Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.Achtes Buch. Drittes Hauptstück. a) Ueber die Rechtfertigungsgründe des Kriegs ist viel geschrieben worden; s. v. Ompteda Litteratur Th. II. S. 626 u. f. b) Daß eine Nation welche Unterthanen anderer Staaten zum Auf- ruhr verleitet, mit Recht von diesen bekriegt werden könne, leidet gar keinen Zweifel da hier die Verletzung vollkommner Pflichten unläugbar ist. Kann aber ein Volk auch darum bekriegt werden weil es Grundsätze bey sich aufstellt, die mit der Erhaltung und dem Wohl der Völker nicht bestehn können? Dieß glaube ich allerdings, zumahl solche Grundsätze dem Naturrecht gerade zu entgegen sind. Davon ist die Frage, wiefern ein Strafkrieg statt habe noch zu unterscheiden; von dieser siehe die Schriften in v. Ompteda Litteratur Th. II. S. 632. c) Zuweilen wird in Verträgen der christlichen Mächte unter einan- der, insonderheit aber mit den Türken und Africanern festgesetzt, daß wegen Verletzung eines Artikels nicht solle Krieg angefangen werden; doch versteht sich dabey die Bedingung von selbst, daß dafür Genugthuung gegeben werde; wenn daher diese nicht erfül- let wird, so verliert die Clausul mehrentheils ihre Kraft. d) Daß aber von den Rechtfertigungsgründen (raisons instificatiues) die Beweggründe (motifs) noch oft zu unterscheiden sind, ist sehr bekannt. e) Vielleicht eben so sehr aus Politik, als aus Rechtsgründen werden selbst die Kriege der Africaner, deren wahrer Beweggrund doch so oft bloß Raubgier ist, als äußerlich gerecht in Ansehung der Behandlung der Feinde angesehn. Eben dieß geschieht oft in dem Verfolg eines bürgerlichen Krieges, ohne daß gleichwohl dadurch die Unabhängigkeit aufrührerischer Unterthanen anerkannt würde. S. die 1778 zwischen Frankreich und Großbritannien gewechsel- ten Schriften in Hennings Sammlung Th. I. S. 5 u. f. §. 261. Vertheidigungs- und Anfalls-Kriege. Man theilt die Kriege in Vertheidigungs- und An- auf
Achtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck. a) Ueber die Rechtfertigungsgruͤnde des Kriegs iſt viel geſchrieben worden; ſ. v. Ompteda Litteratur Th. II. S. 626 u. f. b) Daß eine Nation welche Unterthanen anderer Staaten zum Auf- ruhr verleitet, mit Recht von dieſen bekriegt werden koͤnne, leidet gar keinen Zweifel da hier die Verletzung vollkommner Pflichten unlaͤugbar iſt. Kann aber ein Volk auch darum bekriegt werden weil es Grundſaͤtze bey ſich aufſtellt, die mit der Erhaltung und dem Wohl der Voͤlker nicht beſtehn koͤnnen? Dieß glaube ich allerdings, zumahl ſolche Grundſaͤtze dem Naturrecht gerade zu entgegen ſind. Davon iſt die Frage, wiefern ein Strafkrieg ſtatt habe noch zu unterſcheiden; von dieſer ſiehe die Schriften in v. Ompteda Litteratur Th. II. S. 632. c) Zuweilen wird in Vertraͤgen der chriſtlichen Maͤchte unter einan- der, inſonderheit aber mit den Tuͤrken und Africanern feſtgeſetzt, daß wegen Verletzung eines Artikels nicht ſolle Krieg angefangen werden; doch verſteht ſich dabey die Bedingung von ſelbſt, daß dafuͤr Genugthuung gegeben werde; wenn daher dieſe nicht erfuͤl- let wird, ſo verliert die Clauſul mehrentheils ihre Kraft. d) Daß aber von den Rechtfertigungsgruͤnden (raiſons inſtificatiues) die Beweggruͤnde (motifs) noch oft zu unterſcheiden ſind, iſt ſehr bekannt. e) Vielleicht eben ſo ſehr aus Politik, als aus Rechtsgruͤnden werden ſelbſt die Kriege der Africaner, deren wahrer Beweggrund doch ſo oft bloß Raubgier iſt, als aͤußerlich gerecht in Anſehung der Behandlung der Feinde angeſehn. Eben dieß geſchieht oft in dem Verfolg eines buͤrgerlichen Krieges, ohne daß gleichwohl dadurch die Unabhaͤngigkeit aufruͤhreriſcher Unterthanen anerkannt wuͤrde. S. die 1778 zwiſchen Frankreich und Großbritannien gewechſel- ten Schriften in Hennings Sammlung Th. I. S. 5 u. f. §. 261. Vertheidigungs- und Anfalls-Kriege. Man theilt die Kriege in Vertheidigungs- und An- auf
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Achtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
a⁾ Ueber die Rechtfertigungsgruͤnde des Kriegs iſt viel geſchrieben
worden; ſ. v. Ompteda Litteratur Th. II. S. 626 u. f.
