Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Gleichheit Würden und Rang.
fügungen zu unterwerfen, daher sie lieber, wo möglich, bey
solchen Streitigkeiten neutral bleiben.

Kann ein Staat den Vorrang, oder die Gleichheit
die er begehrt nicht erhalten, so bleiben zu Vermeidung
ehemahls häufiger anstößiger Auftritte g) nur noch folgende
Wege übrig 1) der Regent kommt incognito oder schickt
einen Gesandten eines andren Ranges als der mit dem er
wegen der Präcedenz streitet, oder 2) er oder der Gesandte
erscheinen nicht bey der Feyerlichkeit, um nicht nachzugeben,
oder 3) man erscheint und giebt nach, aber protestirt an sei-
ner Seite, oder läßt sich an der andern einen Revers geben.

a) In Verträgen zwischen zweyen Mächten werden zwey Exem-
plare gemacht, und entweder jedes nur von einem Theil unter-
schrieben, oder von beiden, so, daß jeder ein Exemplar bekommt,
in welchem er den Ehrenplatz in dem Vertrage und der Unter-
schrift hat. Sind mehrere Contrahenten so muß oft die Zahl
der Exemplare beträchtlich vermehrt werden. So wurden von
der Qu[a]druple-Allianz 12 Exemplare gemacht. Wie es beym
Aachener Frieden gehalten wurde s. Moser Beyträge Th. I.
S. 45. u. f. Adelung Staatsgeschichte Th. VI. S. 328.
b) Wovon insonderheit der Pyrenaeische und Ryswickische Friede
merkwürdige Beyspiele geben.
c) So haben z. B. Frankreich und England sich schon seit 1546
der Alternation verglichen. Rousset memoires sur le rang etc. p. 66.
d) Z. B. Sardinien und Ungarn beym Aachener, Portugal beym
Fontaineblauer Frieden. Auch Großbritannien bezweifelte
dieses Recht an Preußen 1742.
e) Z. B. Hannoverische Allianz zwischen Sachsen und Braun-
schweig-Lüneburg 1731. Teschner Convention zwischen Sach-
sen und Pfalz 1779.
f) Ob der Kaiser das Recht habe die Präcedenz zwischen den
teutschen Ständen festzusetzen, hängt von der Frage ab, ob
darüber vor den Reichsgerichten Streit entsteht, welcher Fall
nicht leicht eintreten wird. Moser von den kaiserlichen Re-
gierungsrechten S. 13. Nachbarliches Staatsrecht S. 13.
Günther Th. I. S. 268. Der Pabst hat kein Entscheidungs-
recht, auch nicht in Ansehung des Ranges der geistlichen Fürsten.

g) Wie
L 2

Gleichheit Wuͤrden und Rang.
fuͤgungen zu unterwerfen, daher ſie lieber, wo moͤglich, bey
ſolchen Streitigkeiten neutral bleiben.

Kann ein Staat den Vorrang, oder die Gleichheit
die er begehrt nicht erhalten, ſo bleiben zu Vermeidung
ehemahls haͤufiger anſtoͤßiger Auftritte g) nur noch folgende
Wege uͤbrig 1) der Regent kommt incognito oder ſchickt
einen Geſandten eines andren Ranges als der mit dem er
wegen der Praͤcedenz ſtreitet, oder 2) er oder der Geſandte
erſcheinen nicht bey der Feyerlichkeit, um nicht nachzugeben,
oder 3) man erſcheint und giebt nach, aber proteſtirt an ſei-
ner Seite, oder laͤßt ſich an der andern einen Revers geben.

