Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.
Daß die Secunde eine schärfere Dissonanz ist als die Septime, §. 57. Da sowohl der Auctor des Artikels Secunde, als der Hr. stand
Daß die Secunde eine ſchaͤrfere Diſſonanz iſt als die Septime, §. 57. Da ſowohl der Auctor des Artikels Secunde, als der Hr. ſtand
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <cit> <quote><pb facs="#f0072" n="52"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebenter Abſchnitt.</hi></fw><lb/> „Pfeiffen immer beſchwerlicher werde, je naͤher ſie dem Uni-<lb/> „ſonus oder dem Verhaͤltniß 1:1 kommen.‟</quote> </cit><lb/> <p>Daß die Secunde eine ſchaͤrfere Diſſonanz iſt als die Septime,<lb/> wird ſo wenig geleugnet, als daß die dritte Umkehrung des<lb/> Septimenaccords die haͤrteſte von allen dreyen Umkehrungen<lb/> iſt; und es iſt dieſes ſchon vor langer Zeit, und unter andern<lb/> auch von mir, ſchriftlich gelehret worden. Aber daraus fol-<lb/> get nicht, daß die Secunde die erſte Diſſonanz iſt. Waͤre ſie<lb/> dieſes, ſo muͤßte in der Harmonie der Secundenaccord ein<lb/> Grundaccord ſeyn, von welchem der Septimenaccord ent-<lb/> ſtaͤnde. So grundlos nun dieſe Meinung ſeyn wuͤrde, da ſie<lb/> mit der Art, wie die Natur die Accorde nach einander giebt,<lb/> einen Widerſpruch macht, ſo ungegruͤndet iſt die Prioritaͤt der<lb/> Secunde vor der Septime. Gewiß, wer den Secundenac-<lb/> cord zu einem Grundaccord erheben wollte, muͤßte die auf den<lb/> natuͤrlichen Bau der Accorde gegruͤndeten unveraͤnderlichen und<lb/> ewigen Merkmale eines Grundaccords ſo wenig kennen, als<lb/> der von dem Hrn. Doct. <hi rendition="#fr">Gemmel</hi> widerlegte Herr J. F.<lb/><hi rendition="#fr">Daube</hi> ſie kannte, welcher den Sertquintenaccord zu einem<lb/> Grundaccord machte, oder als derjenige ſie kennen wuͤrde, der<lb/> vielleicht mit der Zeit den Terzquartenaccord dazu machen wird.<lb/> Denn ich zweifle gar nicht, daß dieſes einmal geſchehen wird,<lb/> da viele Muſiker zu Neuerungen geneigt ſind, und ſich oͤfters<lb/> lieber durch eigene paradore Meinungen unterſcheiden, als ver-<lb/> nuͤnftigen Grundſaͤtzen anderer Perſonen beypflichten wollen.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 57.</head><lb/> <p>Da ſowohl der Auctor des Artikels <hi rendition="#fr">Secunde,</hi> als der Hr.<lb/> Kirnberger den Secundenaccord aus der Septime herleiten,<lb/> (man ſehe in der Theorie ꝛc. die Artikel <hi rendition="#fr">Septimenaccord</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Secundenaccord,</hi> ferner die <hi rendition="#fr">Kunſt</hi> ꝛc. und die <hi rendition="#fr">Grundſaͤtze</hi> ꝛc.<lb/> des Hrn. K.) ſo fange ich an zu glauben, daß der Hr. <hi rendition="#fr">S.</hi> in<lb/> ſeinen zum Vortheil der Secunde vorgebrachten Argumenten<lb/> nicht die Ordnung ihrer Abkunft, ſondern bloß ihre phyſikali-<lb/> ſche Eigenſchaft zum Gegenſtande hat, vermoͤge welcher ſie<lb/> das Gehoͤr ſtaͤrker als die Septime angreiffet. Es wird mir<lb/> dieſes um ſo vielmehr wahrſcheinlich, da er die mehrere oder<lb/> wenigere Kraft ihres Mislauts ihrem naͤhern oder weiterm Ab-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſtand</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0072]
Siebenter Abſchnitt.
„Pfeiffen immer beſchwerlicher werde, je naͤher ſie dem Uni-
„ſonus oder dem Verhaͤltniß 1:1 kommen.‟
Daß die Secunde eine ſchaͤrfere Diſſonanz iſt als die Septime,
wird ſo wenig geleugnet, als daß die dritte Umkehrung des
Septimenaccords die haͤrteſte von allen dreyen Umkehrungen
iſt; und es iſt dieſes ſchon vor langer Zeit, und unter andern
auch von mir, ſchriftlich gelehret worden. Aber daraus fol-
get nicht, daß die Secunde die erſte Diſſonanz iſt. Waͤre ſie
dieſes, ſo muͤßte in der Harmonie der Secundenaccord ein
Grundaccord ſeyn, von welchem der Septimenaccord ent-
ſtaͤnde. So grundlos nun dieſe Meinung ſeyn wuͤrde, da ſie
mit der Art, wie die Natur die Accorde nach einander giebt,
einen Widerſpruch macht, ſo ungegruͤndet iſt die Prioritaͤt der
Secunde vor der Septime. Gewiß, wer den Secundenac-
cord zu einem Grundaccord erheben wollte, muͤßte die auf den
natuͤrlichen Bau der Accorde gegruͤndeten unveraͤnderlichen und
ewigen Merkmale eines Grundaccords ſo wenig kennen, als
der von dem Hrn. Doct. Gemmel widerlegte Herr J. F.
Daube ſie kannte, welcher den Sertquintenaccord zu einem
Grundaccord machte, oder als derjenige ſie kennen wuͤrde, der
vielleicht mit der Zeit den Terzquartenaccord dazu machen wird.
Denn ich zweifle gar nicht, daß dieſes einmal geſchehen wird,
da viele Muſiker zu Neuerungen geneigt ſind, und ſich oͤfters
lieber durch eigene paradore Meinungen unterſcheiden, als ver-
nuͤnftigen Grundſaͤtzen anderer Perſonen beypflichten wollen.
§. 57.
Da ſowohl der Auctor des Artikels Secunde, als der Hr.
Kirnberger den Secundenaccord aus der Septime herleiten,
(man ſehe in der Theorie ꝛc. die Artikel Septimenaccord und
Secundenaccord, ferner die Kunſt ꝛc. und die Grundſaͤtze ꝛc.
des Hrn. K.) ſo fange ich an zu glauben, daß der Hr. S. in
ſeinen zum Vortheil der Secunde vorgebrachten Argumenten
nicht die Ordnung ihrer Abkunft, ſondern bloß ihre phyſikali-
ſche Eigenſchaft zum Gegenſtande hat, vermoͤge welcher ſie
das Gehoͤr ſtaͤrker als die Septime angreiffet. Es wird mir
dieſes um ſo vielmehr wahrſcheinlich, da er die mehrere oder
wenigere Kraft ihres Mislauts ihrem naͤhern oder weiterm Ab-
ſtand
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |