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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Rechte der Völker in Ansehung des Handels.
dert das Beyspiel der Hanse gelehrt, wie mächtig der Han-
del auf den Flor der Staaten zurückwürke, da fingen die
Mächte an, über die ausgebreitete Wichtigkeit des Handels
die Augen zu öffnen, und die Entdeckung des neuen Welt-
theils und des neuen Wegs der nach Indien führet, eröff-
nete ganz neue Aussichten für den Handel, aber auch zu-
gleich eine ergiebige Quelle durch Handelseifersucht erzeug-
ter Streitigkeiten und Kriege, welche seitdem die Ruhe
Europens und der übrigen Welttheile trübten.

Manche der Europäischen Mächte wusten frühe oder
später sich Colonien und Besitzungen in fremden Weltthei-
len zu verschaffen, die mehrentheils der Handel allein ihnen
wichtig machte. Andere, denen ihre Lage und Beschaffen-
heit nicht Gelegenheit zu solchen Erwerbungen gaben, such-
ten wenigstens den Handel ihrer Unterthanen auf andere
Weise zu erweitern; durch Gesetze und Handelsbündnisse
sich wetteifernd mit anderen Völkern Handelsvortheile
zu verschaffen, und in Ansehung des Handels ihres Staats
mit den übrigen das Gleichgewicht wenigstens möglichst
zu erhalten, wenn sie sich nicht eines Uebergewichts bemei-
stern können.

Jetzt beruhen daher die wichtigsten Handelsrechte der
Völker auf Gesetze und Verträge der einzelnen Mächte;
doch giebt es theils einige Grundsätze, die, unabhängig von
den Verträgen, als eingeführet angesehn werden können,
auch lassen sich manche Puncte der Verträge selbst auf all-
gemeinere Grundsätze zurückführen. Dabey ist insonderheit
der Handel außerhalb Europa, von dem der mit den Eu-
ropäischen Besitzungen in Europa geführet wird, wesentlich
zu unterscheiden, so daß selbst die Handelsverträge im zwei-
felhaften Fall immer nur von letzterem zu erklären sind.

a) Schilter de iure hospitii Diss. I. §. 6. Bouchaud theorie des
traites de commerce
p.
15. u. f.

§. 138.
L 4

Rechte der Voͤlker in Anſehung des Handels.
dert das Beyſpiel der Hanſe gelehrt, wie maͤchtig der Han-
del auf den Flor der Staaten zuruͤckwuͤrke, da fingen die
Maͤchte an, uͤber die ausgebreitete Wichtigkeit des Handels
die Augen zu oͤffnen, und die Entdeckung des neuen Welt-
theils und des neuen Wegs der nach Indien fuͤhret, eroͤff-
nete ganz neue Ausſichten fuͤr den Handel, aber auch zu-
gleich eine ergiebige Quelle durch Handelseiferſucht erzeug-
ter Streitigkeiten und Kriege, welche ſeitdem die Ruhe
Europens und der uͤbrigen Welttheile truͤbten.

Manche der Europaͤiſchen Maͤchte wuſten fruͤhe oder
ſpaͤter ſich Colonien und Beſitzungen in fremden Weltthei-
len zu verſchaffen, die mehrentheils der Handel allein ihnen
wichtig machte. Andere, denen ihre Lage und Beſchaffen-
heit nicht Gelegenheit zu ſolchen Erwerbungen gaben, ſuch-
ten wenigſtens den Handel ihrer Unterthanen auf andere
Weiſe zu erweitern; durch Geſetze und Handelsbuͤndniſſe
ſich wetteifernd mit anderen Voͤlkern Handelsvortheile
zu verſchaffen, und in Anſehung des Handels ihres Staats
mit den uͤbrigen das Gleichgewicht wenigſtens moͤglichſt
zu erhalten, wenn ſie ſich nicht eines Uebergewichts bemei-
ſtern koͤnnen.

Jetzt beruhen daher die wichtigſten Handelsrechte der
Voͤlker auf Geſetze und Vertraͤge der einzelnen Maͤchte;
doch giebt es theils einige Grundſaͤtze, die, unabhaͤngig von
den Vertraͤgen, als eingefuͤhret angeſehn werden koͤnnen,
auch laſſen ſich manche Puncte der Vertraͤge ſelbſt auf all-
gemeinere Grundſaͤtze zuruͤckfuͤhren. Dabey iſt inſonderheit
der Handel außerhalb Europa, von dem der mit den Eu-
ropaͤiſchen Beſitzungen in Europa gefuͤhret wird, weſentlich
zu unterſcheiden, ſo daß ſelbſt die Handelsvertraͤge im zwei-
felhaften Fall immer nur von letzterem zu erklaͤren ſind.

a) Schilter de iure hoſpitii Diſſ. I. §. 6. Bouchaud theorie des
traités de commerce
p.
15. u. f.

§. 138.
L 4
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[167/0195] Rechte der Voͤlker in Anſehung des Handels. dert das Beyſpiel der Hanſe gelehrt, wie maͤchtig der Han- del auf den Flor der Staaten zuruͤckwuͤrke, da fingen die Maͤchte an, uͤber die ausgebreitete Wichtigkeit des Handels die Augen zu oͤffnen, und die Entdeckung des neuen Welt- theils und des neuen Wegs der nach Indien fuͤhret, eroͤff- nete ganz neue Ausſichten fuͤr den Handel, aber auch zu- gleich eine ergiebige Quelle durch Handelseiferſucht erzeug- ter Streitigkeiten und Kriege, welche ſeitdem die Ruhe Europens und der uͤbrigen Welttheile truͤbten. Manche der Europaͤiſchen Maͤchte wuſten fruͤhe oder ſpaͤter ſich Colonien und Beſitzungen in fremden Weltthei- len zu verſchaffen, die mehrentheils der Handel allein ihnen wichtig machte. Andere, denen ihre Lage und Beſchaffen- heit nicht Gelegenheit zu ſolchen Erwerbungen gaben, ſuch- ten wenigſtens den Handel ihrer Unterthanen auf andere Weiſe zu erweitern; durch Geſetze und Handelsbuͤndniſſe ſich wetteifernd mit anderen Voͤlkern Handelsvortheile zu verſchaffen, und in Anſehung des Handels ihres Staats mit den uͤbrigen das Gleichgewicht wenigſtens moͤglichſt zu erhalten, wenn ſie ſich nicht eines Uebergewichts bemei- ſtern koͤnnen. Jetzt beruhen daher die wichtigſten Handelsrechte der Voͤlker auf Geſetze und Vertraͤge der einzelnen Maͤchte; doch giebt es theils einige Grundſaͤtze, die, unabhaͤngig von den Vertraͤgen, als eingefuͤhret angeſehn werden koͤnnen, auch laſſen ſich manche Puncte der Vertraͤge ſelbſt auf all- gemeinere Grundſaͤtze zuruͤckfuͤhren. Dabey iſt inſonderheit der Handel außerhalb Europa, von dem der mit den Eu- ropaͤiſchen Beſitzungen in Europa gefuͤhret wird, weſentlich zu unterſcheiden, ſo daß ſelbſt die Handelsvertraͤge im zwei- felhaften Fall immer nur von letzterem zu erklaͤren ſind. a⁾ Schilter de iure hoſpitii Diſſ. I. §. 6. Bouchaud theorie des traités de commerce p. 15. u. f. §. 138. L 4

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/195>, abgerufen am 04.12.2024.