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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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der vollständigen diaton. chromat. enharm. Tonleiter.
eine Quinte tiefer zu versetzen, und er findet, daß dieses weder dort
durch -- g f e, d h c d, g, noch hier durch -- f e d, c A H c, F
bewirket werden kann. Er empfindet die Nothwendigkeit, bey
der Versetzung des Gesanges in die Oberquinte zwischen f und
g, und bey der Versetzung des Gesanges in die Unterquinte,
zwischen A und H einen halben Ton anzunehmen. Die An-
nehmung mehrer Töne als sieben ist also keine bloße Wirkung
von Vernunftschlüssen. Die Natur der Sache macht sie noth-
wendig.

§. 92.

Es erscheinen nunmehr zwey neue Töne, einer zwischen
f und g, und der andere zwischen a und h. Damit sie nicht
mit den andern Tönen vermenget werden, so müssen wir sie
durch eine gewisse Benennung von den andern unterscheiden.
Wenn man nun bemerket hat, daß nicht die Töne g und a, son-
dern die Töne f und h aus der Haupttonleiter, verändert wer-
den, und daß die einzuschaltenden neuen Töne nicht an die
Stelle von g und a, sondern anstatt f und h gebrauchet wer-
den sollen, und folglich jeder neue Ton eine relativische Be-
nennung haben muß: so ist man eins geworden, die aus der
Versetzung der Haupttonleiter in die Oberquinte entstehenden
neuen Töne durch die Sylbe is, und die aus der Versetzung
in die Unterquinte durch die Sylbe es zu characterisiren. Da-
mit entstehet der Ton fis zwischen f und g, und der Ton hes
(insgemein b) zwischen a und h.

§. 93.

Es ist nicht schwer einzusehen, 1) daß durch die Einfüh-
rung eines jeden neuen Tons eine neue Tonleiter entstehen
wird, und 2) daß die gefundnen neuen Töne selbst wiederum
zum Grunde einer neuen Tonleiter geleget werden können.
Man ist in der That so weit gegangen, und der Erfolg davon
ist dieser, daß wir, anstatt nur fünf neue Töne zu erhalten,
ihrer vierzehn bekommen haben, welche mit den sieben Haupt-
tönen ein und zwanzig Töne ausmachen. Von den vier-
zehn neuen Tönen sind sieben aus der Versetzung der Haupt-
tonleiter von einer Oberquinte in die andere, und die sieben

andern

der vollſtaͤndigen diaton. chromat. enharm. Tonleiter.
eine Quinte tiefer zu verſetzen, und er findet, daß dieſes weder dort
durch — g̅ f̅ e̅, d̅ h c d̅, g, noch hier durch — f e d, c A H c, F
bewirket werden kann. Er empfindet die Nothwendigkeit, bey
der Verſetzung des Geſanges in die Oberquinte zwiſchen f und
g, und bey der Verſetzung des Geſanges in die Unterquinte,
zwiſchen A und H einen halben Ton anzunehmen. Die An-
nehmung mehrer Toͤne als ſieben iſt alſo keine bloße Wirkung
von Vernunftſchluͤſſen. Die Natur der Sache macht ſie noth-
wendig.

§. 92.

Es erſcheinen nunmehr zwey neue Toͤne, einer zwiſchen
f und g, und der andere zwiſchen a und h. Damit ſie nicht
mit den andern Toͤnen vermenget werden, ſo muͤſſen wir ſie
durch eine gewiſſe Benennung von den andern unterſcheiden.
Wenn man nun bemerket hat, daß nicht die Toͤne g und a, ſon-
dern die Toͤne f und h aus der Haupttonleiter, veraͤndert wer-
den, und daß die einzuſchaltenden neuen Toͤne nicht an die
Stelle von g und a, ſondern anſtatt f und h gebrauchet wer-
den ſollen, und folglich jeder neue Ton eine relativiſche Be-
nennung haben muß: ſo iſt man eins geworden, die aus der
Verſetzung der Haupttonleiter in die Oberquinte entſtehenden
neuen Toͤne durch die Sylbe is, und die aus der Verſetzung
in die Unterquinte durch die Sylbe es zu characteriſiren. Da-
mit entſtehet der Ton fis zwiſchen f und g, und der Ton hes
(insgemein b) zwiſchen a und h.

