aus dieſer Ent-<lb/> ſtehung erklaͤren laͤſſet.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 259.</head><lb/> <p>Ob die Ordnung und ſucceßive Erzeugung der diſſoniren-<lb/> den Accorde ſich aus dem <hi rendition="#fr">Aufhaltungsproceß</hi> der Conſo-<lb/> nanzen erklaͤren laſſe, iſt zur Zeit noch eine Frage, welche ich<lb/> <fw place="bottom" type="catch">von</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [242/0262]
Anhang ꝛc. Erſter Abſchnitt.
geworden, und dieſe haben wir den gelehrten Unterſuchungen
eines franzoͤſiſchen Tonkuͤnſtlers, *) des Herrn Rameau und
zwar dem von ihm erfundnen Grundbaß, zu danken. Jch
ſage nur eine einzige Art, weil die verungluͤckten Verſuche
verſchiedner andern Muſiker nicht den Nahmen der Aufloͤſung
verdienen, und ſolche auch bereits in der Geburt vergeſſen
worden ſind; die groͤßte Ehre, welche ihnen widerfahren
konnte. — Es fehlet nichts mehr, als daß die Practiker in An-
ſehung der weſentlichen Diſſonanzen uͤber folgende Artikel un-
ter ſich einig werden:
1) was fuͤr einfache und zuſammengeſetzte Accorde in bey-
derley Tonarten, mit Benennung der Tonſeyten wohin
ſie gehoͤren, gebraucht und welche nicht gebrauchet wer-
den koͤnnen;
2) welche Umkehrungen, ſowohl der einfachen als zuſam-
mengeſetzten Accorde ſtatt finden, und welche nicht ſtatt
finden koͤnnen.
Denn die Beſtimmung der Accorde iſt nicht ein Werk des
Grundbaßes. Vermittelſt deſſelben ſoll nur gezeiget werden,
wie dieſe Accorde in einen methodiſchen Zuſammenhang ge-
bracht werden koͤnnen; wie die Accorde nach und nach einer aus
dem andern entſtehen, und wie ſich ihre Behandlung zur
Bequemlichkeit des Lehrenden und Lernenden, aus dieſer Ent-
ſtehung erklaͤren laͤſſet.
§. 259.
Ob die Ordnung und ſucceßive Erzeugung der diſſoniren-
den Accorde ſich aus dem Aufhaltungsproceß der Conſo-
nanzen erklaͤren laſſe, iſt zur Zeit noch eine Frage, welche ich
von
*) Es iſt wohl nichts daran gelegen, ob irgend eine Aufgabe von einem
Bergſchotten oder Jslaͤnder aufgeloͤſet wird, wenn die Aufloͤſung nur
vernuͤnftig iſt. Die Academien der Wiſſenſchaften pflegen bey Aus-
theilung ihrer Praͤmien niemals auf das Vaterland oder die Religion
der Concurrenten Bedacht zu nehmen. Sollten die Muſiker mehr Ur-
ſache haben, es zu thun? Nicht Schottland oder Jsland, ſondern die
Welt iſt das Vaterland der Wahrheit und des Verdienſtes. — Scha-
de, daß nicht alle praktiſche Muſiker uͤber die Grundſaͤtze ihrer Kunſt
vernuͤnftig zu denken im Stande, und daß die Gelehrten insgemein
von der Kunſt der Toͤne nicht hinlaͤnglich unterrichtet ſind, um ſich
vor falſchen Nachrichten genugſam verwahren zu koͤnnen. —
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