b⁾ Daß eine Nation welche Unterthanen anderer Staaten zum Auf-
ruhr verleitet, mit Recht von dieſen bekriegt werden koͤnne, leidet
gar keinen Zweifel da hier die Verletzung vollkommner Pflichten
unlaͤugbar iſt. Kann aber ein Volk auch darum bekriegt werden
weil es Grundſaͤtze bey ſich aufſtellt, die mit der Erhaltung und
dem Wohl der Voͤlker nicht beſtehn koͤnnen? Dieß glaube ich
allerdings, zumahl ſolche Grundſaͤtze dem Naturrecht gerade zu
entgegen ſind. Davon iſt die Frage, wiefern ein Strafkrieg ſtatt
habe noch zu unterſcheiden; von dieſer ſiehe die Schriften in v.
Ompteda Litteratur Th. II. S. 632.
c⁾ Zuweilen wird in Vertraͤgen der chriſtlichen Maͤchte unter einan-
der, inſonderheit aber mit den Tuͤrken und Africanern feſtgeſetzt,
daß wegen Verletzung eines Artikels nicht ſolle Krieg angefangen
werden; doch verſteht ſich dabey die Bedingung von ſelbſt, daß
dafuͤr Genugthuung gegeben werde; wenn daher dieſe nicht erfuͤl-
let wird, ſo verliert die Clauſul mehrentheils ihre Kraft.
d⁾ Daß aber von den Rechtfertigungsgruͤnden (raiſons inſtificatiues)
die Beweggruͤnde (motifs) noch oft zu unterſcheiden ſind, iſt
ſehr bekannt.
e⁾ Vielleicht eben ſo ſehr aus Politik, als aus Rechtsgruͤnden werden
ſelbſt die Kriege der Africaner, deren wahrer Beweggrund doch
ſo oft bloß Raubgier iſt, als aͤußerlich gerecht in Anſehung der
Behandlung der Feinde angeſehn. Eben dieß geſchieht oft in dem
Verfolg eines buͤrgerlichen Krieges, ohne daß gleichwohl dadurch
die Unabhaͤngigkeit aufruͤhreriſcher Unterthanen anerkannt wuͤrde.
S. die 1778 zwiſchen Frankreich und Großbritannien gewechſel-
ten Schriften in Hennings Sammlung Th. I. S. 5 u. f.
§. 261.
Vertheidigungs- und Anfalls-Kriege.
Man theilt die Kriege in Vertheidigungs- und An-
falls-Kriege a) (guerres defenſives et offenſives) ein.
Der Regel nach iſt der Krieg offenſiv von Seiten desjenigen
der ihn zuerſt erklaͤret, oder der zuerſt allgemeine Gewalt-
thaͤtigkeiten wider den andren, es ſey in deſſen Gebiet oder
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