a) In Vertraͤgen zwiſchen zweyen Maͤchten werden zwey Exem-
plare gemacht, und entweder jedes nur von einem Theil unter-
ſchrieben, oder von beiden, ſo, daß jeder ein Exemplar bekommt,
in welchem er den Ehrenplatz in dem Vertrage und der Unter-
ſchrift hat. Sind mehrere Contrahenten ſo muß oft die Zahl
der Exemplare betraͤchtlich vermehrt werden. So wurden von
der Qu[a]druple-Allianz 12 Exemplare gemacht. Wie es beym
Aachener Frieden gehalten wurde ſ. Moſer Beytraͤge Th. I.
S. 45. u. f. Adelung Staatsgeſchichte Th. VI. S. 328.
b) Wovon inſonderheit der Pyrenaeiſche und Ryswickiſche Friede
merkwuͤrdige Beyſpiele geben.
c) So haben z. B. Frankreich und England ſich ſchon ſeit 1546
der Alternation verglichen. Rousset memoires ſur le rang etc. p. 66.
d) Z. B. Sardinien und Ungarn beym Aachener, Portugal beym
Fontaineblauer Frieden. Auch Großbritannien bezweifelte
dieſes Recht an Preußen 1742.
e) Z. B. Hannoveriſche Allianz zwiſchen Sachſen und Braun-
ſchweig-Luͤneburg 1731. Teſchner Convention zwiſchen Sach-
ſen und Pfalz 1779.
f) Ob der Kaiſer das Recht habe die Praͤcedenz zwiſchen den
teutſchen Staͤnden feſtzuſetzen, haͤngt von der Frage ab, ob
daruͤber vor den Reichsgerichten Streit entſteht, welcher Fall
nicht leicht eintreten wird. Moſer von den kaiſerlichen Re-
gierungsrechten S. 13. Nachbarliches Staatsrecht S. 13.
Guͤnther Th. I. S. 268. Der Pabſt hat kein Entſcheidungs-
recht, auch nicht in Anſehung des Ranges der geiſtlichen Fuͤrſten.