§. 93.

Es iſt nicht ſchwer einzuſehen, 1) daß durch die Einfuͤh-
rung eines jeden neuen Tons eine neue Tonleiter entſtehen
wird, und 2) daß die gefundnen neuen Toͤne ſelbſt wiederum
zum Grunde einer neuen Tonleiter geleget werden koͤnnen.
Man iſt in der That ſo weit gegangen, und der Erfolg davon
iſt dieſer, daß wir, anſtatt nur fuͤnf neue Toͤne zu erhalten,
ihrer vierzehn bekommen haben, welche mit den ſieben Haupt-
toͤnen ein und zwanzig Toͤne ausmachen. Von den vier-
zehn neuen Toͤnen ſind ſieben aus der Verſetzung der Haupt-
tonleiter von einer Oberquinte in die andere, und die ſieben

andern
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[75/0095] der vollſtaͤndigen diaton. chromat. enharm. Tonleiter. eine Quinte tiefer zu verſetzen, und er findet, daß dieſes weder dort durch — g̅ f̅ e̅, d̅ h c d̅, g, noch hier durch — f e d, c A H c, F bewirket werden kann. Er empfindet die Nothwendigkeit, bey der Verſetzung des Geſanges in die Oberquinte zwiſchen f und g, und bey der Verſetzung des Geſanges in die Unterquinte, zwiſchen A und H einen halben Ton anzunehmen. Die An- nehmung mehrer Toͤne als ſieben iſt alſo keine bloße Wirkung von Vernunftſchluͤſſen. Die Natur der Sache macht ſie noth- wendig. §. 92. Es erſcheinen nunmehr zwey neue Toͤne, einer zwiſchen f und g, und der andere zwiſchen a und h. Damit ſie nicht mit den andern Toͤnen vermenget werden, ſo muͤſſen wir ſie durch eine gewiſſe Benennung von den andern unterſcheiden. Wenn man nun bemerket hat, daß nicht die Toͤne g und a, ſon- dern die Toͤne f und h aus der Haupttonleiter, veraͤndert wer- den, und daß die einzuſchaltenden neuen Toͤne nicht an die Stelle von g und a, ſondern anſtatt f und h gebrauchet wer- den ſollen, und folglich jeder neue Ton eine relativiſche Be- nennung haben muß: ſo iſt man eins geworden, die aus der Verſetzung der Haupttonleiter in die Oberquinte entſtehenden neuen Toͤne durch die Sylbe is, und die aus der Verſetzung in die Unterquinte durch die Sylbe es zu characteriſiren. Da- mit entſtehet der Ton fis zwiſchen f und g, und der Ton hes (insgemein b) zwiſchen a und h. §. 93. Es iſt nicht ſchwer einzuſehen, 1) daß durch die Einfuͤh- rung eines jeden neuen Tons eine neue Tonleiter entſtehen wird, und 2) daß die gefundnen neuen Toͤne ſelbſt wiederum zum Grunde einer neuen Tonleiter geleget werden koͤnnen. Man iſt in der That ſo weit gegangen, und der Erfolg davon iſt dieſer, daß wir, anſtatt nur fuͤnf neue Toͤne zu erhalten, ihrer vierzehn bekommen haben, welche mit den ſieben Haupt- toͤnen ein und zwanzig Toͤne ausmachen. Von den vier- zehn neuen Toͤnen ſind ſieben aus der Verſetzung der Haupt- tonleiter von einer Oberquinte in die andere, und die ſieben andern

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/95>, abgerufen am 23.11.2024.