g) Wie
L 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0191" n="163"/><fw place="top" type="header">Gleichheit Wu&#x0364;rden und Rang.</fw><lb/>
fu&#x0364;gungen zu unterwerfen, daher &#x017F;ie lieber, wo mo&#x0364;glich, bey<lb/>
&#x017F;olchen Streitigkeiten neutral bleiben.</p><lb/>
            <p>Kann ein Staat den Vorrang, oder die Gleichheit<lb/>
die er begehrt nicht erhalten, &#x017F;o bleiben zu Vermeidung<lb/>
ehemahls ha&#x0364;ufiger an&#x017F;to&#x0364;ßiger Auftritte <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">g</hi></hi>) nur noch folgende<lb/>
Wege u&#x0364;brig 1) der Regent kommt incognito oder &#x017F;chickt<lb/>
einen Ge&#x017F;andten eines andren Ranges als der mit dem er<lb/>
wegen der Pra&#x0364;cedenz &#x017F;treitet, oder 2) er oder der Ge&#x017F;andte<lb/>
er&#x017F;cheinen nicht bey der Feyerlichkeit, um nicht nachzugeben,<lb/>
oder 3) man er&#x017F;cheint und giebt nach, aber prote&#x017F;tirt an &#x017F;ei-<lb/>
ner Seite, oder la&#x0364;ßt &#x017F;ich an der andern einen Revers geben.</p><lb/>
            <note place="end" n="a)">In Vertra&#x0364;gen zwi&#x017F;chen zweyen Ma&#x0364;chten werden zwey Exem-<lb/>
plare gemacht, und entweder jedes nur von einem Theil unter-<lb/>
&#x017F;chrieben, oder von beiden, &#x017F;o, daß jeder ein Exemplar bekommt,<lb/>
in welchem er den Ehrenplatz in dem Vertrage und der Unter-<lb/>
&#x017F;chrift hat. Sind mehrere Contrahenten &#x017F;o muß oft die Zahl<lb/>
der Exemplare betra&#x0364;chtlich vermehrt werden. So wurden von<lb/>
der Qu<supplied>a</supplied>druple-Allianz 12 Exemplare gemacht. Wie es beym<lb/>
Aachener Frieden gehalten wurde &#x017F;. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Mo&#x017F;er</hi> Beytra&#x0364;ge</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
S. 45. u. f. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Adelung</hi> Staatsge&#x017F;chichte</hi> Th. <hi rendition="#aq">VI.</hi> S. 328.</note><lb/>
            <note place="end" n="b)">Wovon in&#x017F;onderheit der Pyrenaei&#x017F;che und Ryswicki&#x017F;che Friede<lb/>
merkwu&#x0364;rdige Bey&#x017F;piele geben.</note><lb/>
            <note place="end" n="c)">So haben z. B. <hi rendition="#fr">Frankreich</hi> und <hi rendition="#fr">England</hi> &#x017F;ich &#x017F;chon &#x017F;eit 1546<lb/>
der Alternation verglichen. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Rousset</hi><hi rendition="#i">memoires &#x017F;ur le rang</hi> etc. p.</hi> 66.</note><lb/>
            <note place="end" n="d)">Z. B. <hi rendition="#fr">Sardinien</hi> und <hi rendition="#fr">Ungarn beym Aachener, Portugal</hi> beym<lb/><hi rendition="#fr">Fontaineblauer</hi> Frieden. Auch <hi rendition="#fr">Großbritannien</hi> bezweifelte<lb/>
die&#x017F;es Recht an <hi rendition="#fr">Preußen</hi> 1742.</note><lb/>
            <note place="end" n="e)">Z. B. Hannoveri&#x017F;che Allianz zwi&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Sach&#x017F;en</hi> und <hi rendition="#fr">Braun-<lb/>
&#x017F;chweig-Lu&#x0364;neburg</hi> 1731. Te&#x017F;chner Convention zwi&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Sach-<lb/>
&#x017F;en</hi> und <hi rendition="#fr">Pfalz</hi> 1779.</note><lb/>
            <note place="end" n="f)">Ob der Kai&#x017F;er das Recht habe die Pra&#x0364;cedenz zwi&#x017F;chen den<lb/>
teut&#x017F;chen Sta&#x0364;nden fe&#x017F;tzu&#x017F;etzen, ha&#x0364;ngt von der Frage ab, ob<lb/>
daru&#x0364;ber vor den Reichsgerichten Streit ent&#x017F;teht, welcher Fall<lb/>
nicht leicht eintreten wird. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Mo&#x017F;er</hi> von den kai&#x017F;erlichen Re-<lb/>
gierungsrechten</hi> S. 13. <hi rendition="#fr">Nachbarliches Staatsrecht</hi> S. 13.<lb/><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Gu&#x0364;nther</hi></hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 268. Der Pab&#x017F;t hat kein Ent&#x017F;cheidungs-<lb/>
recht, auch nicht in An&#x017F;ehung des Ranges der gei&#x017F;tlichen Fu&#x0364;r&#x017F;ten.</note><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">L 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">g</hi></hi>) Wie</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0191] Gleichheit Wuͤrden und Rang. fuͤgungen zu unterwerfen, daher ſie lieber, wo moͤglich, bey ſolchen Streitigkeiten neutral bleiben. Kann ein Staat den Vorrang, oder die Gleichheit die er begehrt nicht erhalten, ſo bleiben zu Vermeidung ehemahls haͤufiger anſtoͤßiger Auftritte g) nur noch folgende Wege uͤbrig 1) der Regent kommt incognito oder ſchickt einen Geſandten eines andren Ranges als der mit dem er wegen der Praͤcedenz ſtreitet, oder 2) er oder der Geſandte erſcheinen nicht bey der Feyerlichkeit, um nicht nachzugeben, oder 3) man erſcheint und giebt nach, aber proteſtirt an ſei- ner Seite, oder laͤßt ſich an der andern einen Revers geben. a⁾ In Vertraͤgen zwiſchen zweyen Maͤchten werden zwey Exem- plare gemacht, und entweder jedes nur von einem Theil unter- ſchrieben, oder von beiden, ſo, daß jeder ein Exemplar bekommt, in welchem er den Ehrenplatz in dem Vertrage und der Unter- ſchrift hat. Sind mehrere Contrahenten ſo muß oft die Zahl der Exemplare betraͤchtlich vermehrt werden. So wurden von der Quadruple-Allianz 12 Exemplare gemacht. Wie es beym Aachener Frieden gehalten wurde ſ. Moſer Beytraͤge Th. I. S. 45. u. f. Adelung Staatsgeſchichte Th. VI. S. 328. b⁾ Wovon inſonderheit der Pyrenaeiſche und Ryswickiſche Friede merkwuͤrdige Beyſpiele geben. c⁾ So haben z. B. Frankreich und England ſich ſchon ſeit 1546 der Alternation verglichen. Rousset memoires ſur le rang etc. p. 66. d⁾ Z. B. Sardinien und Ungarn beym Aachener, Portugal beym Fontaineblauer Frieden. Auch Großbritannien bezweifelte dieſes Recht an Preußen 1742. e⁾ Z. B. Hannoveriſche Allianz zwiſchen Sachſen und Braun- ſchweig-Luͤneburg 1731. Teſchner Convention zwiſchen Sach- ſen und Pfalz 1779. f⁾ Ob der Kaiſer das Recht habe die Praͤcedenz zwiſchen den teutſchen Staͤnden feſtzuſetzen, haͤngt von der Frage ab, ob daruͤber vor den Reichsgerichten Streit entſteht, welcher Fall nicht leicht eintreten wird. Moſer von den kaiſerlichen Re- gierungsrechten S. 13. Nachbarliches Staatsrecht S. 13. Guͤnther Th. I. S. 268. Der Pabſt hat kein Entſcheidungs- recht, auch nicht in Anſehung des Ranges der geiſtlichen Fuͤrſten. g) Wie L 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/191
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/191>, abgerufen am 04.12.2024.